Angsthund? Erziehung und Verunsicherung.

Hallo Ihr lieben,
wie die Überschrift schon zeigt, sind wir im Augenblick recht verunsichert und suchen Eure Hilfe.

Ich schreibe mal kurz die Randbedingungen, bevor ich frage...
Also, seit einer Woche ist eine unglaublich liebe aber ängstliche Podenco-Dame bei uns eingezogen. Sie ist 7 Monate alt und kommt aus Rumänien. Als Welpe ist sie eingefangen worden und fristete seither ein Leben im Zwinger, ohne wirkliche soziale Kontakte. Über "Fellnasen-Nothilfe.de" kam die Maus zu uns.
Meine Partnerin und ich sind beide nicht gänzlich unerfahren, was den Umgang mit Hunden anbetrifft, allerdings müssen wir uns wohl eingestehen, ziemlich naiv gewesen zu sein. Ein Hund ohne Sozialisierung ist halt etwas anderes als all die lieben, artigen Hunde im Park. ;)

Als unsere Maus ankam, war sie total verängstigt und flüchtete gleich unters Bett. Im weiteren Verlauf flüchtete sie überall hin, wo man halt so hin flüchten kann. Nun ging ich also meistens mit ihr Gassi in den Innenhof. Dort scheint es noch am ruhigsten zu sein. Anfangs flüchtete sie auch wieder ins Gebüsch. Dort musste ich sie dann öfter "heraus operieren", was mir in der Seele weh tat. Man möchte nicht so sehr ziehen um dem Hund nicht weh zu tun, möchte ihm auch sonst nicht weh tun und möchte, am liebsten zeigen, dass Fienchen bei mir sicher ist.
Im weiteren Verlauf wurde sie allerdings auf unseren Gassi-Touren in den Innenhof etwas sicherer. Von entspannter Körperhaltung sind wir zwar noch entfernt, aber wir machen Fortschritte...
Anscheinend haben sich zwischen ihr und mir auch sanfte Bande des Vertrauens aufgebaut, denn mittlerweile ist sie meistens in der Lage, mir zu folgen. Naja, das ist sicher kein klassisches "an der Leine gehen" aber solange sie mir meistens folgt, ist es ja schon recht akzeptabel. Gestern sind wir dann mal in den Park gegangen. Die 500 Meter bis zum Park waren recht problemlos. Fienchen folgte mir an der kurzen Leine. Im weitläufigen Park habe ich dann die Schleppleine angelegt und wollte ihr etwas Freiraum geben. Zum Laufen, schnuppern, pischern. ;)
Es dauerte keine 5 Minuten bis "Madame", zitternd wie Espenlaub, im Gebüsch saß und ich sie wieder unter größten Anstrengungen heraus fummeln musste. In diesen Momenten versuche ich ruhig zu bleiben und hoffe, ihr auch Ruhe zu geben. Klappt aber.... bestenfalls.... mangelhaft. :confused:
In der Wohnung ist sie sehr schreckhaft, folgt mir auf Schritt und Tritt, ist allerdings etwas entspannter als draußen. Manchmal ist ihre ganze Körperhaltung entspannt. Allerdings nur, wenn sie im Schlafzimmer ist.
Wenn ich sie streicheln will, leckt sie sehr oft ihre Lefzen und zeigt mir somit ihr Unterwürfigkeit. Naja, eigentlich würde ich mir ja wünschen, dass sie nicht zu unterwürfig ist.
Nun habe ich viel, viel gelesen und bin trotzdem nicht schlauer.
Die einen schreiben etwas von "Rudelführer" und Dominanz und von "da muss der Hund durch".
Die anderen schreiben von Training durch positive Bestätigung und davon, den Hund nicht den Situationen auszusetzen, die ihm Angst machen. Und davon, dass solche "Ängste" noch schlimmer werden könnten und sich "selbstständig" machen könnten.
Naja, das alles macht einen schon unsicher. Ich kann den Hund ja nicht vor allem, was ihm Angst macht abschirmen. Denn irgendwie macht dem Hund alles Angst.
Und ja, langsam müsste Fienchen auch mal ein paar Kommandos wie "sitz" oder "komm" lernen. Oder halt, einfach an der Leine zu gehen. Aber wenn der Hund so verängstigt ist, habe ich selbst mit Leckerlies kaum bis keinen Zugriff.
Joa, nun wissen wir also nicht wirklich, was das richtige ist denn Fienchens Ängste scheinen bisher alles zum stocken zu bringen.
Wir möchten auch zu einem Hundetraining gehen, müssen aber wohl noch etwas warten und wollen bis dahin nicht zu viel falsch machen.
Würde mich riesig über Eure Erfahrungen und Tipps freuen.
Vielen Dank schonmal...
 
Die einen schreiben etwas von "Rudelführer" und Dominanz und von "da muss der Hund durch".

Hallo,

das vergiß mal ganz schnell. Ist komplett kontraproduktiv und ihr Verhalten hat nix mit Dominanz zu tun. Ihre Ängste therapiert man auch nicht, indem man sich dominant verhält. Zumindest nicht, wenn man damit das assoziiert, was weitläufig mit Dominanz gemeint ist (nämlich Unterwerfung, Macht und Unterdrückung).

IN (!) ein Hundetraining gehen, halte ich auch für nicht passend für sie. Das Training muß zu Euch nach Hause kommen und 1 zu 1 stattfinden. Ein Hundeplatz wäre die komplette Überforderung für sie. Ihr braucht einen einfühlsamen und positiv arbeitenden Hundetrainer bei Euch zu Hause, der bestenfalls auch noch Ahnung und Kompetenzen im Bereich "Angsthunde" hat.

Liebe Grüße

BETTY und Ronja
 
Wenn ich sie streicheln will, leckt sie sehr oft ihre Lefzen und zeigt mir somit ihr Unterwürfigkeit. Naja, eigentlich würde ich mir ja wünschen, dass sie nicht zu unterwürfig ist.
Nun habe ich viel, viel gelesen und bin trotzdem nicht schlauer.
Die einen schreiben etwas von "Rudelführer" und Dominanz und von "da muss der Hund durch".
Die anderen schreiben von Training durch positive Bestätigung und davon, den Hund nicht den Situationen auszusetzen, die ihm Angst machen. Und davon, dass solche "Ängste" noch schlimmer werden könnten und sich "selbstständig" machen könnten.

Und ja, langsam müsste Fienchen auch mal ein paar Kommandos wie "sitz" oder "komm" lernen. Oder halt, einfach an der Leine zu gehen. Aber wenn der Hund so verängstigt ist, habe ich selbst mit Leckerlies kaum bis keinen Zugriff.

Mit dem Lefzen lecken möchte dich Fienchen beschwichtigen: „Tu mir nichts, ich tu dir auch nichts“.

Von „Rudelführer“ und „da muss der Hund durch“ halte ich gar nichts. Das ist auch überholt. Ich halte viel von positiver Verstärkung und arbeite damit auch bei meinen Hunden.

Vor allem braucht Fienchen mehr Zeit um sich bei euch sicherer zu fühlen. Eine Woche ist gar nichts. Du hast noch viel Zeit um mit ihr Kommandos zu lernen. Sie hat im Moment damit zu tun in ihrem neuen Leben anzukommen und die Eindrücke im Park zu verarbeiten.
Hermann wohnt seit einem Monat bei mir und hat in der Zeit auch noch nicht viel gelernt. Ich stresse mich damit aber auch nicht denn Hunde lernen ihr Leben lang.

Übe „sitz“ und „komm“ im Moment wenn überhaupt zuhause mit hochwertigen Leckerchen. Wenn sie sich im Schlafzimmer am wohlsten fühlt dann dort.

Ich würde auch verhindern, dass Fienchen sich im Gebüsch versteckt. Das ist wirklich nicht schön wenn du sie da „rauszerren“ musst. Am Besten ist es wenn du kurze Runden gehst und immer die gleichen Wege die sie dann irgendwann kennt. Vielleicht ist der Park im Moment schon zuviel für sie.

Und ein Trainer sollte zu euch nach Hause kommen.
 
Das Wichtigste wurde schon genannt, dem schließe ich mich 100%ig an.

Wozu im Allltag brauchst du Sitz? Wozu komm? Einen so ängstlichen Hund solltest du eh erstmal nicht von der Leine lassen - ein Sicherheitsgeschirr wäre angebracht.

Stellt wuch drauf ein dass sie ihre Angst noch einige Monate, vielleicht sogar Jahre oder gar für immer beibehalten wird. In einer Woche ist kein Hund ganz angekommen.

Und wenn sie die Lefzen leckt, lass sie in Ruhe. Sie kommuniziert dir "höhr bitte auf". Wenn du sie ernst nimmst und ihre Bedürfnisse voll nimmst, bist du aus Hundesicht der wahre Rudelführer. Du willst dass sie dir folgt, also zeige ihr dass sie dir vertrauen kann, dass du ihre Bedürfnisse erkennst, dass es sich für sie lohnt dir zu FOLGEN.

Alles andere am Dominanzgefasel ist Unterdrückung.
 
Ich muss ehrlich sein, ich sehe sitz und platz in den meisten Fällen als Tricks an. Ok, Platz brauche ich im Lokal, wenn ich meinen Hund klar mache, dass wir eine Weile bleiben, aber selbst da komme ich meistens ohne aus.
Eine Woche ist eine verdammt kurze Zeit, ehrlich, ich würde da noch nicht spazieren gehen. Hund mit dem Deprivationssyndrom, wo ich annehme euer Hund gehört dazu, brauchen Ruhe um die ganzen Eindrücke erstmals verdauen zu können. Für Spaziergänge ist noch Zeit, wenn er gelernt hat mit den kleineren Reizen umzugehen.
Für Hunde mit Deprivationssyndrom rate ich zu viel Schlaf, bei die 22 Stunden, die brauchen das einfach. Wenn sie im Garten sicherer ist, dann kann man kleine Spaziergänge planen.
Respektiert ihre Wünsche und Bedürfnisse und lernt gemeinsam, auch wenn es lange dauert, es zahlt sich am Ende aus.
 
Hallo fienchen,
Was uns geholfen hat: Handfütterung am Anfang, am Anfang immer dieselbe kurze Strecke gehen, ganz feste Rituale im Tagesablauf, nicht zu oft auf den Hund zu sondern warten bis Hund zu dir kommt.

Mein Hund war am Anfang draußen auch sehr ängstlich, ich hab ihm dann draußen Leckerlies geworfen. Ihr koennt ja mal im Innenhof starten, da mal Leckerlies verstecken und suchen lassen ( und wenn sie findet ganz doll loben, so kleine Erfolge sind Super und ihr macht was zusammen) oder mal spielerisch werfen und dann den Radius Vergrößern. Lass sie dabei das Tempo bestimmen, aber sei Sicherheit gebend an der Seite.

Mein Hund läuft bei uns jetzt im Ort und in der Natur super, man sieht es ihm nicht mehr an, in fremden Städten zögert er noch manchmal. Lass dich da nicht verwirren was andere sagen (bzw picke nur das sinnvolle raus). Mir haben auch Leute gesagt dass wenn die Führung stimmt, mein Hund überall mit folgen würde, in der Theorie lässt sich auch immer Super viel sagen.

- - - Aktualisiert - - -

Sorry mein iPad spinnt gerad. Also nochmal: hör nicht so viel auf die Theorie sondern auch mal aufs Bauchgefühl. Gib dem Hund viel zeit und wenn du Sitz und Platz üben willst, kannst du das ja locker zwischendrein üben, und als etwas sehen was ihr wieder gemeinsam macht: also üben und wenn's klappt richtig freuen

Bei meinem haben so Erfolge hab ich das Gefühl echt viel gebracht, er wurde dadurch auch selbstsicherer.
 
Zuletzt bearbeitet:
Moin Ihr lieben... :winken5:
vielen Dank für Eure zahlreichen Antworten und Tipps.
Naja, von dieser "Dominanz-Geschichte" halte ich auch nix. Rein aus dem Bauch heraus, war mir die Idee irgendwie zuwider. Daher hatte ich mich immer intuitiv an die sanfte Methode, mit viel Lob, gehalten.
Ich mag nicht an der Maus herumzerren oder sowas. Schließlich haben wir sie ja zu uns geholt, weil wir unseren kleinen Schatz so lieb gewonnen haben.

Trotzdem fragt man sich ja oft, ob man denn auch das richtige tut.
Bei unserer Maus ist es beispielsweise so, dass sie morgens der "normalste" Hund der Welt ist. Die wedelt, tobt und freut sich über Streicheleinheiten. Sie wirft sich uns entgegen und lässt sich kraulen und bobbeln. Und im weiteren Tagesverlauf wird sie zusehends distanzierter. Naja, es gibt halt in einem Haushalt viele Geräusche. Man hat fast den Eindruck, dass die Vielzahl der Eindrücke sie zusehends ängstlicher macht.
Abends ist sie dann sehr müde, lädt uns aber auch wiederum förmlich zum schmusen ein.
Den ganzen Tag lang, folgt sie mir auf Schritt und Tritt. Im Büro liegt die Maus unter meinem Schreibtisch und beim Frühstücken unter meinem Stuhl. Gehe ich ins Wohnzimmer, kommt sie mir hinterher und legt sich zu mir.
Und trotzdem hat man nicht das Gefühl, dass sie mir wirklich vertraut. Wahrscheinlich bin ich gerade nur das kleinste Übel :happy33:
Naja, gestern habe ich sie, beim "Hofgang" mit der 10-Meter-Schleppleine laufen lassen und habe einfach mal probiert, mich hin zu hocken, Ihr ein Leckerlie zu zeigen und sie zu mir zu rufen. Und schon beim dritten Rufen kam sie.
Beim nächsten Versuch, kam sie schon wie ein wilder Wirbelwind auf mich zu gelaufen und ließ sich loben. Das haben wir 15 Mal gemacht und es hat fast bei jedem Mal funktioniert. Gott, habe ich mich gefreut.

Naja, was ich eigentlich sagen wollte ist einfach, dass ich sie sehr genau beobachte um zu erfahren, was ihr gut tut und was man lieber von ihr fern halten sollte. Aber bei aller Beobachtung, finde ich noch kein Muster.
Aber Ihr habt wohl sicherlich Recht. Wahrscheinlich erwarte ich nach nunmehr 9 Tagen noch immer zu viel.
 
Hallo,

diese raschen Fortschritte lassen mich hoffen, daß aus ihr noch ein zumindest alltagstauglicher Hund werden kann. Ängste wird sie immer behalten und man wird auf sie immer 3fach aufpassen müssen. Solch ein Hund kann sich vor den banalsten Sachen extrem erschrecken. Aber sie scheint bereits nach wenigen Tagen eine Bindung zu Dir aufzubauen. Das ist positiv, sehr sogar.

Morgens ist die Welt noch in Ordnung. Ich verstehe gut, daß sie im Laufe des Tages immer unsicherer wird. Da prasselt wieder alles auf sie ein und jeder Schreck, jede Unsicherheit lassen sie weiter in sich zusammensacken.

Bleibt geduldig und fahre Deine Linie weiter. Alles in Ruhe und ganz wichtig nach IHREM Tempo. Erzwinge nix und laß Dich durch Rückschritte nicht runterziehen.

Liebe Grüße

BETTY und Ronja
 
Hallo Betty,
ich glaube auch, dass die gesamte Tendenz schon in eine gute Richtung geht.
Tatsächlich sind Misserfolge oder gar Rückschritte schon ziemlich frustrierend. Irgendwie kann ich mich davon nicht ganz frei sprechen. Aber das ist wohl eher das Problem des Herrchens. :eek:
Wenn man eine so kleine, zerbrechliche Maus einmal ins Herz geschlossen hat, dann wünscht man sich ja so sehr, dass es ihr gut geht.

Aber das wird schon.... ;-)
 



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