Sehr schreckhaft, habt ihr Tipps

Erster Hund
Loki / Boxer
Hallo zusammen


Mein Boxer Loki ist sehr geräuschempfindlich.
Er ist etwas über 9 Monate und seit über 12 Wochen bei mir.
Loki ist ein Seconhand-Hund (Züchter und Erstbesitzer, jetzt ich).

Ich weiß nichts über die Gegebenheiten beim Züchter, mir wurde nur vom Erstbesitzer erzählt, dass die Narbe auf seinem Kopf wohl von angewachsener Fruchtblase herstammt. (ich muss noch herausfinden, wie ich das hier mit den Fotos mache)

Die Geräuschempfindlichkeit steht ihm fast immer im Weg. Er reagiert immer mit Flucht, er steht sehr sehr schnell unter Stress und ist dann nur noch bedingt „Kommando-empfänglich“. Wird der Stress zu stark, gibt es nur noch ein „weg hier“- was dann ohne Leine hinterher rennen bedeutet und mit Leine zieht er wie verrückt.
Wobei nicht nur Geräusche Stress auslösen können, auch alles Unbekannte. Das kann ein Mensch sein, der uns entgegen kommt oder aus einer Haustür tritt. Eine Papiertüte, die im Wind wirbelt. Wenn man an Häusern vorbei geht (im Moment sind ja meistens die Fenster angeklappt) und drinnen etwas klirrend zu Boden fällt. Ein Rollladen hoch oder runter gelassen wird. Eine Autotür klappt. Ein Nachbar im Hausflur erzählt. Es an der Tür klingelt. Für ihn fremde Menschen, die in die Wohnung kommen sind so gruselig, dass ihm sogar ein leises ‚Wuff’ entfleucht. (Hab ihn in den 12 Wochen noch nicht einmal bellen gehört, nicht mal im Spiel).

Also unterm Strich kann es alles sein, was plötzlich auftritt, egal ob Geräusch oder Bewegung.

Beispiel: gestern Abend, wir waren auf dem Feldweg neben einem Bach spazieren. Sitzt da ein kleiner Frosch, nich mal Handteller groß. Ich dachte: ‚Hey mal gucken was der Hund zu dem Frosch sagt’. Loki hat erst mal gaaanz vorsichtig geschnüffelt, einige Sekunden hat sich das der Frosch gefallen lassen, dann ist er nach hinten ins Gras gehüpft. Loki hat sich so erschrocken, dass er fast die gleiche Bewegung wie der Frosch gemacht hat, nur halt in entgegen gesetzter Richtung. Ich hab natürlich erst einmal gelacht, weil die Bewegung einfach zu ulkig war. Aber im Endeffekt ging er an die Stelle wo der Frosch gewesen war, auf keinen halben Meter mehr ran.

Das seltsame ist jedoch, völlig gegensätzlich jeder Erwartung nach all den Dingen die ich gerade aufgezählt habe – auf dem Hundeplatz und beim Agility ist er vollkommen „normal“, als hätte er dieses Angstproblem im Alltag überhaupt nicht. Da stört keine Autotür, kein Gekläffe von den Anderen, keine unerwarteten Geräusche oder unbekannte Menschen, nichts. Er reagiert wie ich es von anderen Boxern (und anderen Hunden) kenne, völlig entspannt und aufgeschlossen. Ja manchmal ist er skeptisch, aber bleibt „Kommando-empfänglich“ und lässt sich zeigen, dass alles ‚ok’ ist.

Loki ist mein 3ter eigener Hund, aber mein 1ter Angsthund. Bei vielem muss ich erst umdenken. Zumal Lucius (Lokis Vorgänger, den ich Anfang April’23 über die Regenbogenbrücke gehen lassen musste) nie, wirklich nie schreckhaft und ängstlich war – nicht mal an Silvester.

Zu Fuß kann ich damit gut umgehen, aber beim Radfahren stoße ich, gefühlt, an meine Grenzen. Bis zu den Pferden sind gute 2km und ich hab kein Auto, also üben wir das schon auf kurzen Strecken. Aber hierbei hatten wir schon mehrere Situationen, die später im Straßenverkehr brenzlig werden könnten.

Was ich genau meine, wenn ich momentan von Radfahren spreche:

Dort wo ich ihn her habe, hat er nie ein Fahrrad von nahem gesehen (laut des Vorbesitzers - ich hatte gefragt), darum nehme ich mein Rad meist einfach geschobener Weise mit und manchmal übe ich halt mal 100-300m das anfahren, anhalten, dabenen stehen, ab und anleinen auf meiner Seite und der Radseite. Wir reden hier nicht von Strecken fahren, um von A nach B zu gelangen und schon gar nicht von Kilometern oder sowas! Und schon gar nicht bei diesen Temperaturen.
Denn auch bei diesen kurzen Übungen erschreckt er, wenn n Vogel hoch fliegt oder ihm nur nen Grashalm am Schenkel kitzelt, die Bremse quitscht oder deren Hebel klackt, weil ich ihn wieder loslasse.

Aber gerade weil er nichts kennt, muss alles zur Gewohnheit werden und wenn ich ihm das Rad erst in 3 Monaten "vorstelle" - wie lange soll ich dann später, bei nicht schönem Spazierwetter, zu den Pferden und zurück brauchen? Ich kann mit diesem Training nicht erst anfangen, wenn er lange Strecken am Rad laufen darf.
Wie gesagt, der Weg zu den Pferden ist fast 2km (nur eine Strecke),manchmal muss ich Pferde und Hund halt mit einander verbinden können (Zeitmanagement). Da ich kein Auto besitze, bin ich auf das Rad angewiesen. Er muss später am Rad laufen können.

Ich weiß, dass es Zeit braucht.
Aber ich dachte halt ihr hättet da vllt den einen oder anderen Tipp für uns, da ich noch nie so einen ängstlichen und schreckhaften Hund hatte.
Meine beiden vor ihm waren einfach "coole Socken" - wenn ich das mal so ausdrücken darf.
Wenn da was gerumst hat, wurde sich nur umgedreht und geguckt, nach dem Motto "Hääää?", wenn überhaupt, manchmal wurden auch nur die Ohren gedreht und zwei Schritte später war das wieder vergessen.
Lokis Motto ist aber 'erst wegrennen und das möglichst weit und dann erst fragen was das war'. Ich kenne das auch von keinem Hund aus Familien- und Freundeskreis.


So es gab viel zu lesen, ich hoffe ihr habt den einen oder anderen Tipp für mich, besonders was das Problem mit dem Radfahren betrifft.
 
Reagiert Loki auch zu Hause so ängstlich, wenn keine Fremden da sind? Und weißt du, wie er beim Vorbesitzer gelebt hat?

Für mich klingt das nach einem angeboren schüchternen Hund, der in der Sozialisierungsphase außer dem Hundeplatz nichts kennengelernt hat. Also dass sein Leben aus Wohnung (oder Zwinger), Auto und Platz bestand. Wie man da noch was aufholt, dürfen Leute schreiben, die mit solchen Hunden Erfahrung haben.
 
Warum hat der Vorbesitzer den Hund abgegeben? Wann wurde er vom Züchter abgegeben und wie waren die Bedingungen bei der Aufzucht?
 
Für mich klingt das auch nach fehlender Umweltprägung. Hunde, die während der Sozialisierungsphase mit wenig Außenreizen aufwachsen, entwickeln oft Deprivationssyndrome.

Rosie ist so ein Hund. Die ersten 5 Monate aufgewachsen in einem Haus mit Garten, der ringsum von einer Mauer umgeben war. Sie kannte nichts von der Außenwelt.

Es hat Monate gedauert, eh sie draußen wirklich einigermaßen entspannt sein konnte.
Ich habe sie in den normalen Alltag eingebunden. Jeden Tag normal Gassi gehen. Hat oft länger gedauert, weil sie alles und jeden äußerst skeptisch betrachtet hat und oft erstmal nicht weitergehen wollte. Und am liebsten so weit weg von allem, wie möglich. Also stehen bleiben, warten und warten...Bis sie gemerkt hat, der entgegen kommende Mensch ist doch nicht so gruslig. An die Mülltonne am Straßenrand kann man sich ganz vorsichtig ran wagen.

Ich hatte allerdings den unschätzbaren Vorteil, einen selbstsicheren, in sich ruhenden Rüden zu haben, der immer mit dabei war. Und Rosie durch sein Verhalten besser als jeder Mensch zeigen konnte, die Welt ist nicht so furchtbar.

Als wir vom Dorf in die Stadt gezogen sind, war das für Rosie ein Kulturschock. Allerdings ging die Gewöhnung dann etwas schneller.

Aber es gibt bis heute ab und an so "Aussetzer". Mit völlig neuen Situationen kann Rosie nicht gut umgehen und braucht Zeit.
Im allgemeinen merkt man ihr Unsicherheiten nicht mehr an. Sie ist aber ein vorsichtiger Hund geblieben, der im Zweifelsfall lieber flüchtet. Nur das sie jetzt nicht mehr panisch irgendwohin rennt, sondern in meiner Nähe bleibt.
 
Reagiert Loki auch zu Hause so ängstlich, wenn keine Fremden da sind? Und weißt du, wie er beim Vorbesitzer gelebt hat?
Ja, auf geräusche im Hausflur und auch von draußen (angeklapptes Fenster). Wenn er da was hört was er nich einordnen kann, dann rennt er unruhig mit starr nach unten hängener Rute von einen Raum in den anderen. Manchmal springt er hinter mich in den Sessel und leht sich mit vollem Gewicht an mich an.

Für mich klingt das nach einem angeboren schüchternen Hund, der in der Sozialisierungsphase außer dem Hundeplatz nichts kennengelernt hat. Also dass sein Leben aus Wohnung (oder Zwinger), Auto und Platz bestand.
Diesen Eindruck habe ich auch immer mehr gewonnen, Wobei den Hundeplatz hat er erst bei mir kennen gelernt. Da er in abgelegenden Gegenden, also etwas weiter weg von Häusern und Straßen, sowieso weniger bis keine Stresszeichen zeigt, gehe ich davon aus, dass es daran liegt, dass er bei uns auf dem Platz entspannter ist. Denn unser Platz liegt gute 2 min Fußweg von der Straße in einem großen Park.

Warum hat der Vorbesitzer den Hund abgegeben? Wann wurde er vom Züchter abgegeben und wie waren die Bedingungen bei der Aufzucht?
Zu den Bedingungen der Aufzucht habe ich keinerlei Informationen. Der Vorbesitzer hat ihn mit 9 Wochen bekommen und sie haben in einer Nebenstraße einer Nebenstraße gewohnt. Loki sollte ein Zweithund sein, in der Wohnung war auch alles super - so erzählte es mir der Vorbesitzer und dessen konnte ich mich auch überzeugen. Aber der Alte (schon 9 mit einigen Zipperlein) konnte draußen auf dem Feld, beim toben, micht mehr mit dem Kleinen mithalten. Er lahmte dann wohl auch häufiger. Damit der Alte keinen weiteren "Schaden" nimmt, sollte er Kleine einen "neuen Wirkungskreis" bekommen.
Der Vorbesitzer ist schon korrekt mit den Hunden umgegangen, aber er ist immer mit Auto in die Feldmark gefahren. Stadtspaziergänge hat er nie gemacht. Grundkommandos kannte Loki ohne Zweifel, klaut nichts vom Tisch, nimmt langsam und vorsichtig aus der Hand, usw... Man könnte sagen: "höflich erzogen". Aber er kannte kaum Alltagsreize.
 
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ca eine Woche bei mir

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ca 8 Wochen bei mir

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Dieses Foto ist am 2ten Tag bei mir entstanden, hier sieht man ganz gut seine Narbe auf dem Kopf.
 
Zeit und Geduld werden sehr wichtige Faktoren sein, um Deinem Hund Sicherheit zu geben. Warten und Nähe geben, so wie in Deiner eigenen Schilderung im Sessel, wo er sich mit vollem Gewicht an Dich gedrückt hat.

Ich hatte in den letzten Wochen mehrfach eine Hündin von einem Nachbarn zum Sitten. Sie fand das Geräusch, dass mein Toaster macht obergruselig, ist beim ersten Mal in die hinterste Ecke von meinem Schlafzimmer geflüchtet, zeigte auch sonst deutliche Stresszeichen. Das Auslösegeräusch nach Ablauf der Toastzeit kam für sie völlig unerwartet, war sehr laut und sie konnte nicht sehen, woher der Ton kam.

Ich habe dann den Toaster auf den Boden gestellt, da sie ihn auf der Küchenarbeitsplatte nicht sehen konnte und sie hat ihn beschnüffelt, dann habe ich vorsichtig angefangen mit dem Toastschlitten Geräusche zu machen. Fand sie nicht sonderlich prickelnd, sie flüchtete aber auch nicht. Danach war das Geräusch für sie OK, wenn ich ebenfalls in der Küche war. War ich aber z. B. im Wohnzimmer, verließ sie beim Auslösegeräusch dann doch die Küche, war aber nicht mehr so angespannt, wie beim ersten Mal.

Sowas braucht Zeit, viele Wiederholung und man muss dem Hund versuchen, die Sicherheit zu vermitteln, die er selber nicht aufbauen kann. Und wenn es die Möglichkeit gibt, dass ein Hund irgendwie am Gruselobjekt schnüffeln kann - immer anbieten!
 



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