Für mich werden hier ehrlich gesagt einige Themen vermischt. Zuerst mal eine Kleinigkeit...
Nein, nicht zum Training, zur Gassirunde.
Wenn ich nicht gerade ein sportliches Ziel verfolge sondern im Alltagsverhalten etwas erreichen möchte, ist auch jede Gassirunde ein Training. Training passiert ja nicht nur zuhause oder auf dem Hundeplatz oder nur dann, wenn ich mir gerade Zeit dafür nehme. Lernen tut der Hund immer, also tut man als Hundehalter auch gut daran jede Gelegenheit zu nutzen. Das ist etwas, das man eigentlich in jedem Anfängerkurs lernt bzw. lernen sollte.
Die zwei großen Themen, die hier vermischt werden ist "Leckerchen Ja/Nein" und "richtiges Belohnen"
Ich finde diese Leckerchen Ja/Nein Diskussion ja immer etwas müßig...
Ein Leckerchen oder eine Futterbelohnung ist schlicht und einfach eine von zig verschiedenen Formen von Belohnung. Der Grund warum sie so beliebt ist, ist weil sie verhältnismäßig einfach zu handhaben ist und weil soviele Hunde darauf anspringen. Ob man Leckerchen verwenden sollte lässt sich für mich an einem ganz einfachen Parameter ablesen, der da wäre "empfindet dein Hund es in dieser Situation als Belohnung?". Ist dies der Fall und die Menschen entscheiden sich dagegen, geschiet dies meist aus irgendwelchen Ego-bedingten Vorstellungen, basiert aber nicht auf Logik. Selbes gilt natürlich umgekehrt... will der Hund kein Futter und man ist dann ratlos, fehlt es eindeutig an Kreativität. Wenn der Hund kooperativ genug ist, dass er selbst schwierige Übungen nur für Lob macht, ist das natürlich auch gut. Denn auch für den Einsatz von Lob gilt dasselbe Kriterium "empfindet dein Hund es in dieser Situation als Belohnung?" ... wenn ja, alles in Butter, wenn nein - naja, jeder muss selbst wissen, wie er sich das Leben schwer macht. Ansonsten spricht genau nichts gegen ein Leckerchen als Belohnung, denn das Thema "wie belohne ich richtig?" ist für mich ein anderes - das hat nämlich nur teilweise damit zu tun, ob ich mit Leckerchen, Lob, Spielzeug, einem netten Blick, gemeinsamen Rennen oder Freilauf belohne. Nämlich insofern, dass die Wahl der angemessenen Belohnung ein Teil des richtigen Belohnens ist...
Ich persönlich habe einen Hund, der lange Zeit draußen überhaupt kein Futter genommen hat, mittlerweile gutes Futter meistens als Belohnung ansieht. Und ich habe einen Hund, für den jedes freundliche Wort die Welt bedeutet. Ich bin also lange Zeit immer ohne Futter aus dem Haus gegangen, bei Cotya brachte es nix, Cira fand es auch nur mäßig und für Mia fand sich schon was anderes. Manchmal braucht es eben etwas mehr Kreativität Dinge zu finden, die für den Hund eine Belohnung darstellen, aber das Prinzip Belohnung und Strafe verfliegt ja nicht, nur weil man keine Leckerchen als Belohnung wählt, sondern etwas anderes. Dann bekam ich mein taubes Pittie, Lob fällt da mal ja recht flott weg und de facto war der Hund in ihren Handlungen und Reaktionen so schnell, so schnell drüber und die Kommunikation ja doch eingeschränkt, dass sich etwas finden, musste, das universal als Belohnung galt und schnell, zielgerichtet an den Hund kommen konnte. Seitdem habe ich tatsächlich in jeder Tasche Leckerchen und für den Sommer auch einen Leckerchenbeutel beim Spaziergang. Außerdem ging ich mit Loomie sehr lange Zeit nicht ohne Spielzeug aus dem Haus - das war ihre zweite, wesentlich hochwertigere Belohnungsstufe.
Man nimmt also das, was funktioniert und solange Futter funktioniert, weiß ich ehrlich nicht, wo das Problem liegen soll. Das besteht für mich primär in den Köpfen der Menschen.
Das Thema "wie belohne ich richtig?" ist derart umfangreich, dass es eine ganze Bandbreite an Fachliteratur dazu gibt. Da reden wir von Timing, von gezielter Belohnung statt Locken, usw. Die Sache ist nur die - das zu "diskutieren" sehe ich eher als müßig an. Das wäre mehr Wissensvermitteln und wer dazu Dinge nachlesen will, kann sich zig Bücher dazu kaufen. Fakt ist aber, dass man diese Dinge nicht oder nur teilweise aus Büchern lernt. Timing kann man regelmäßig üben, man sollte es sogar, wenn die eigenen Ambitionen über einen Alttagshund hinausgehen. Nur vom Wissen um Timing, wird man in seiner Reaktion nunmal nicht schneller. Das Gefühl dafür welches Maß an Belohnung angepasst ist und wie man unterschiedliche Level an Leistung auch auf Belohnungsebene angepasst honoriert sind Dinge, die lernt man, indem man sie tut. Indem man lernt auf seinen Hund zu achten, sich seine Reaktionen ansieht, usw.
Wirklich wichtig zu erwähnen finde ich an solcher Stelle immer, dass Belohnung und Strafe sich auf dieser Ebene kaum voneinander unterscheiden. Der wirkliche Unterschied zw. Belohnung und Strafe liegt darin, dass Belohnung dazu dient gewünschtes Verhalten zu verstärken, während Strafe darauf abzielt unerwünschtes Verhalten zu reduzieren. Die Regeln bezüglich Timing, Intensität, Wahl der Strafe, usw. gelten auch hier. Wer also mit dem Leckerchen für seinen Hund zu langsam ist, ist es auch mit dem Leinenruck. Und ich kann genauso auf zwei völlig verschiedene Arten an einer Leine rucken, wie ich auf zwei verschiedene Arten ein Leckerchen geben kann. Belohnung ist auf dieser Ebene also nicht zwingend besser als Strafe und Strafe nicht besser als Belohnung. Beides ist nur so gut wie man es anwendet. Und jemand, der in Strafe ausschließlich Gewalt sieht, dessen Horizont ist genauso beschränkt wie derjenige, der in Belohnung nur Leckerchen sieht.
Aber ja natürlich... der Erfolg eines jeden Trainings hängt davon ab, ob man richtig belohnt bzw. richtig straft. Und wäre das so einfach, hätten wir nur gut erzogene Hunde und Hundeschulen/Trainer hätten keine Kunden mehr