Weißt du, ich schreibe das hier gar nicht so, um dir ein schlechtes Gewissen zu machen oder Ähnliches. Ich kenne deine Situation, ich habe selbst schon erlebt, wie es ist, wenn man sich schnell mal einen Pflegehund einreden lässt und ich kenne das auch im Freundeskreis. Aber nach 10 Jahren Arbeit als Pflegestelle finde ich es schlimm, dass es dieselben Muster immer noch gibt und vor allem, dass sie immer noch als derart "normal" angesehen werden, dass man eher einem übersättigtem Markt die Schuld gibt, als sich mal zu fragen, ob da nicht doch etwas falsch läuft im System. Deshalb entscheide ich mich auch dafür der Arsch zu sein, der diese Vorgehensweise und somit auch dich kritisiert, obwohl es mir weniger um dich geht, als darum aufzuzeigen, dass Tierschutz so nicht funktioniert bzw. nicht funktionieren sollte. Nimm das Ganze also bitte nicht zu persönlich - es gibt sehr viele, die schon mal aus gutem Willen, Mitleid, etc. in einer doofen Situation mit einem Pflegehund waren, die an sich durch unseriöses Vorgehen vom Verein verschuldet war, wo man sich aber dummerweise drauf eingelassen hat. Ich kenne diese Situation auch
Ich werde aber dennoch versuchen anhand deiner Argumentation aufzuzeigen, an wievielen Ecken hier etwas falsch läuft. Ich finde das Wissen und das Bewusstsein um diese Dinge sollten sich einfach möglichst weit verbreiten - nur so kann irgendwann ein Umschwung im Tierschutz passieren.
1) Es ist durchaus legitim sich bei der Aufnahme eines Pflegehundes zu überlegen, wie lange der durchschnittlich da sein wird. Es gibt Hundetypen, die suchen tendentiell länger als andere und das kann durchaus ein Faktor sein, der ein Ja oder ein Nein bedingt. Trotz allem sollte man sich immer der Tatsache bewusst sein, dass jede Norm Ausreißer hat und es immer sein kann, das ein Pflegehund teilweise wesentlich länger da sein kann, als geplant. Darauf sollte man als Pflegestelle vorbereitet sein und das sollte auch möglich und machbar sein! Ist man das nicht, weil man zB noch nie Pflegestelle war, so ist es die Pflicht des Vereins einen darauf vorzubereiten und das ganz klar zu kommunizieren. Ein Verein, der verspricht, dass ein Hund binnen wenigen Wochen weg sein wird, ist und bleibt unseriös. So etwas kann man nicht versprechen!
Im Gegenteil... es mag dir nicht bewusst sein, aber die Geschichte "der Hund hat schon Interessenten und wird binnen 7-14 Tagen ohnehin ausziehen, aber bis dahin bräuchte er halt ein Dach über dem Kopf" ist die älteste Geschichte der Welt. Ich bin darauf schon hereingefallen, viele Freunde und Bekannte sind darauf schon hereingefallen. Vielleicht war es das ein oder andere Mal die Wahrheit, vielleicht sogar bei dir, aber im Großen und Ganzen kenne ich diese Story zigfach und dieses Versprechen erfüllt sich quasi nie. Es ist einfach nur ein Weg jemanden zu überreden einen Hund aufzunehmen in der Annahme, es wäre nur für kurze Zeit.
2) Davon auszugehen, dass Welpen max!!! binnen 1,5/2 Wochen vermittelt sind, finde ich beinahe unverschämt/unmöglich/traurig, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. 1,5-2 Wochen dauert es bei einem gängigen Vermittlungsablauf von Kennenlernen-Vorkontrolle-Vermittlung schon alleine vom ersten Anruf bis zum Auszug des Hundes - und da ist es schon recht rasch gelaufen. Da gibt es durchaus Ausnahmen und manchmal geht es schneller, aber normalerweise kann ich
nicht davon ausgehen, dass jemand anruft, binnen 1-2 Tagen vorbei kommt, dann binnen 1-2 Tagen eine Vorkontrolle möglich ist UND die Person auch sofort und ohne Vorbereitungszeit die Möglichkeit hat einen jungen Hund bei sich einziehen zu lassen. Das kann vorkommen, ist aber mehr die Ausnahme als die Regel. Normalerweise rufen Leute mal an, kommen binnen 2-7 Tagen mal vorbei, dann macht man im Zeitraum von wiederum bis zu 7 Tagen eine Vorkontrolle aus und dann kommt es noch drauf an, wie sich die Person ihre Zeit (zB Urlaub, etc.) einteilen kann, bis die Bedingungen passen, dass das Hundchen umzieht. Und das ist jetzt nicht nur meine Erfahrung als Pflegestelle - im Tierheim läuft das genauso - natürlich mit Variation je nach Hund, aber im Groben.
Wenn ich davon ausgehe, dass ein Hund (auch ein Welpe) binnen 1,5-2 Wochen vermittelt wird, gehe ich quasi davon aus, dass ohnehin binnen weniger Tage ein
passender Interessent anrufen wird (allein das ist ziemlich fragwürdig und spricht für lasche Vermittlungskriterien) UND dass sich der Ablauf wiederum binnen weniger Tage erledigen lässt. Das kann mal passieren, wäre aber reinstes Glück. Viel wahrscheinlicher ist, dass man es dann mit "wer kriegt eigentlich einen Hund?" nicht so besonders genau nimmt und auch nicht viel Wert auf eine entsprechende Kennenlernzeit (Kennenlernen/Vorkontrolle/Vorbereitungszeit/...) legt. Das nenne ich ganz ungeniert und voller Überzeugung unseriös.
Wenn ich eine Schätzung abgeben müsste, wie lange es dauert, bis ein Welpe durchschnittlich vermittelt ist, würde ich 4-12 Wochen angeben. Das kann mal schneller gehen, kann aber auch mal länger dauern. Die längste Zeit, die ich einen Welpen hatte (mit 16 Wochen zu mir gezogen) waren 8 Monate - die ist ziemlich genau zu ihrem ersten Geburtstag ausgezogen
3) Dass ein Welpe binnen 4 Wochen auf 9 bzw. bald 10 verschiedenen Pflegeplätzen ist, ist schlicht Irrsinn. Das bedeutet, dass der +/- nie länger als 3-4 Tage an einem Ort war. Das spricht einfach nur für völlig verschrobenes bzw. nicht vorhandenes Management des Bestandes an zu betreuenden Hunden in Kombination mit vorhandenen Pflegeplätzen. Und für schlechtes Pflegestellenmanangement & schlechte Betreuung der Pflegestellen. Passt so nebenbei zu "wir brauchen jetzt ein Dach über dem Kopf für den Hund" und Geschichten wie "er hat eh schon einen Fixplatz, aber es dauert halt noch 10 Tage". Da wird mit Emotionenen der Pflegeplätze gespielt und der Verstand außer Acht gelassen - eine Vorgehensweise, die zu häufigen Pflegestellenwechseln führt. Ganz viel Aua und zwar in vollem Sinne auf Kosten der Hunde und der Pflegestellen. Die zahlen da nämlich beide drauf. Die Hunde weil sie Null Halt bekommen und psychische Wracks werden und die Pflegestellen, weil sie schnell das Handtuch werfen werden und sich schnell überlegen, das nicht noch einmal zu tun. Davon hat niemand was, dennoch ist es an sovielen Stellen noch üblich, weil der Sinn dafür fehlt, dass qualitative Arbeit langfristig viel mehr bringt, als kurzfristig möglichst viel zu retten...
Ich arbeite nun seit 9 Monaten im Tierheim und ich sage dir mit völliger Überzeugung "Welpen gehören nicht in ein Tierheim!!!" Ein Tierheim ist für einen Welpen Gift, die werden dort auch bei bester Betreuung kaputt - je länger sie dort sind, umso schlimmer, je schneller sie raus sind, umso besser. Davon bin ich wirklich überzeugt. Bei jedem Welpen, den ich im Tierheim sitzen sehe, blutet mir das Herz. Aber bevor ich einen Welpen 4 Wochen lang alle paar Tage an die nächste Person schippere, würde ich mich tatsächlich dafür entscheiden, den Welpen in ein Tierheim zu setzen. Da gibt es nämlich zumindest irgendeine Form von Stabilität, und seien es nur die Betreuungspersonen, die immerhin nicht alle paar Tage wechseln und die tägliche Routine, die im Großen und Ganzen gleich bleibt.
Sei mir nicht böse und sieh das bitte nicht als zu harschen Angriff auf deine Person. Ich weiß, dass es Neulingen im Tierschutz immer wieder so geht, dass sie sich kurzerhand entschließen zu helfen, wo es nicht gut und sinnvoll ist. Ich würde mir wünschen, dass all die guten Leute, denen das passiert, nicht völlig das Handtuch werfen, sondern lernen, gute Tierschutzarbeit von schlechter zu unterscheiden und dort helfen, wo es wirklich Sinn macht. Das würde langfristig nicht nur den Hunden was bringen, sondern auch die Tierschutzlandschaft verändern