Hallo an die TO, Hallo zusammen!
Ich habe den Startpost am Sonntag Morgen gelesen, als es noch keine Antworten gab und wollte zuerst direkt schreiben, dachte dann aber: "Warte mal ab." Zwischendurch habe ich den Fortschritt der Diskussion gelesen und jetzt gerade die letzten 3 Beiträge.
@Bubuka - Du sprichst mir aus der Seele!!
@Hundeprinzessin
Was ich jetzt schreibe, wird sich für Dich evtl. wie ein Angriff oder Abwertung lesen, ist aber keinesfalls so gemeint. Ich versuche Dich nur, soweit ich Dich aus Deinen Posts verstanden habe, zu reflektieren und mit meinen Erfahrungen zu konfrontieren.
Ich bin Ersthundbesitzer, inzwischen seit 6 Jahren. Die ersten 2 Jahre waren aus heutiger Sicht eine Katastrophe und ich erkenne mich in vielen Dingen in Dir und Deinem Verhalten wieder. Mein Hund hatte fast das gesamte erste Jahr Durchfälle und hat Verhaltensauffälligkeiten entwickelt, konnte schlecht bis gar nicht alleine bleiben. Ich war in mehreren Hundeschulen, hatte Privatstunden und die Tierarztbesuche häuften sich.
Nach 6 Jahren kann ich heute nur noch über mich selber schmunzeln. Letztendlich ist alles so einfach und simpel, ist man aber Anfänger weiß man nicht, wo man anfangen und wo aufhören soll.
Unter anderem habe ich gelernt (in einem Buch diese Theorie des Autors gelesen), dass ein Hund grundsätzlich gesund und heil zur Welt kommt. Bliebe er bei seiner gesunden und heilen Mutter, würde demzufolge er ebenfalls so bleiben. Einfach ein Hund, der auf natürlichem Wege erzogen wird und seine bzw. die Grenzen kennenlernt.
Jetzt kommt aber der Mensch mit seiner unnatürlichen Umgebung und den Kommunikationsproblem von Mensch zu Hund und dem unterschiedlichen Wissen (beim Hund eher Instinkte/Triebe) ins Spiel. Ein erfahrener und gut geschulter Rudelführer Mensch (ich bleibe einfach beim Begriff Rudelführer, obwohl ich weiß, dass diese Bezeichnung bei einem Mensch-Hund-Team nicht exakt passt) hat die Möglichkeit, den Hund gut zu erziehen, ihm Sicherheit zu geben und ihm die Grenzen zu erklären etc etc.
Kommt aber ein Mensch, besonders als Ersthundbesitzer, mit Wissensdefiziten und Unsicherheiten in diese Rolle, ist die Möglichkeit gering, dass der Hund in seinem gesunden und heilen Zustand bleiben kann, recht gering. So geht es Dir mit Deiner Hündin gerade. Wie gesagt, es ist keine Schuldzuweisung, sondern nur eine Reflektion.
Ein Hund spürt die Unsicherheit. Wir machen uns häufig ein falsches Bild davon, wie gut ein Hund den Menschen doch lesen kann. Der kriegt viel, viel mehr von uns mit, als wir von ihm! Werden dann auch noch inkonsequente Verhaltensweisen seitens des Menschen gezeigt, gerät er bald in einen Dauerzustand der Anspannung. Ein Hund möchte aber ausgeglichen sein und einen sicheren Platz in seinem Rudel (in seinem Sozialsystem) haben. Häufig führt die Inkompetenz des Menschen dazu, dass der Hund durch unterschiedlichste Aktionen versucht, die Anführerrolle zu übernehmen, dies also zu kompensieren. Hierin kann er aber nur scheitern, da er in der Menschenwelt mit Menschenregeln leben muss.
Das Thema Souveränität wurde ja bereits angesprochen. Diese kann man nur im geringen Umfang lernen, aber doch zumindestens ein Stück weit. Mich hat mein Hund das Thema "Ruhe" gelehrt. Es ist ein Wechselspiel. Ich hätte gerne einen ruhigen Hund und muss somit für diese Ruhe bei ihm sorgen und dies funktioniert am besten, wenn ich selber ruhig bin. Umgekehrt funktioniert es (leider, aber logischerweise) genauso und so liefen zu großen Teilen bei mir die ersten 2 Jahre ab. Ich regte mich auf, schrie hinter meinem Hund her, schrie ihn teilweise an, war hier und da und dort unsicher. Er konnte weder in mich als Person, noch in meine "Regeln" (die ja obendrein nicht konstant/konsequent waren) Vertrauen fassen. Er versuchte immer wieder Dinge zu regeln bzw. ich stand teilweise nur dumm/unwissend daneben und habe ihn alles regeln lassen, womit er einfach überfordert war, überfordert sein musste.
Jetzt hast Du, liebe TO, obendrein auch noch eine Rasse, die quasi darauf gezüchtet wurde, die Nähe des Menschen zu suchen, so dass die Rassebeschreibung eine Formulierung vorsieht von "an den Fersen kleben". Fast alle Hunde müssen erstmal lernen, alleine zu bleiben und somit das Vertrauen entwickeln, dass der Sozialpartner zurückkehren wird. Die einen schaffen's ruckzuck, die anderen brauchen vermehrte Übungen und ein schrittweises Vorgehen, einige tun sich zeitlebens echt schwer darin. Die Rassebeschreibung Deiner Hündin liest sich nach Gruppe 3. Leider, leider.
Es würde Deiner Hündin leichter fallen, wenn sie Vertrauen in Dich hätte und in Dir eine souveräne/sichere/ruhige Anführerin sähe. Deine Texte hier lassen dies aber leider nicht vermuten. Daher lesen sich für mich die Probleme Deiner Hündin auch quasi logisch.
Was ist somit mein Rat? Du hast ja schon Kontakt zu einer Hundepsychologin gesucht. Ich möchte Dir jetzt nicht den Kontakt zu einer Menschenpsychologin raten, aber wenn Du jemanden kennst, der Dir erklären kann, wie DU ruhig und bestimmt wirst, dann würde das auch Deiner Hündin helfen.
Nach 6 Jahren mit meinem Hund habe ich am Wochenende noch wieder zu einer Bekannten gesagt, wie einfach es doch letztendlich sein kann, wenn man weiß, wie man mit einem Hund umzugehen hat, denn man muss gar nicht viel machen, sondern einfach nur souverän und konsequent (was nichts mit Strenge o. ä. zu tun hat!!!) handeln. Man muss dazu keine "geheimen Tricks" können, kein Wunder-Hundeflüsterer sein o. ä.
Ich musste nämlich meine Bekannte mit meinem Hund kurz für ca. 10 min im Garten alleine lassen, da ich mit dem Fahrrad kurz weg musste und ich wusste genau, dass mein Hund aufgeregt reagieren würde, wenn er mich alleine nur mit dem Rad sieht, obendrein wenn ich dann auch noch ohne ihn wegfahre. Ich erklärte ihr also, wie sie ihn vom Gartenzaun wegschicken sollte (ruhig und bestimmt, nichts sagen, nur vom Zaun wegsplitten und den Weg, den er gehen soll mit einer Zeigegeste anzeigen). Sie hatte übrigens so gut wie keine Erfahrungen mit einem Hund und war typisch überdreht beim ersten Kontakt Stunden zuvor (hohe Stimme, viel zu viel reden, viel zu viel Bewegung und natürlich sofort die Leckerchen auf standby). Als ich dann zurück kam, war sie ganz begeistert, wie einfach sie ihn habe auf seinen Platz schicken können und da wäre er dann auch entspannt bis zu meiner Rückkehr geblieben. Sie hätte sich einfach nur wieder in ihren Gartenstuhl gesetzt und weiter im Buch gelesen.
Eine für mich entscheidende Wahrheit im Umgang mit Hunden ist die Erkenntnis, dass wir A viel zu viel quatschen und B viel zu schnell die Geduld verlieren. Weiterhin ist das Timing äußerst entscheidend. Wann MACHE ich etwas oder fast noch wichtiger, wann mache ich etwas NICHT. Zweiteres bezieht sich darauf, wann ich die Spanung/den Druck rausnehmen muss. Fordere ich etwas ein, ist es extrem wichtig, im richigen Moment, wenn der Hund nämlich signalisiert, dass er verstanden hat, worum es geht, genau dann auch den Druck rauszunehmen und ihm zu signalisieren, dass ich ihn wiederum verstanden habe und ihm somit auch Vertrauen entgegenbringe.
Also: Kopf hoch, tiiiiiiiiiiiief atmen (ein Atemtraining oder Entspannungstraining beim Menschen könnte dem Hund vielleicht mehr helfen, als jeder Hundetrainer und -psychologe) und die Ruhe und Bestimmtheit suchen.
Du schaffst das schon!
LG
Matthias