"weil die Tiere ihnen etwas bedeuten" will ich gar nicht bestreiten.
Haustiere haben Bedeutung als Kinderersatz, als Lückenfüller für alleinstehende Menschen, als Konsumobjekt um das Konsumbedürfnis zu befriedigen, als Prestigeobjekt oder um eine allgemeine Lebensunzufriedenheit zu kompensieren.
Dann formuliere ich es anders. Die meisten, uns alle eingeschlossen, halten Tiere aus egoistischen Beweggründen.
Es ist ziemlich egal, ob der Grund nun Einsamkeit, Kinder- oder Partnerersatz oder auch das Bedürfnis zu helfen ist.
Es sind und bleiben egoistische Gründe.
Trotzdem erfüllen die meisten Halter, die ich kenne, die Bedürfnisse ihrer Tiere und sie sind nicht nur "eine Modeerscheinung".
"Wenn ich die Hunde- oder Katzenhaltung von früher mit heute vergleiche, dann hat sich grundlegend etwas geändert.
Hunde und Katzen wurden früher gehalten um eine Aufgabe zu erfüllen oder von einigen Liebhabern mit Hundeverstand oder Katzenverstand.
Das findest du heute nur noch selten.
Bei ersterem gebe ich dir recht, früher hatten die Tiere eine Aufgabe und waren dadurch ausgelastet.
Auf manchem Bauernhof wurden sie vermutlich auch natürlicher ernährt als das heute der Fall ist.
Damit hört es aber auch schon auf.
Die allermeisten Besitzer haben ihr Tier nie einem Tierarzt vorgestellt, wenn es krank wurde, dann starb es halt oder man half nach.
Viele Hofhunde wurden an der Kette gehalten, meine Mutter, damals auf dem Land aufgewachsen, kennt fast ausschließlich die Kettenhunde.
Katzen waren halt da und mussten sich selbst durchbringen, der ständige Nachwuchs wurde auch sich selbst überlassen.
Oft kein schönes Leben.
Meiner Meinung nach idealisierst du das schon sehr.
Und diese Liebhaber mit Hunde- und Katzenverstand konntest du in damaligen Zeiten mit der Lupe suchen.
Da gibt es heute wesentlich mehr davon.
Die Menschen wollen heute einen Hund, gehen an die Anschaffung heran wie bei einem Autokauf und stellen dann fest, dass sie ohne Trainer und tausend Bücher völlig aufgeschmissen sind.
Oft fehlt ihnen jegliches Bauchgefühl im Umgang mit dem Hund und für die Bedürfnisse des Hundes.
Aber die meisten interessieren sich für ihr Tier und bemühen sich, seine Bedürfnisse zu erfüllen.
Das war früher oft nicht der Fall.
Und wenn man einen guten Trainer findet, dann spricht nichts dagegen, ihn zu Rate zu ziehen.
Und wenn man die "tausend Bücher" mit ein wenig Verstand liest, dann wird man in jedem etwas für den eigenen Hund finden.
Nicht jeder kommt als Hundekenner auf die Welt, aber man kann es doch lernen.
Der eine weiß von Geburt an alles, der andere liest und fragt um Rat.
Beide lieben ihr Tier und darum geht es letztendlich.
Das beweist doch nur eins: Du bist nicht konsequent genug um ihnen eine natürliche Nahrung zu ermöglichen.
Bei mir haben Katzen nur im Winter zusätzlich Futter bekommen.
Das stimmt, in der Beziehung werde ich niemals konsequent sein. Bei mir bekommen die Katzen ihr Futter und können selbst entscheiden, ob sie sich draußen ernähren wollen oder nicht. Zu dieser Dekadenz stehe ich.
Deshalb geht es meinen Katzen sicherlich nicht schlechter als den "glücklichen" Hofkatzen von annodazumal.
Die Frage stellt sich ja erst jetzt, seitdem Wohnungshaltung als artgerecht angesehen wird.
Wenn ich die Wahl habe, ob ich ein Katzenkitten einschläfere oder es in eine ordentliche Wohnungshaltung gebe (weil es keinen Freigängerplatz gibt), dann weiß ich, wie ich mich entscheide.
Ich halte seit 30 Jahren Katzen, immer Freigänger, weil es hier möglich ist.
Ich lebe mit dem Risiko, dass sie trotzdem überfahren werden, was meiner Luna auch passiert ist.
Und ja, Katzen leben sicherlich artgerechter und vermutlich auch glücklicher, wenn sie Freigang haben.
Das Optimum ist aber nicht immer möglich und dann kann auch das Zweitbeste besser sein als ein Leben als Streuner führen zu müssen.
Viele hochspezialisierte Hunderassen würden deutlich glücklicher leben, wenn sie ihrer Bestimmung folgen dürften, z.B. Border Collies, die hüten möchten, Jagdhunde, die auf die Jagd gehen möchten, Hofhunde, die ganz gern auch einen Hof bewachen würden usw.
Die allerwenigsten können/dürfen das heute noch. Sie müssen mit Ersatzbeschäftigungen leben und können auch damit ganz gut gedeihen.
Ganz genau wie bei den Wohnungskatzen.
Das ist ein Witz. Sie sind damit zufrieden, weil sie nie etwas anderes kennengelernt haben.
Katzen sind anpassungsfähig, weil sie überleben wollen - genauso wie Hunde.
Das Wort "glücklich" ist für mich Hohn. Warum sitzen Katzenhalter auf einem Balkon unter einem Sicherheitsnetz?
Weil sie wohl begreifen, dass auch eine Katze eigentlich frische Luft und Sonne braucht.
Eine Freigängerkatze kann man selten an die reine Wohnungshaltung gewöhnen.
Komisch oder?
Na gut, diesen "seltenen" Fall hatte ich aber.
Ich habe vor vielen Jahren eine damals 8 Monate alte Katze aus Spanien adoptiert. Sie wurde von der Auffangstation dort als sehr sozial und als Freigängerin beschrieben.
Ich hatte damals 2 Katzen, meine Luna, die eine Einzelgängerin war und die ein Jahr alte Molly, die mir ein paar Monate zuvor zugelaufen war.
Für sie suchte ich eine Gefährtin, weil Luna nichts mit ihr zu tun haben wollte.
Als Leonie hier ankam hat sie von Anfang an jede Katze angegriffen und verjagt, die sich in Sichtweite aufhielt.
Nach 4 Wochen durfte sie raus und da genau dasselbe, sie hat die gesamte Nachbarschaft terrorisiert, keine Katze/Kater war sicher vor ihr.
Luna flüchtete, wenn sie nur ahnte, dass Leonie im Anflug war und Molly lebte hauptsächlich auf dem Schrank.
Ich habe ein ganzes Jahr lang wirklich alles versucht, um Leonie zu integrieren. Und das deshalb, weil sie meine Herzenskatze war.
So sehr sie alle anderen Katzen hasste, so sehr liebte sie die Menschen. Meine Kinder, meinen Mann, mich. Aber sie wollte alle unbedingt für sich allein haben.
Als es Luna dann sichtlich schlecht ging, habe ich mich ganz schweren Herzens nach einem Jahr entschlossen, Leonie zu vermitteln.
Ich musste lange suchen, denn alle, die anfragten, hatten bereits andere Tiere oder waren zu lange außer Haus, um einer Einzelkatze gerecht zu werden.
Bis eine Frau anrief und fragte, ob das mit dem Freigang obligatorisch wäre. Ich sagte, eigentlich schon, denn Leonie war gewohnt, raus zu gehen, war aber nie lange draußen und nie weit weg. Wenn man einmal rief, kam sie immer angeschossen.
Sonst passte alles super, die Dame war Frührentnerin, lebte für ihr Tier und hatte gerade nach vielen Jahren ihren Kater einschläfern müssen, der offensichtlich ihr Lebensmittelpunkt war. Also genau das, was Leonie eigentlich wollte, Prinzessin sein.
Sie wohnte aber mitten in der Stadt, umgeben von verkehrsreichen Straßen, Freigang war unmöglich.
Ich fuhr mit Leonie hin, unverbindlich, weil ich sehen wollte, wie Leonie sich verhalten würde.
Die Dame hatte eine große Wohnung, alles auf Katze eingerichtet und einen großen, gesicherten Balkon, ebenfalls mit diversen Katzenutensilien.
Mir fiel die Entscheidung sehr schwer, aber Leonie hat es mir leichtgemacht. Sie hat die Wohnung sofort inspiziert, ist der Dame auf den Schoß gesprungen und nicht mehr von ihr gewichen, auch als ich gehen musste.
Wir haben vereinbart, dass Leonie auf Probe dort bleiben würde und die Dame hat versprochen, mir sofort Bescheid zu geben, wenn Leonie Anstalten machen würde, raus zu wollen.
Wir haben jede Woche telefoniert, monatelang, dann bin ich nochmal hingefahren.
Ich fand eine glückliche, entspannte Leonie vor, die ihr Frauchen genauso abgöttisch liebte wie die sie.
Sie hat nie versucht, nach draußen zu kommen, es ging ihr einfach gut.
Auch solche Katzen gibt es, ich wäre sehr vorsichtig mit pauschalen Urteilen.