Ich bin nicht böse, im Gegenteil. Du hast vollkommen Recht.
Mein Gedanke ist: ein Welpe, der von klein auf an bei uns aufwächst und für den viele Dinge im familiären Alltag daher von Anfang an ganz normal sind, die ein bereits erwachsener Hund noch nie kennengelernt hat, stelle ich mir mittlerweile einfacher vor als nochmal ein Ü-Ei mit unbekannter Vorgeschichte.
Das kommt drauf an, welche Sorte Hund du dir holst
Es gibt einfach Hunde, bei denen ist es nicht lustig, sie durch die Pubertät zu bringen.
Ich will das jetzt auch gar nicht bis ins Detail diskutieren und wenn du dir einen Welpen nehmen willst, dann nimm dir einen Welpen... ich persönlich würde einen Welpen einer kooperativen und leichtführigen Hunderasse empfehlen, aber auch das ist natürlich deine Entscheidung.
Was mir weniger Ruhe lässt ist, dass ich das Gefühl habe, dass hier 2nd Hand Hunde, wie man sie auswählt und alles drumherum viel zu sehr pauschalisiert wird. Vorher wolltest du keinen Welpen, denn du hattest mit einem 2nd Hand Hund gute Erfahrung gemacht und dich nicht über einen Welpen drüber getraut. Nun hast du eine schlechte Erfahrung mit einem 2nd Hand Hund gemacht und es kommen vorerst nur noch Welpen in Frage.
Tatsächlich gibt es nicht nur junge 2nd Hand Hunde, die aus schrecklichen Bedingungen stammen, sehr oft kommt es vor, dass sich jemand einen Welpen nimmt, der dann älter wird und im Alter von 1-2 Jahren ist der weniger schnuckelig drauf, man ist überfordert und der Hund wird abgegeben. Die werden nicht alle schrecklich schlecht gehalten, um so zu werden. Die Adoleszenz, also das Alter von 1-2 Jahren, ist tatsächlich ein ganz, ganz typischer Abgabezeitpunkt, weil ein nicht kleiner Teil der Hunde in dem Alter von einfach nur mühsam bis zu wirklich schwierig wird. Um zum Thema Hundeerfahrung zurück zu kommen: Ich habe relativ wenig Erfahrung mit alten und kranken Hunden. Da kenne ich mich echt nicht aus und frage im Falle des Falles auch oft genug bei Menschen nach, deren Rat ich vertraue. Womit ich wirklich Erfahrung habe, sind Hunde in diesem Alter - davon hatte ich schon eine ganze Menge. Natürlich bin ich hier auch ein wenig gebiased, denn ich kriege selten die, die eh unproblematisch sind - die werden ja nicht abgegeben
Der letzte Abgabge-CaneCorso, den ich mitbekommen habe, kam von einer FCI Züchterin als Welpe an eine erfahrene Hundehalterin ohne Kinder. Im Alter von 10 Monaten hatte er seine Besitzerin schon mehrmals an die Wand gestellt und sie gab ihn ab, weil sie Angst vor ihm hatte. Auch die Züchterin konnte den Rüden nicht zurück nehmen, da sie dann nicht mehr mit ihm klar kam. Ich bin leider nicht am Ball geblieben und kann nicht sagen, wo er letztendlich gelandet ist.
Auch Mex, mein Pflegegolden wurde im Alter von 11 Monaten abgegeben, weil man Angst vor ihm hatte. Auch er kam als Welpe zwar an eine unerfahrene, aber nette und bemühte Familie, die einfach nur an manchen Enden dezent falsch beraten wurden. Seine mühsamste Zeit war im Alter von 1,5-2 Jahren und auch alle Wunden, die er bisher mit seinem Zähnen verursacht hat, sind ALLE im Alter von 1-2 Jahren passiert. Seit der Hund 2 ist, geht es mit ihm stetig bergauf und er entwickelt sich zwar langsam aber dafür nachhaltig und gut.
Ich hatte dir schon in deinem CaneCorso Thread geraten dir einen Hund mit 2 Jahren aufwärts zu nehmen. Das Problem bei einem 1jährigen Hund ist, dass die fast alle (wenn sie nicht wirklich früh zünden) noch sehr, sehr nett sind. Die interessante Zeit kommt meistens im Alter von 15-18 Monaten und es ist tatsächlich oft ein Umschlagen, vorher war alles tutti und nun ist plötzlich alles anders. Deshalb finde ich es so schwierig bei einem einjährigen Hund zu sagen "ich hab den kennengelernt, der war freundlich, das passt". Der kann (muss nicht) in kurzer Zeit völlig anders drauf sein. Ein 2jähriger Hund ist sicher auch nicht immer fertig, aber er hat die schwierigste Phase hinter sich. Da hat man durchaus noch was zu tun, aber das komplette Hormonchaos mit allem was dazu gehört, ist vorbei.
Ich denke - wie ich auch schon mal geschrieben habe - nicht, dass Imani ein schwer traumatisierter Hund war. Ich denke, dass sie eine junge Hündin einer eigenständigen Rasse war, die in der letzten Zeit von Spanien (kam sie glaub ich?) nach Deutschland gebracht wurde, dann in dem Verein draußen in der Hundegruppe lebte und letztendlich bei euch landete. Die hatte also einiges an Umstellung zur durchleben, kannte sich nicht aus, brauchte viel Stabilität und sollte letztendlich viel mehr können, als sie auch von dem was sie rassetechnisch mitbrachte leisten konnte. Das führt zu Überforderung beim Hund und bei eigenständigen, ressourcenorientierten Hunden führt das letztendlich zu solch Vorfällen wie du beschreibst. Das wäre meine nüchterne Einschätzung der Situation andhand dessen, wie ich die Sache mitbekommen habe.
Es gibt aber auch andere Sorten 2nd Hand Hunde. Solche, die schon in Familien gelebt haben und solche, die nicht in einem besseren Auffanglager in Deutschland leben, sondern auf Pflegestellen, wo man sie in viel mehr Situationen des täglichen Zusammenlebens sieht und somit besser einschätzen kann. Solch große Tierschutzzentren haben einfach ihre Tücken und die Leute dort können ihre Hunde auch gar nicht so gut kennen, wie eine vernünftige Pflegestelle ihre Pflegehunde. Das liegt in der Natur der Sache.
Das ist nun doch länger geworden und wie gesagt - ich will dir nichts einreden. Aber ich lese hier tatsächlich so ein pauschalisiertes "Welpen kann man sich selbst immer gerade biegen" (nein, Viele können es nicht!) und "Tierschutzhunde sind alle Überraschungspakete, die sicher irgendwo ein schlimmes Trauma haben" heraus und sowas tut mir ehrlich in der Seele weh.