Hallo,
ich denke, Hundezucht dient einem bestimmten Zweck. Nämlich Hunde zu schaffen, die dem, was der Mensch braucht/will möglichst nahe kommen. Einmal im Verhalten und Charakter, zum anderen in der Optik.
Die Rassehundezucht, wie wir sie heute z.B. im VDH kennen, ist eine relativ junge Geschichte, noch keine 150 Jahre alt. Immer mehr stand die Optik im Vordergrund oder das Gewinnen von Preisen und das Repräsentieren eines bedeutenden "Pedigree". Für Preise und Pedigree hat sich aber schon immer nur eine zwar aufgeblasene, aber dennoch verschwindende Minderheit der Käufer interessiert.
Heute gibt es neue Trends:
- Die Gesundheit gewinnt mehr an Bedeutung. Das stellt teilweise das komplette Zuchtwesen in Frage, von der Auswahl der Zuchttiere (Inzucht, Linienzucht) bis zur Entwicklung von Schönheitsidealen, die man als Qualzucht bezeichnen kann.
- Die Mehrheit der Hundehalter legt keinen Wert auf "Pedigrees" und möchte keinen Hund zum Angeben.
- Die Mehrheit der Hundehalter in Deutschland wünscht keinen Hund, der in erster Linie Arbeits- oder Wachhund ist, sondern einen Familienhund bzw. Begleithund.
- Immer mehr Hundehalter erkennen, dass auch Hunde Bedürfnisse haben und nicht vermenschlicht werden dürfen.
- Immer mehr Hundehalter sind an einem konfliktarmen Leben mit einem Begleithund interessiert und sehen ein, dass dabei die Aufzucht, die Erziehung, aber durchaus auch die Genetik des Hundes eine Rolle spielt.
- Bei vielen Hundehaltern spielt die Größe des Hundes eine sehr entscheidende Rolle, egal, ob aus Vernunftgründen oder aus Geschmacksgründen.
Viele Interessenten stellen allerdings die Frage, was der Hund genetisch mitbringt, ganz nach hinten.
Entweder, ihnen gefällt die Optik und sie gehen davon aus, dass sich aus jedem Hund mit Geduld und Erziehug ein toller Begleiter machen lässt, oder sie entscheiden sich sogar bewusst für ein "armes Hascherl", das sie mit viel Liebe und Zuwendung fit für den Alltag machen wollen, oder an dessen Eigenheiten sie ihr ganzes Leben anpassen.
Und so gibt es neben Spontankäufern, Tierrettern und Familienhundinteressenten, die davon ausgehen, dass eigentlich jeder Hund ein guter Hund ist, wenn man nur Liebe/Geduld/Erziehung mitbringt, eine relativ neue und immer größer werdende Gruppe:
Familienhundinteressenten, die möglichst viel auf Nummer Sicher gehen wollen.
Einzelne davon möchten deshalb ihren Hund aus gut kontrollierter (VDH) Zucht kaufen. Evtl. hinterfragen sie sogar noch selbst die Aufzucht der Welpen und die Gesundheitswerte der Eltern.
Viele suchen aber Alternativen, wenn sie feststellen, dass VDH-Hunde ab ca. 1000 Euro anfangen und trotzdem keine 100% Gelinggarantie geben.
Am Besten soll es eine Hunderasse sein, die den Ruf hat, ein guter Familienhund zu sein.
Es gibt eine große Auswahl an kleinen Hunderassen, die bekannt dafür sind, dass sie gute Begleithunde sind. Allerdings erscheinen manche dieser offiziellen "Begleithunderassen" als zu zerbrechlich oder zu pflegeaufwändig oder zu sensibel und so zieht es so manche, die einen handlichen Familienhund suchen, doch eher zu den robust und humorvoll erscheinenden Terriern.
Dann gibt es so einige große Hundeerassen, wie z.B. Labrador, Golden Retriever, Leonberger oder Berner Sennenhund.
Heutzutage möchten aber viele Hundehalter einen mittelgroßen, fröhlichen, robusten, leicht erziehbaren Hund. Sozusagen einen Hund, der in etwa so groß ist, wie ein Border Collie, so hübsch und pflegeleicht ist, wie ein Bordercollie, so aufmerksam und gelehrig ist, wie ein Bordercollie, aber anpassungsfähiger an das Familienleben und weniger arbeitswütig als ein Bordercollie.
Das ausdrückliche Zuchtziel "mittelgroßer, robuster, zufriedener, fröhlicher Familienhund, der auch keine Probleme mit Treppen hat" gibt es aber nicht im VDH.
Man geht davon aus, dass z.B. Mittelschnauzer, Cocker Spaniel, Appenzeller Sennenhund, Beagle und andere Rassen gute Familienhunde sind. In der FCI-Kategorie "Gesellschafts- und Begleithunde" sind die aber nicht zu finden.
Dafür entstehen außerhalb des VDH Neuzüchtungen wie der Elo oder der Golden Doodle/Labradoodle, die sich steigender Nachfrage erfreuen.
- Beim Elo gibt es ein Zuchtprogramm, das nicht nur nach Optik auswählt, sondern ausführliche Verhaltenstests mit einschließt, um dem Zuchtziel des unkomplizierten Familienhundes immer näher zu kommen.
- Beim Labradoodle gibt es verschiedene Richtungen. Die einen präferieren, aus einem Pudel und einem Labrador aus kontrollierter Zucht , also aus Elterntieren, die im Verhalten bereits gute Familienhunde sind und gute Gesundheitswerte haben, nur die F1 Generation zu züchten. Sie glauben, damit das Ziel, möglichst gesunde Hunde zu erhalten, am zuverlässigsten zu erreichen, da diese Kreuzung zweier Rassen unter Garantie zu einer immensen Erweiterung des Genpools führt. Dadurch haben die Welpen eine signifikant höhere Chance, dass eventuell rezessiv schlummernde Erbkrankheiten nicht auftreten.
Die anderen versuchen mit üblichen Zuchtmaßnahmen Doodles "rein zu züchten", d.h. sie verpaaren Doodles untereinander und versuchen, nicht haarende Familienhunde nach den im FCI-Zuchtwesen üblichen Strategien zu züchten.
Ich bin der Ansicht, dass es für einen zufriedenen Familienhund sinnvoll ist, zu schauen, welche Bedürfnisse und Talente der Hund genetisch mitbringt. Ich finde ebenfalls, dass sich Hundezucht an den Bedürfnissen von Mensch und Hund orientieren sollte und Gesundheit und Wesen in den Vordergrund stellen muss.
In Deutschland gibt es aus meiner Sicht zum einen unübersichtlich viele Hunderassen, die in Sachen Charakter wiederum recht unübersichtlich in FCI-Gruppen zusammengefasst sind, zum anderen ist die Auswahl an mittelgroßen Familienhunden nicht sooo groß.
Das Zuchtziel "Gesundheit" und "Gelassener Begleithund mit wenig Jagdtrieb" wird in den FCI Rassen zu wenig betont. Statt dessen werden Huskies, Viszlas, Ridgebacks, Jack Russels oder Border Collies als im Grunde gut familienhundtauglich verkauft. Mal geht das gut, mal geht es weniger gut.
Da die Nachfrage nach unkomplizierten, mittelgroßen Hunden sehr groß ist, wird sie heutzutage immer mehr durch Auslandshunde gedeckt, denen man nachsagt, verträglich und dankbar zu sein.
Sehr viele Hundebesitzer sind glücklich mit einem Mischling. Für sie ist nicht wichtig, ob in Sachen Gesundheit, Verhalten oder Bedürfnisse Vorhersagen gemacht werden können. Sie nehmen den Hund wie er ist. Ob er aus Versehen entstanden ist, aus Nachlässigkeit oder aus Berechnung ist ihnen weniger wichtig. Der Hund ist eben da und will ein gutes Zuhause.
In Deutschland gibt es aber nur noch relativ wenige Mischlingswürfe, die aus Versehen entstehen, da streundene Rüden, die mal eben über den Zaun springen, selten geworden sind. Bleibt die Frage, woher man moralisch einwandfrei und ohne Unterstützung skrupelloser Vermehrer einen jungen Mischlingshund bekommen kann.
Ich persönlich konnte mir die Frage nicht beantworten.
Und ich habe mir schwer getan, aus den FCI Rassen eine große Auswahl zu finden, die optimal zu unserer Vorstellung von einem Familienhund passen.
LG,
Stadtmensch