Fand ich irgendwie passend
Ich gehöre zu einer bedrohten Art. Es gibt nicht mehr viele von uns. Und täglich werden es weniger: Hundehalter mit Leine – also mit richtiger Leine. Keiner Flexileine. Normalerweise werden Lebewesen, die vom Aussterben bedroht sind, unter besonderen Schutz gestellt. Doch bei Hundehaltern mit Leine ist das anders. Sie kommen nicht nur immer seltener vor, sondern werden auch noch wie Aussätzige behandelt. Erst heute Morgen musste ich das wieder erleben.
Ich war mit Cabo im Wald unterwegs. Als wir uns auf eine Lichtung zubewegten, hörte ich jemanden rufen. Dort angekommen kamen von rechts ein Berner Sennenhund und ein brauner Labrador, der eine Biothane-Schleppleine hinter sich herzog, direkt in unsere Richtung gerannt. Cabo war angeleint. Und ich überlegte mir, wie ich die wilde Horde am besten von meinem Spanier fernhalten konnte. Die Besitzer unternahmen nämlich nichts und sahen seelenruhig dabei zu, wie ihre Hunde auf meinen angeleinten zustürmten.
Als die Herren dann doch irgendwann merkten, dass ich von dem Spektakel wenig angetan war, kamen sie gemütlichen Schrittes in unsere Richtung. Das Berner-Sennen-Herrchen hielt seinem Rüden einen großen Stock vor die Nase, in der Hoffnung, dass sich dieser davon abhalten ließe, seine Nase in den Hintern meines Hundes zu stecken. Der Labbi-Besitzer blieb ein paar Meter vor uns stehen. Anstatt nach der schicken orangefarbenen Biothane-Schleppleine zu greifen, rief er seinen Rüden lieber mehrmals – ohne Erfolg. Cabo und ich waren daran schuld. Denn das Labbi-Herrchen sagte: „Ja, Sammy. Das kennst du nicht, dass ein Hund an der Leine ist.“
Bähm! Da war er wieder. Der Schlag mitten in mein Gesicht. Dieses Gefühl, meinem Hund großes Leid zuzufügen, weil ich ihn im Wald an der Leine führe. Diese Empfindung, eine Aussätzige zu sein, weil ich meinem Vierbeiner seinen größten Spaß mit den total fremden Hunden verwehre. Wobei ich den Labbi-Halter noch in Schutz nehmen muss. Er hat mir durch die Blume zu verstehen gegeben, dass ich eine Tierquälerin bin. Wie oft bin ich schon beschimpft worden: „Machen Sie doch Ihren Hund los! Meiner reagiert jetzt nur so (hört nicht), weil Sie Ihren an der Leine haben. Würden Sie Ihren losmachen, dann wäre alles ganz friedlich.“ Komisch nur, dass mein Hund in solchen Situationen selten einen Mucks von sich gibt und die anderen, also die leinenbefreiten, glücklichen Hunde, sich nicht zu benehmen wissen. Schuld habe ich. Die vom Aussterben bedrohte und aussätzige Hundehalterin mit der Leine. Und weil das so ist, reagierte das Labbi-Herrchen auch nicht , als ich zu ihm sagte: „Wenn der Sammy das nicht kennt, dann wird’s aber höchste Zeit.“
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