- Erster Hund
- Kira, Mix (13)
- Zweiter Hund
- Murphy, Havanese (2)
Andere Variante hinsetzen und Verkehr beobachten. Lang und langweilig. Zur Not ein paar Tage.
Ein Bekannter von mir hat vor mehreren Jahren eine 9 Monate alte Schäfermixhündin aus dem Tierheim übernommen.
Sie kannte bis dahin gar nichts und war allem Neuen gegenüber überängstlich. Er hat ein paar Wochen mit ihr gearbeitet, da hatte sie die meisten Ängste schon im Griff. Nur die Angst vor Autos, Straßenverkehr war nicht zu überwinden.
Er hat das gemacht, was du oben beschreibst, volle 2 Wochen lang. Er wohnte in einer größeren Stadt und hat sich mit der Hündin an eine viel befahrene Straße gesetzt. Zu dem Zeitpunkt hat sie ihm bereits vertraut und war stark auf ihn fixiert.
Sie haben dort täglich mehrere Stunden gesessen und alles beobachtet. Vorbei eilende Menschen, Kinder, Autos, Busse, Fahrräder, Lkw's.
Seither hat sie absolut keine Probleme mehr mit dem Straßenverkehr. Sie ignoriert alles und läuft bei uns im Dorf sogar unangeleint auf den Wegen, ohne die Straße auch nur zu beachten.
Bei ihr hat das also funktioniert, allerdings war die Ausgangslage eine andere.
Bei Meridas Hund würde ich eher vermuten, dass durch die schnellen Autos der Beutetrieb animiert wird. Dazu hatte ich mal ein interessantes Kapitel bei Maja Nowak gelesen, die einen Malinois therapieren sollte, der als Diensthund der Polizei plötzlich anfing, S-Bahnen und anderen schnellen Objekten hinterher zu jagen.
Die Hundeführerin war mit ihrem Latein am Ende und der Gang zu Maja Nowak war die letzte Möglichkeit vor der Dienstunfähigkeit des Hundes.
Beim Erstgespräch erwähnte die Hundeführerin dann, dass ihr Hund als Diensthund täglich mit dem Beißarm trainierte. Wenn er diesen "erfasst" hatte, mußte er auf Kommando wieder loslassen und bekam als Belohnung bzw. im Austausch das, was er am meisten liebte. Und das war zuerst ein Ball, dem er hinterher sprinten konnte und später dann ein Kong. Also löste er den Triebstau, der sich entwickelte, wenn er den Beißarm zwar festhalten, aber wieder hergeben mußte damit, dass er einem schnellen Objekt hinter rannte.
Und irgendwann lösten dann alle sich schnell bewegenden Objekte automatisch diesen Trieb aus, der der Befriedigung eines Jagdhundes gleichkommt, der Wild hinter jagt. Und je öfter das Ganze dann stattfindet umso schneller entwickelt sich eine regelrechte Sucht beim Hund, so dass er bei allen schnellen Objekten sofort diesen Beutetrieb verspürt.
Die Hundeführerin versuchte dann, ihn mit Kommandos in Schach zu halten, was meistens klappte, allerdings war der Hund dann zwar im geforderten Platz oder Sitz, aber immer in einem angestrengten, erregten Zustand. Maja Nowak erklärte das so, dass er zwar konditionierte Kommandos befolgte, aber immer noch vollständig in seinem Trieb war.
Und die einzige Lösung wäre, den einen Trieb mit einem anderen abzulösen, nämlich dem Trieb des Rudeltieres Hund, sich einer Führung unterzuordnen. Sie nahm den Kong, ließ in springen und erklärte ihn zum Tabu, indem sie sich immer blitzschnell vor den Kong stellte und einen Warnton aussprach, bevor der Hund drankam.
Bereits nach mehrmaligem Üben konnte sie den Kong sogar aus ihrer Reichweite werfen und den Hund durch den Warnton daran hindern, hinterher zu jagen. Was der Hundeführerin mit ihren Kommandos bisher nicht (mehr) gelungen war.
Die Hundeführerin, die ziemlich skeptisch war, nahm ihren Hund daraufhin mit und als sie ein paar Wochen später wieder erschien, erzählte sie, dass sie auf genau diese Weise, nämlich authentisch und "hundesprachlich" mittlerweile das Hinterherlaufen hinter S-Bahnen, Fahrrädern und dergleichen gänzlich unterbinden konnte, der Hund aber immer noch jedes Mal sehnsüchtig hinterher blickte.
Daraufhin benutzte Maja Nowak ein Fahrrad. An dem Übungsgelände vorbei fuhren in regelmäßigen Abständen S-Bahnen.
Zuerst übte sie mit dem Hund das Fahrradfahren, der beim ersten Mal direkt vor das Fahrrad sprang und in die Reifen beißen wollte. Sie ist abgesprungen, hat sich vor den Hund gebracht und ihn kurz gemaßregelt. Daraufhin konnte sie weiterfahren, wenn der Hund ansetzte, ins Fahrrad zu springen, genügte der bekannte Warnton.
Nach einiger Zeit konnte sie problemlos mit dem Hund neben sich Fahrrad fahren in unterschiedlichem Tempo.
Wann immer sich nun eine S-Bahn näherte, fuhr sie in schnellem Tempo mit dem Hund neben sich von der S-Bahn weg. Der Hund musste sich auf sie konzentrieren und darauf Schritt zu halten und verschwendete keinen Gedanken mehr an die S-Bahn.
Die Hundeführerin übte dann ein paar weitere Wochen in der beschriebenen Weise, bis sein Verhalten wieder völlig entspannt war bei schnell vorbei fahrenden Objekten. Da er aber für seinen "Beruf" den Beutetrieb brauchte, wurde dieser dann wieder kontrolliert eingeführt.
Er vertraute der Führung seiner Halterin nun stark und sie konnte ein Objekt zum Tabu erklären oder freigeben, ganz nach Wunsch.
Sie hat berichtet, dass er seine Leidenschaft nicht eingebüßt hat, seine Sucht aber besiegt hat.
Der Kern war wohl, dass nur stumpf gelernte Kommandos bei einem triebstarken und/oder bereits süchtigen Hund zwar greifen können, den Hund aber nie aus der Erregungslage herausholen und er damit immer wieder versuchen wird, seine Sucht/Erregung zu befriedigen.
Wenn es einem aber gelingt, den Beutetrieb über den Führungstrieb abzulösen, der Hund die eigene Kompetenz wirklich anerkennt, dann braucht es nur wenige Signale und v.a. korrektes körpersprachliches Handeln, um dem Hund klarzumachen, was zu tun ist.
Und das kann er dann immer entspannter.
Wenn ich das nun auf Meridas Hund umlegen wollte, dann würde ich an ihrer Stelle zuerst an der Führung arbeiten. In alltäglichen Situationen, nicht direkt in der Problemsituation. Sowohl was die richtige Stimmlage betrifft, als auch was die Körperhaltung betrifft.
Ich persönlich habe übrigens mit diesem "Raum beanspruchen", das Maja Nowak gern einsetzt, schon gute Erfolge erzielt. Egal ob es darum ging, etwas zum Tabu zu erklären (z.B. den Futternapf der Katzen) oder auch um eine Handlung zu unterbrechen, z.B. wenn Kira an der Terassentür bellt, weil eine fremde Katze im Garten ist.
Ich habe mich dann vor sie gestellt und, die Stimmlage der Situation angemessen, ein Abbruchwort verwendet.
Nach einigen Wiederholungen reicht dann das entsprechende Wort, um Kira klarzumachen, was Sache ist.
Dadurch dass man plötzlich vor dem Hund steht, setzt der sich dann oft automatisch (und guckt einen an), so dass das eine vom Hund ausgehende Handlung ist, selbst gewollt, und nicht nur ein konditioniertes Ausführen von Kommandos während der "Kopf" weiter bei der "Beute" ist (wie immer die auch aussieht).
Wenn das dann in "einfacheren" Situationen klappt, der Hund diese Art Führung kennt und akzeptiert, würde ich das bei den schnell vorbei fahrenden Autos ebenfalls einsetzen. Zusätzlich dem Hund die Möglichkeit geben, seine angestaute Energie anders loszuwerden, z.B. indem man dann einen schnellen Sprint möglichst vom Auto weg macht.
Und solange dieses Verhalten nicht besiegt ist, würde ich dem Hund nicht mehr die Möglichkeit geben, hinter Bällen und Ähnlichem herzulaufen, falls er das überhaupt tut.
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