Bericht
Der Tod in der Wiese
Rehe, Hasen, Vögel: Hunderttausende Wildtiere sterben jedes Jahr in Deutschland durch Mähmaschinen - völlig unnötig. Denn ihr Tod ließe sich verhindern.
Das junge Reh ist im hüfthohen Gras für Raubtiere kaum zu finden - trotzdem hat es keine Chance. Mit 25 Kilometern in der Stunde und auf einer Breite von 14 Metern kommt eine Mähmaschine auf das Versteck des Kitz zugefahren.
Der lauter werdende Motorenlärm löst bei dem Tier keinen Fluchtreflex aus, sondern den Instinkt, sich ganz flach auf den Boden zu legen und sich nicht zu bewegen - bis es von den rotierenden Scheren des Mähwerks erfasst und zerhackt wird.
Laut einer Hochrechnung der Deutschen Wildtierstiftung sterben pro Jahr in Deutschland 500.000 Tiere durch Mähmaschinen. Hauptsächlich trifft es junge Hasen und Rehe, außerdem Vögel, die auf dem Boden brüten.
Von Mai bis Juni, wenn die Wiesen zum ersten Mal gemäht werden, kommt bei vielen Wildtierarten der Nachwuchs zur Welt. Durch den Einsatz neuester Technik sollen die Tiere in Zukunft nun besser geschützt werden.
Eigentlich müssen die Tiere auf Wiesen und Brachen, das sind Flächen, die landwirtschaftlich nicht genutzt werden, vor dem Mähen gewarnt werden. "Wenn der Landwirt mähen will, stimmt er sich vorher mit dem zuständigen Jäger ab", sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdschutz-Verband.
Übelriechende Substanz
Wer ohne Vorwarnung Wiesen mäht, verstößt gegen das Tierschutzgesetz. Der Jäger versucht am Abend vor der Mahd, die Tiere aus dem Feld zu vertreiben und Muttertiere davon abzuhalten, ihre Jungen auf dem Gebiet zu verstecken.
Manche Jäger stellen Duftzäune mit einer für Wildtiere übelriechenden Substanz auf, andere Kunststoffsäcke, die im Wind laut flattern; oft genügt es aber schon, die Tiere mit aufgedrehten Radios zu verscheuchen oder mit dem Traktor einmal um das Feld herumzufahren.
"Solche Maßnahmen kann man jeweils nur kurz vor der Mahd ergreifen, sonst gewöhnen sich die Tiere an Lärm und Gestank und bleiben im Feld", sagt Reinwald. Dies geschieht allerdings nicht immer, meist ist zu wenig Zeit die Ursache.
Abhängig vom Wetter müssen sich Landwirte manchmal kurzfristig zum Mähen entscheiden. Und mittlerweile mähen zudem in vielen Regionen Lohnunternehmer Brachen und Wiesen "und die haben einen sehr engen Zeitplan", sagt Reinwald.
Dabei wäre es schon hilfreich, wenn die Felder von innen nach außen gemäht würden. Denn dann können die Tiere flüchten. "Üblicherweise fährt die Maschine aber von außen nach innen, und dabei werden die Wildtiere in der Mitte des Feldes zusammengetrieben und am Ende vermäht", sagt Andreas Kinser von der Deutschen Wildtierstiftung.
Tierschutz Tiere im Feld sichtbar machen
"Innen anzufangen ist ein zusätzlicher Aufwand", sagt Jens Rademacher vom Deutschen Bauernverband. Er kenne kaum jemanden, der so mäht.
Auch Mähdrescher, die im Herbst die Getreideernte einfahren, töten Tiere, allerdings weitaus weniger. Zum einen sind Jungtiere zur Erntezeit schon so alt, dass sie bei Gefahr flüchten. Zum anderen sind Felder mit Monokulturen von weniger Tieren bewohnt als Wiesen und Brachen.
Beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist die Gefahr für Tiere durch Mähmaschinen seit langem bekannt, alljährlich werde durch Aufrufe an Maßnahmen zur Wildtierrettung erinnert, heißt es.
Quelle:
sueddeutsche.de