Ein Thread für Dobermänner.

Ich hab mal eine Frage an die Dobermann-Kenner hier.

Vor ca 20-25 Jahren gab es im Nachbarort einen tragischen Zwischenfall.
Eine Familie hatte einen Dobermann, der teilweise in einem großen Zwinger gehalten wurde und als "böser Wachhund" Hab und Gut bewachen sollte.
Die Familie hatte ein Kind, um die 10 Jahre alt glaub ich
Das Kind war oft bei dem Hund im Zwinger, gab da wohl nie Probleme
Eines Tages "stellte" der Hund jedoch das Kind im Zwinger, hieß er ließ es nicht mehr raus, und auch keinen anderen mehr rein.

Das Ende vom Lied war, das der Hund erschossen wurde vom ortsansässigen Jäger.

Es hieß dann, bei Dobermännern könnte solche "austicker" aufgrund von Hirnerkrankungen kommen, stimmt das?? bzw gab es in früheren Zuchtlinien Erkrankungen die den Hund plötzlich haben agressiv werden lassen?!

Oder sind das dumme Ammenmärchen, um die falsche Haltung eines Hundes und damit verbundene "Ausraster" zu entschuldigen ??

Es interessiert mich, weil ich schon öfter von Störungen im Hirn bei bestimmten Hunderassen gehört habe (beim Golden Retriever wird immer von der Beißwut erzählt die durch totale Überzüchtung kommen soll...)

Ist also wirklich was wahres dran, oder ist es einfach dummes Geschwätz dummer Leute?!
 
Der liebste Spielkamerad meiner ersten WS-Hündin war ein Dobermann. Die beiden waren fast gleich alt u. wohnten am selben Ort. Wir haben uns fast jeden Tag zum Spazieren gehen getroffen, da waren immer viele Hunde aus der Umgebung dabei u. die haben schön miteinander gespielt. Es war ein ganz toller, vermuster Kerl u. ich mochte den sehr gerne. Die Halter waren ein älteres Ehepaar die nicht den ersten Dobermann hatten. Sie haben ihn sehr gut und vernünftig ausgebildet u. der Hund war sehr sozial. Wir sind dann- da war der Hund ca. so um die 5 Jahre alt - weggezogen. Ca. ein Jahr später habe ich die Ehefrau wieder getroffen u. gefragt was der Hund macht und wie es ihm geht. Da hat sie fast begonnen zu weinen u. hat erzählt, dass sie ihn einschläfern lassen mussten, weil er sie angefallen hat. Ich war ganz fassungslos, konnte ich mir das von diesem Hund überhaupt nicht vorstellen. Sie hat mir erzählt, sie war in der Küche, der Hund im Garten, der Ehemann nicht zuhause. Der Hund wäre dann auf einmal ohne Vorwarnung rein gekommen u. hat sich sofort an ihrem Arm verbissen. Sie wurde schwer verletzt u. musst ins Krankenhaus. Der Hund kam dann zum Tierarzt u. wurde untersucht, man hat aber keine körperliche Erklärung gefunden. Somit wurde er eingeschläfert, weil man sich nicht erklären konnte, was passiert war. Mich hat das damals echt mitgenommen, weil ich den Hund so gerne mochte.

Ich kann dir aber nicht sagen, ob das mit dieser Hirnerkrankung zu tun hatte, oder ob das jetzt gerade beim Dobermann öfter vorkommt. Aber ich habe das nicht verstanden, kannte ich doch den Hund u. ich hätte ihm das niemals zugetraut.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Snowflakes

Ohje, das ist ja genauso tragisch wie mein beschriebener Fall. Die Leute damals hingen auch sehr an dem Hund, und hätten das Kind nie zu ihm gelassen wenn er vorher in irgendeiner Art und Weise auffällig gewesen wäre. Dieses überraschende Verhalten hört man eben öfter, daher würde ich halt so gern wissen ob an dieser Hirnsache wirklich was dran ist.
 
Das weiß vielleicht Blues, sie kennt sich mit den Dobis doch sehr gut aus...
 
Hier ist Blues, und Blues weiß Bescheid :frech3::zwinkern2:

Also, die Sache mit der Hirnkrankheit, ich habe seit 36 Jahren mit Dobermännern zu tun (meine Eltern waren Züchter und schon lange in der Szene, bevor ich geboren wurde). In diesen 36 Jahren ist mir kein einziger (!) nachweisbarer Fall dieser ominösen Hirnkrankheit begegnet. Der Dobermann hat viele gesundheitliche Probleme, aber das Hirn gehört definitiv nicht dazu. Auch kenne keinen seriösen Artikel, Studienarbeit o.ä. in In- und Ausland wo etwas diesbezüglich nachgewiesen wurde. Und allein schon aus beruflichen Gründen lese ich sehr viele Studien und habe auch die nötigen Zugänge.
Geschichten wie beschrieben gibt es immer wieder. Die Leute, die dann erzählen, es lag an einer Hirnkrankheit, haben ihre Hunde nicht obduzieren lassen. Meist hat das nur der Tierarzt vermutet, oder es ist ein eigener Schluß. Ab und an behaupten dann einige, der Hund wäre obduziert und nachgewiesen, auf angefragte Laborberichte warte ich noch heute. Teilweise kannte ich die Laborleiter und konnte inoffiziell nachfragen, da war dann nie ein Dobermann getestet worden, oder es kam nichts raus.

So, wie kommt es also zu diesen Zwischenfällen? Antwort: Unwissenheit. Man weiß nicht, was man da an der Leine führt und geht auf Rassespezifika nicht ein, die beim Dobermann (übrigens ähnlich wie bei anderen Gebrauchshunderassen) sehr ausgeprägt sind und eine gewisse Umsicht verlangen.
Zum einen, Dobermänner sind sehr spätreif. Man kann einen Rüden ganz gemütlich führen, mit anderen Hunden spielen lassen, er ist lieb und freundlich zu jedem. Und dann plötzlich wird er "aggressiv". Ne, er wird nicht aggressiv und nein, auch nicht plötzlich. Der Hund wird erwachsen und ernsthaft. Und das in einem Alter wo "Otto-Normal-Hundehalter" nicht mehr mit rechnet. Ein durchschnittlicher, großer Hund ist mit 1,5-2 Jahren erwachsen. Er wird noch ein bisschen souveräner, aber mehr auch nicht. Der Dobermann wird mit 3-4 Jahren erwachsen, kommt in eine späte Pubertät, probiert sich aus. Und das durchaus mit Nachdruck. Hat man vorher gepfuscht in der Beziehung, oder locker gelassen, rächt es sich nun. Aber in dem Alter rechnen aber die wenigsten Anfänger noch damit. Ein Schlendrian hat sich eingeschlichen, hat man doch einen netten, sozialen, einfachen Hund.
Ein anderer Punkt ist Haltung. Einen Dobermann im Zwinger zu halten, naja, damit zieht man sich einen schwierigen Hund heran. Dobis binden sich extremst eng an ihren Menschen, tun alles für ihn. Bei Zwingerhunden kann zwar auch ne enge Bindung aufgebauen, aber nie so eng, wie wenn man mit dem Hund im Haus wohnt. Da wird man eher nachdrücklich auf Herz und Nieren getestet. Wer da nicht souverän und sicher im Umgang ist, bekommt halt was ab, wenn man den Hund unter Druck setzt (und sei esnur, weil man was vom Hund will, worauf er keinen Bock hat).

Ein anderer Punkt, klar, ist die Zucht. Es gibt beim Dobi ganz klar einen Unterschied zwischen Schönheit und Leistung. Leistung hieß noch vor dreissig, vierzig Jahren kompromissloser Polizeihund. Trotz der langen Ausbildungszeit (siehe Spätreife oben) wegen der Härte, Durchsetzungsstärke und ja, auch Aggressivität sehr geschätzt. Dann wurde die Rasse immer kränker und uninteressanter für den Dienst. Die Leistungsselektion fand nunmehr im Sport statt, die Hunde wurden zwar weicher, aber das Erbe blieb drin. Die Nerven litten, sensibel war der Dobermann schon immer, nun wurde es extremer. Wenn ich heute in die Pedigrees von wirklich guten Leistungshunden schaue, tauchen da zwei, drei Top-Vererber immer wieder auf. Sind diese nicht drin, taugt der Hund nicht. Klingt jetzt doof, ist aber so. Diese Leistungsvererber waren aber im Umgang sehr schwierige Hunde. Der Besitzer meines Lieblingsrüden wurde von seinem eigenem Hund, eben diesem Rüden, angefallen, die Narben waren beeindruckend. Aber, das gab er selber zu, es war menschliches Versagen.
Heute findet man eben diesen Rüden in 80% der Leistungshunde in D, teilweise in starker Linienzucht auf ihn zurück. Tolle Hunde, aber man muss sie führen können, halt nichts für Lieschen Müller. Die Linie zwischen Genie und Wahnsinn ist schmal bei diesen Hunden. Aber, ein Hund für den Sport braucht um führbar zu sein (und damit Punkte zu bringen), vor allem eines, das ist Wesensfestigkeit. Nein, das oben beschriebene und Wesenfestigkeit schliesst sich nicht aus. Ein wirklich wesenfester Hund braucht einen "starken" Hundeführer (mental, körperlich ist wurscht), aber ist dann eben ein sicherer, unauffälliger Hund.
Damit kommen wir zum zweiten Problem der aggressiven Dobermänner, die Schönheitszucht. Die Hunde entspringen denselben, kompromisslosen Gendarmenhunden, werden aber nach Aussehen (groß, kräftig) und nicht nach Wesen selektiert. Die Folge sind nervenschwache Hunde, die aber trotzdem im Zweifel vorgehen (Krümel ist da ein Beispiel, der ganze Wurf ist mental ziemlich durch, daher haut seine Vorgeschichte so extrem in sein Verhalten). Das sind die wirklich gefährlichen Hunde, denn was macht Lieschen Müller, die bei einem Leistungszüchter wegen zu wenig mentaler Stärke abgelehnt wurde? Sie geht zum Schönheitzüchter, man will ja einen netten, leichtführigen Hund. Das sie dann unter Umständen ein nervenschwaches Mastschwein bekommt, wo sich seit Generationen keiner mehr um das Wesen geschert hat (auch wenn die Züchter gern was anderes behaupten), sagt ihr keiner. Einige kriegen die "Überraschung" gut hin, andere haben Glück und kriegen dann wirklich den Labbi im Gebrauchshundegwand den man haben wollte. Die gibt es natürlich auch.
 
Ich wusste doch, dass man auf dich zählen kann. ;)

Sehr schade um diese tolle Rasse und was daraus geworden ist. Bei dem von mir beschriebenen Dobermann weiß ich, dass er regelmäßig auf dem Hundeplatz war u. auch Hundesport gemacht hat. Allerdings weiß ich nicht in welchem Ausmaß.
 
Das nenn ich mal eine ausführliche Antwort, und wieder mal was dazugelernt , vielen Dank :zustimmung:
 
@Blues

Wie genau, unter welchen Merkmalen, kann man denn erkennen, ob ein Dobermann aus einer Leistungszucht oder einer Schönheitszucht kommt, bzw. kann man die Unterschiede optisch oder charakterlich überhaupt richtig erkennen?
 
Die hässlichen sind Leistungszucht :frech3:

Ne, im Ernst. Grundsätzlich kann man sagen, Leistung ist sind eher deutsche Pedigrees, also Linien die auf deutsche Hunde zurückgehen (max. 2.-3. Generation). Tauchen russische Hunde, italienische Hunde, überhaupt "Ostlinien" vermehrt oder nur auf, ist die Chance recht groß einen Schönheitshund vor sich zu haben.
Am einfachsten schaut man sich unter working dog die Erfolge der Ahnen an. Beim Dobermann sind zur Zuchttauglichkeitsprüfung keine Schauen vorgeschrieben, nur zur Körung (bestehen und haben recht wenig Hunde, da recht anspruchsvoll) muss man zwei Ausstellungen vorweisen. Tauchen mehr als zwei Ausstellungen auf hast du eine Schönheitszucht (die Leistungsleute haben da keinen Bock drauf).
Umgekehrt funktioniert es eingeschränkt. Zum einen muss zum Decken mindestens ein Hund ein Ausbildungskennzeichen (IPO1) haben, also sportlich geführt werden. Zum anderen kann man beim richtigen Richter auch mit nem Schönheitszucht bis zur IPO3 kommen, mit akzeptablen Punktezahlen. Interessant ist auch WO die Prüfungen abgelegt werden. Eine DVG Prüfung ist einfach in der Regel anspruchsvoller als eine DV oder gar Boxerklubprüfung.

Ohne Pedigree wirds schwer. Vollkupiert ist ein Zeichen für Schönheit (da fährt man halt zigtausend km zum Ausstellen, Leistungsleute planen immer mit mehr Landesausscheidung [höher darf kupiert nicht laufen]), Größe kann ein Indikator sein (Leistungsrüden sind selten über 72cm hoch), Körperbau auch (massiv ist oft Schönheit). Die extreme vorspringende Brust findet man auch oft bei Schauhunden.
Am einfachsten sieht man es auf dem Platz. Leistungshunde sind "greller", motivierter, bieten sich mehr an. Mal als Beispiel:

https://www.youtube.com/watch?v=1-yxnlOTVKc Leistung

und

https://www.youtube.com/watch?v=82lHoWorgEE Schönheit


Gut, ich habe jetzt zwei Extreme rausgesucht (übrigens bewusst einen Leistungshund aus dem Osten :zwinkern2: ). Auch gibt es ein extremes Ausbildungsgefälle durch die Fähigkeiten der Hundeführer, aber ich denke so wird deutlich was ich meine. Das rumgekläffe ist übrigens keine Stärke oder Trieb, sondern Schwäche. Mit langer Rute und Ohren wäre es deutlicher.
Sollte übrigens jemand die Besprechung im zweiten Video übersetzen können, würde ich mir nen Keks freuen.
 
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