Ich denke ich teile nicht wenig deiner Ansichten.
Ganz kurz für dich mein hündischer Werdegang. Da ich selber keinen Hund haben durfte bin ich mit 14 Gassigeher im TH geworden.
Da war ich 2,5 Jahre 2x die Woche und hatte jedes Mal einen anderen Hund (mit ganz wenigen Ausnahmen).
Dort wollte ich aber aus anderen, zwischenmenschlichen, Gründen nicht mehr hin und las dann zufällig ein Inserat für einen privaten Gassigeher.
So kam ich zu einem 1,5jährigen Riesenschnauzer (Jack). Die Besitzer waren mega toll. Das Problem bei ihm war das die Hundeschulen/-sportvereine mit ihm den "Standard"-Weg gegangen sind und ihn dadurch regelrecht trainiert haben. Er kam in die Welpengruppe und war seinen gleichaltrigen Welpen mental eine Nummer zu groß. Also kam er in die ältere Gruppe und in die nächste usw. immer mit demselben Ergebnis. Er lernte derweil das er mit diesem Verhalten super fährt und sich immer durchsetzt was das ganze natürlich entsprechend verfestigt hat. Schlussendlich, so wurde mir berichtet, wurde gesagt der Hund passe nicht in die Gruppen sie sollen das alleine regeln.
Die Familie hatte noch einen Sohn, war eigentlich sein Hund, der mit ihm damals aber nicht wirklich klar kam.
Als ich ihn kennen lernte war er also entsprechend selbstbewusst. Sah sich Menschen gleichwürdig und Hunden durchweg überlegen.
Die ersten Jahre waren durchaus eine Herausforderung. Ganz anders als vorher im Tierheim wo man nach 1 Stunde den Hund abgegeben und selten noch einmal gesehen hat und der Hund nie wusste was für einer man ist und sich entsprechend auch verhalten im. Genauso wie ich ihn kennen lernte im Lauf der Zeit lernte er auch mich kennen.
Ich muss gestehen das sich mein jüngeres Ich aber auch nie Gedanken gemacht hat wie jung Jack damals tatsächlich war. Heute weiß ich das war ein pubertärer Jungrüde. Damals wirkte er auf mich völlig ausgereift. Es brauchte Jahre und einiges an innerer Überwindung um für uns Fortschritte zu erzielen in Form von Kontakt zu anderen Hunden. Dabei half natürlich auch nicht gerade das er für unbekannte allein optisch immer der größe, schwarze und somit böse Hund war und wie gesagt sehr selbstbewusst aufgetreten ist.
Im Laufe der Jahre hatte ich noch engen Kontakt zu 2 Bürohündinnen. Beide hatten keine Probleme mit anderen Hunden wobei die erste anderen Hunden gegenüber völliges Desinteresse entgegengebracht hat was schon grenzwertig im Bereich der fast nicht Wahrnehmung derer Existenzen war. Die zweite war einer Begrüßung nicht abgeneigt hatte aber an weiterführenden Interaktionen auch kein gesteigertes Interesse bzw. auch nicht die Fähigkeiten dazu. Ich persönlich hab sie, außer mit ihren eigenen Kindern, nie mit anderen Hunden rennen oder sonst wie spielen sehen.
Von dieser Hündin stammte dann auch mein Luke ab und bei ihm wollte ich alles besser machen. Das für mich wichtigste war die Möglichkeit der entspannten Interaktion seinerseits mit im besten Fall allen anderen Hunden. Diesem Ziel habe ich alles andere untergeordnet und es klingt wie Angeberei aber es gelang uns ziemlich gut (dafür anderes nicht aber hey
).
Ich bin fast vom ersten Tag an mit Luke auf jeden (das mein ich wortwörtlich wie ich es sage
) Hund den wir treffen konnten offen zu. Luke, schon sehr jung mit übertriebenem Selbstbewusstsein ausgestattet, und wenn auch nicht mit Abwesenheit von Angst so doch mit einem Übermaß an Mut (wortwörtlich Übermut) "gesegnet" war dafür zum Glück perfekt geeignet.
Selbst wenn ein Hund negativ auf ihn reagierte, egal wie heftig, nahm Luke das nie zum Anlass sich zu verkriechen sondern stets als Herausforderung es beim nächsten Mal besser zu machen.
Sein gegenüber war Luke dabei völlig irrelevant. Er hatte die Naivität zu glauben das ihn alle Hunde mögen
müssen und trainierte dadurch die Fähigkeiten jedem Hund genau das zu geben was dieser brauchte um das für Luke beste Ergebnis zu erreichen. Eine wie auch immer geartete Interaktion. Ich könnte dir dutzende Beispiele von Verhaltensweisen nennen die Luke nur und explizit bei einem einzigen Hund anwendete.
Selbst die Frage der Hierarchie war für Luke hierbei nicht von Bedeutung und er nahm die Rolle ein die den größten Erfolg versprach (wobei das zusätzlich für ihn eine Frage des Alters war was die Sache nur umso nuancierter machte).
Je besser Luke kommunizierte und je besser ich ihn lesen konnte umso überraschter war ich ganz ehrlich wie inkompetent die allermeisten Hunde in der hündischen Kommunikation sind. Auch rückblickend auf die Hunde mit denen ich Jahre lang intensivsten Kontakt und diese ganz anders eingeschätzt hatte.
Ein Hauptfehler meiner Meinung ist das verhindern von negativen Interaktionen. Nein nicht jeder Hund muss mit jedem Hund bester Freund sein. Aber um diese Situationen auskommunizieren zu können muss das entsprechend früh, solange es um möglichst wenig geht und die Gefahr der gegenseitigen Verletzung niedrig ist, erlernt werden.
Nicht in dem man "die das selber regeln" lässt. Man setzt auch kein Kind in der ersten Klasse vor ein Lehrbuch und sagt "hier mach".
Aber natürlich bedarf es viel praktischer Übung mit möglichst vielen Individuen weil eben jedes Individuum auch einzigartig ist.
Später wird das entsprechend schwieriger. Weshalb man natürlich immer auch die Herkunft des Hundes berücksichtigen und fair bewerten muss. Ebenso natürlich den grundlegenden Charakter.
Um deine Threadfrage zu beantworten.
In Anbetracht der Lebensweisen von uns Menschen und der uns begleitenden Hunde ist der Kontakt zu fremden Hunden die zweitwichtigste Fähigkeit die ein Hund beherrschen muss. Davor ist nur der Kontakt zu Menschen zu setzen. Gefolgt von Umweltsozialisation und dann kommt nichts mehr.
P.S. Zum Border fällt mir immer die Situation ein als ein Border zu uns gerannt kam und er und Luke gemeinsam minutenlang spielten. Sie verfolgten sich wechselnd, sie kullerten gemeinsam über den Boden und hatten beide einen rießigen Spaß.
Irgendwann folgte die Besitzer die das unnötige rufen längst eingestellt hatte und meinte ich solle meinen Hund endlich von ihrem Hund abrufen. Das sei ein Border und die spielen nicht mit anderen Hunden. Diese Aussage tätigten schon viele Border-Halter aber ich bin mir nicht 100% sicher ob die Border das immer so genau mitbekommen haben. Das war nämlich nicht der einzige. Ich bin mir nicht sicher ob Halter sich den Border aussuchen weil er nicht spielt oder die Border nicht spielen wegen der Halter. Ohne jemanden angreifen zu wollen.
Wir trafen natürlich auch Border die nicht spielen wollten. Aber auch Vertreter aller andere Rassen die dazu keine Lust hatten.