Hier ist Blues, und Blues weiß Bescheid :frech3::zwinkern2:
Also, die Sache mit der Hirnkrankheit, ich habe seit 36 Jahren mit Dobermännern zu tun (meine Eltern waren Züchter und schon lange in der Szene, bevor ich geboren wurde). In diesen 36 Jahren ist mir kein einziger (!) nachweisbarer Fall dieser ominösen Hirnkrankheit begegnet. Der Dobermann hat viele gesundheitliche Probleme, aber das Hirn gehört definitiv nicht dazu. Auch kenne keinen seriösen Artikel, Studienarbeit o.ä. in In- und Ausland wo etwas diesbezüglich nachgewiesen wurde. Und allein schon aus beruflichen Gründen lese ich sehr viele Studien und habe auch die nötigen Zugänge.
Geschichten wie beschrieben gibt es immer wieder. Die Leute, die dann erzählen, es lag an einer Hirnkrankheit, haben ihre Hunde nicht obduzieren lassen. Meist hat das nur der Tierarzt vermutet, oder es ist ein eigener Schluß. Ab und an behaupten dann einige, der Hund wäre obduziert und nachgewiesen, auf angefragte Laborberichte warte ich noch heute. Teilweise kannte ich die Laborleiter und konnte inoffiziell nachfragen, da war dann nie ein Dobermann getestet worden, oder es kam nichts raus.
So, wie kommt es also zu diesen Zwischenfällen? Antwort: Unwissenheit. Man weiß nicht, was man da an der Leine führt und geht auf Rassespezifika nicht ein, die beim Dobermann (übrigens ähnlich wie bei anderen Gebrauchshunderassen) sehr ausgeprägt sind und eine gewisse Umsicht verlangen.
Zum einen, Dobermänner sind sehr spätreif. Man kann einen Rüden ganz gemütlich führen, mit anderen Hunden spielen lassen, er ist lieb und freundlich zu jedem. Und dann plötzlich wird er "aggressiv". Ne, er wird nicht aggressiv und nein, auch nicht plötzlich. Der Hund wird erwachsen und ernsthaft. Und das in einem Alter wo "Otto-Normal-Hundehalter" nicht mehr mit rechnet. Ein durchschnittlicher, großer Hund ist mit 1,5-2 Jahren erwachsen. Er wird noch ein bisschen souveräner, aber mehr auch nicht. Der Dobermann wird mit 3-4 Jahren erwachsen, kommt in eine späte Pubertät, probiert sich aus. Und das durchaus mit Nachdruck. Hat man vorher gepfuscht in der Beziehung, oder locker gelassen, rächt es sich nun. Aber in dem Alter rechnen aber die wenigsten Anfänger noch damit. Ein Schlendrian hat sich eingeschlichen, hat man doch einen netten, sozialen, einfachen Hund.
Ein anderer Punkt ist Haltung. Einen Dobermann im Zwinger zu halten, naja, damit zieht man sich einen schwierigen Hund heran. Dobis binden sich extremst eng an ihren Menschen, tun alles für ihn. Bei Zwingerhunden kann zwar auch ne enge Bindung aufgebauen, aber nie so eng, wie wenn man mit dem Hund im Haus wohnt. Da wird man eher nachdrücklich auf Herz und Nieren getestet. Wer da nicht souverän und sicher im Umgang ist, bekommt halt was ab, wenn man den Hund unter Druck setzt (und sei esnur, weil man was vom Hund will, worauf er keinen Bock hat).
Ein anderer Punkt, klar, ist die Zucht. Es gibt beim Dobi ganz klar einen Unterschied zwischen Schönheit und Leistung. Leistung hieß noch vor dreissig, vierzig Jahren kompromissloser Polizeihund. Trotz der langen Ausbildungszeit (siehe Spätreife oben) wegen der Härte, Durchsetzungsstärke und ja, auch Aggressivität sehr geschätzt. Dann wurde die Rasse immer kränker und uninteressanter für den Dienst. Die Leistungsselektion fand nunmehr im Sport statt, die Hunde wurden zwar weicher, aber das Erbe blieb drin. Die Nerven litten, sensibel war der Dobermann schon immer, nun wurde es extremer. Wenn ich heute in die Pedigrees von wirklich guten Leistungshunden schaue, tauchen da zwei, drei Top-Vererber immer wieder auf. Sind diese nicht drin, taugt der Hund nicht. Klingt jetzt doof, ist aber so. Diese Leistungsvererber waren aber im Umgang sehr schwierige Hunde. Der Besitzer meines Lieblingsrüden wurde von seinem eigenem Hund, eben diesem Rüden, angefallen, die Narben waren beeindruckend. Aber, das gab er selber zu, es war menschliches Versagen.
Heute findet man eben diesen Rüden in 80% der Leistungshunde in D, teilweise in starker Linienzucht auf ihn zurück. Tolle Hunde, aber man muss sie führen können, halt nichts für Lieschen Müller. Die Linie zwischen Genie und Wahnsinn ist schmal bei diesen Hunden. Aber, ein Hund für den Sport braucht um führbar zu sein (und damit Punkte zu bringen), vor allem eines, das ist Wesensfestigkeit. Nein, das oben beschriebene und Wesenfestigkeit schliesst sich nicht aus. Ein wirklich wesenfester Hund braucht einen "starken" Hundeführer (mental, körperlich ist wurscht), aber ist dann eben ein sicherer, unauffälliger Hund.
Damit kommen wir zum zweiten Problem der aggressiven Dobermänner, die Schönheitszucht. Die Hunde entspringen denselben, kompromisslosen Gendarmenhunden, werden aber nach Aussehen (groß, kräftig) und nicht nach Wesen selektiert. Die Folge sind nervenschwache Hunde, die aber trotzdem im Zweifel vorgehen (Krümel ist da ein Beispiel, der ganze Wurf ist mental ziemlich durch, daher haut seine Vorgeschichte so extrem in sein Verhalten). Das sind die wirklich gefährlichen Hunde, denn was macht Lieschen Müller, die bei einem Leistungszüchter wegen zu wenig mentaler Stärke abgelehnt wurde? Sie geht zum Schönheitzüchter, man will ja einen netten, leichtführigen Hund. Das sie dann unter Umständen ein nervenschwaches Mastschwein bekommt, wo sich seit Generationen keiner mehr um das Wesen geschert hat (auch wenn die Züchter gern was anderes behaupten), sagt ihr keiner. Einige kriegen die "Überraschung" gut hin, andere haben Glück und kriegen dann wirklich den Labbi im Gebrauchshundegwand den man haben wollte. Die gibt es natürlich auch.