Wenn jemand behauptet, er kastriere seinen Hund vor der Pubertät, damit "er die stressige Phase mit den Hormonen gar nicht erst durchmachen muss", dann meint dieser Mensch in Wirklichkeit, er lässt seinen Hund kastrieren, damit "ICH nicht die stressige Phase mit den Hormonen durchmachen muss."
Das ist eine ganz widerliche, heuchlerische Aussage. Pubertät, Sexualhormone - das alles gehört zum Erwachsenwerden eines Lebewesens dazu. Die Hormone, die während der Pubertät ausgeschüttet werden, sind nicht nur Katalysator für geistige Reife, sie sind auch wichtig für das gesunde körperliche Wachstum eines Hundes. Wer diese Phase aus dem Leben seines Hundes "ausradieren" möchte, indem er ihn davor kastriert, will sich vor allem selbst einen Gefallen damit tun. Kein nerviger, pubertierender Hund, kein typisches Sexualverhalten, keine Läufigkeitsblutungen, kein nerviges Trainieren. Hauptsache der Hund ist bequem.
Ein Hund profitiert voll und ganz davon, wenn er bis zum Erreichen der vollständigen körperlichen und geistigen Reife unberührt bleibt. Ich bin sicher nicht die einzige, die ihre Hündin dabei beobachten konnte, wie sie nach ihrer ersten Läufigkeit einen gewaltigen Schub in Richtung geistiger Reife gemacht und sich verändert hat. Das Krebsrsiko ist bei Weitem nicht so hoch, wie einem gerne weisgemacht wird. Nicht einmal 10% der unkastrierten Hündinnen erkranken an Mammatumoren und von diesen Tumoren ist über die Hälfte in der Regel gutartig. Der Prozentsatz an unkastrierten Hündinnen, die tatsächlich an bösartigen Mammatumoren erkranken, ist recht klein.
Bei Rüden ist die Frühkastration sogar noch schlimmer, da es nachweislich körperliche Folgen haben kann. Wachstumsfugen brauchen länger, um sich zu schließen. Frühkastrierte Rüden neigen daher zum Hochwuchs. Das kann unter Umständen dazu führen, das der Hund zu groß wird und dies seine Gelenke belastet. Muskeln und Bindegewebe können sich aufgrund fehlender Sexualhormone eventuell nicht richtig entwickeln. Im Gegensatz zur Hündin kann die Frühkastration beim Rüden sich eben auch auf die körperliche Entwicklung auswirken.
Man darf nicht vergessen, dass Hormone nicht zum Spaß da sind. Sie haben eine nicht unwichtige Aufgabe und einem Hund sollte es zumindest gestattet werden, erwachsen zu werden, bevor man ihm dieser Hormone beraubt. Das ist kein Blinddarm, der da weggeschnitten wird.
Im Gegensatz dazu greift sie Sterilisation nicht in den Hormonhaushalt ein, aber es bleibt wohl ein geringes Restrisiko der Fruchtbarkeit. Zudem werden Sterilisationen nicht mehr von vielen Tierärzten durchgeführt, schon gar nicht beim Rüden.
Zukünftige Hunde würde ich mit etwa einem Jahr sterilisieren lassen. Ich selbst zähle mich zu den Personen, die es eventuell nicht schaffen, immer 100%ig ein Auge auf ihre Hunde zu haben und zu gewährleisten, dass sie keine Welpen in die Welt setzen. Meine beiden Hunde sind kastriert und ich bereue es sehr. Meine Hündin (kastriert mit etwa zweieinhalb Jahren) hat davon Babyfell bekommen und muss seitdem im Sommer geschoren werden. Eine Fellveränderung mag für viele nicht tragisch sein, ich empfinde es aber als ziemlich heftige Reaktion, die mir sagt, dass etwas in diesem Körper nicht richtig läuft. Mein Rüde (kastriert mit fünf Jahren) ist kurz nach der Kastration völlig ausgerastet und total aggressiv geworden.
Für mich hat die Sterilisation schlichtweg mehr Vorteile, die vor allem meinem Hund zugute kommen. Letztendlich übernehme ich auch Verantwortung für SEIN Leben. Er ist nicht nur ein Accessoire, das ich mir so zurechtbiegen kann, wie es am bequemsten für mich ist. Ich bin aber kein Kastrationsgegner. Kastrationen im Tierschutz halte ich quasi für ein Muss und auch bei medizinischen Indikatoren, körperlich wie psychisch, würde ich mich nicht generell gegen eine Kastration stellen. Bei körperlichen überhaupt nicht.