Ich gebe zu, ich bin immer wieder neugierig, ob ich das Tierheim, das wirklich nur an den "perfekten Hundehalter" vermittelt (wie es quasi von jedem mir bekannten Tierheim behauptet wird), je live sehen darf.
Ich habe gut 10 Jahre als Pflegestelle im Tierschutz gearbeitet, wo die Vermittlungsentscheidung fast immer bei mir lag und 1 Jahr im lokalen Tierheim im Hundebereich mit Vermittlungsverantwortung... ich erzähl dir mal ein paar von meinen Erfahrungen.
Ich habe in dem Jahr im Tierheim gut 150-200 Hunde das Tierheim "durchlaufen" sehen - also rein kommen, ein Weilchen bleiben, vermittelt werden. Daneben gibt es die Langsitzer - (etwas) schwierige(re) Hunde, die einfach länger bleiben - davon gingen ein paar und kamen ein paar dazu. Das Tierheim (von dem in der Umgebung immer und jederzeit behauptet wird, man wolle da ja sowieso keine Hunde vermitteln) hat Platz für ca. 30 Hunde - in den meisten Fällen ist es aber überlastet, es sind also 30-40 Hunde da und in Notquartieren untergebracht. Man kann sich also vorstellen, dass "nicht vermitteln" oder "nur an perfekte Plätze vermitteln" selbst wenn man das wollte rein praktisch nur schwer möglich ist. Dabei ist es aber so, dass ich die Hunde, die wir in dem Jahr aus privater Hand aufgenommen haben, an zwei Händen abzählen kann. Die allermeisten Hunde, von denen wir hier reden, sind Fundhunde oder beschlagnahmte Hunde - also Hunde bei denen das Tierheim verpflichtet ist sie aufzunehmen. Das Geld, das das TH aus öffentlichen Quellen bekommt, fließt üblicherweise auch nicht für immer, sondern meistens nur für einen gewissen Zeitraum (das kommt auf die Situation und die Verträge an und mag in D auch anders sein, als hier - ich kann nur von meinen Erfahrungen ausgehen). Das Tierheim hat also finanziell genau nichts davon, wenn Hunde länger bleiben und glaubt mir, es gäbe immer genug Möglichkeiten nachzubesetzen - ich weiß gar nicht wieviele Anfragen an Privatabgaben ich in diesem Jahr abschmettern musste, es waren auf jeden Fall sehr viele! Diese sich hartnäckig haltende Idee vom Tierheim, das nicht vermittelt, weil es sonst Gelder verliert, ist für mich immer noch die absurdeste, die mir je untergekommen ist - und die hört man auch nicht nur in Deutschland, auch hier wird einem das gerne erzählt
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Kommen wir zu den Vermittlungen selbst... ich halte mich für jemanden mit recht hohen Ansprüchen, was die Vermittlung angeht. Meine Pflegehunde wurden immer nach dem Motto "best fit" vermittelt und nicht nach "na er wird's schon gut haben". Dh dass jemand ein guter Hundehalter war/ist, war Grundvoraussetzung, aber Hund und Halter sollten für mich auch wirklich zusammenpassen. Dabei habe ich durchaus auch mal nette Menschen vor den Kopf stoßen müssen und manche können damit besser umgehen, manche schlechter. Aber... als Pflegestelle hatte ich auch keinen Zeitdruck und konnte das somit so handhaben. Im Tierheim musste ich 2 Dinge lernen.
a) klar müssen Hund und Halter zusammenpassen und klar muss es der Hund dort gut haben, aber solange das Ganze so halbwegs passt, reicht das - sonst geht die Hütte einfach über... außerdem schadet ein Tierheimaufenthalt vielen Hunden auch - vor allem wenn sie für längere Zeit sitzen. Es gilt also oft wirklich sie schnell wieder raus in ein stabiles Umfeld zu kriegen. Das ist bei mir als Pflegestelle nicht der Fall...
b) das Klientel, das sich im Tierheim für Hunde interessiert, ist völlig anders, als das Klientel, das sich bei mir als Pflegestelle um Hunde bewirbt. In's Tierheim kommen Leute um einen Hund zu adoptieren, da fällt dir sprichwörtlich alles runter. Hätte ich bei den Leuten, die sich im Tierheim um Hunde beworben haben, wirklich nur nach den perfekten Leuten gesucht, hätte ich in dem ganzen Jahr vermutlich keine 10 Hunde vermittelt. Ich habe da besoffene Leute erlebt, 80jährige die auf jeden Fall einen maximal 1jährigen Hund (groß und kräftig) wollten (das kommt tatsächlich häufig vor), Leute die in's Foyer kamen, mal rumgebrüllt und auf das Tierheim geschimpft haben, um dann bitte Hunde vorgeführt zu bekommen, usw., usf., etc., pp. Ich habe als Pflegestelle durchaus schon recht anspruchsvolle Hunde vermittelt - nicht sofort oder schnell, aber doch immer wieder. Bei den Interessenten im Tierheim hätte ich mir da echt schwer getan. Viele der Langsitzer im Tierheim sind gar nicht sooo schwierig, aber ich habe selten Interessenten gehabt, denen ich auch nur das Attribut "etwas anspruchsvoller" zugetraut hätte. Ein paar waren schon dabei, aber frustrierend wenige...
Was die Sache mit dem "perfekten Hundehalter" - also viel Zeit, viel Geld, Haus & Garten mit viel Platz, etc. angeht, finde ich die Grundidee, dass es hier ein richtig oder falsch gibt, immer sehr schwierig. Ich bin ein Fan des Gesamtbildes und in das kommt nicht nur die Situation des Halters, sondern auch seine Wünsche, Anforderungen und Fähigkeiten UND der dazugehörige Hund. Aber ob jede meiner Entscheidungen richtig oder falsch ist, ist schwer zu sagen. Ich habe in meiner Tierheimzeit, in der jede Vermittlung mit der Chefetage abgesprochen werden musste, durchaus schon mal geflunktert was Einzelheiten anging, weil ich wusste, dass Chef XY (wir hatten zwei) bei Kriterium X eine sehr festgefahrene Meinung hat und ich es schade gefunden hätte, wenn ein Hund einen wirklich gut passenden Platz nicht bekommen hätte, weil Hausnummer das Wohngebiet für die Chefetage zu städtisch war oder das Kind 1 Jahr jünger als das Kriterium erlaubt. In anderen Fällen haben wir lange diskutiert (flunkern geht nur bei Kleinigkeiten, sonst war's das mit dem Vertrauen
) und uns dabei manchmal durchgesetzt und manchmal nicht. Ich musste auch schon Hunde an Plätze vermitteln, die ich abgelehnt hätte - manchmal mit Erfolg, manchmal kam der Hund wieder zurück. Ich glaube nicht, dass es den perfekten Hundehalter gibt und ich glaube nicht, dass meine Ideen von einer "richtigen" Vermittlung die alleinige Wahrheit darstellen. Diese Entscheidungen sind schwierig, individuell und ich finde es schade, wenn sie pauschalisiert nach Fragebogen getroffen werden. Aber im Grunde liegt jede dieser Entscheidungen bei der vermittelnden Person, denn diese kennt sowohl den Hund und den potentiellen neuen Halter. Sie liegt nicht bei der Person, die gerne einen Hund hätte und nicht bei Außenstehenden, die meist nur eine Seite der Medaille kennenlernen. Das Problem ist eher, dass Menschen, die keinen Hund bekommen, das als sehr persönliche Kritik an ihrer Fähigkeit als Hundehalter ansehen - und genau das ist es in vielen Fällen gar nicht. Ich kann also nur raten so etwas nie persönlich zu nehmen und die Idee des Tierheims "das ja gar nicht vermitteln will" zu hinterfragen. Üblicherweise wollen Tierheime durchaus auch vermitteln