Das Wort "Kampfhund" und seine Etablierung
Heute steht das Wort „Kampfhund“ hauptsächlich im Zusammenhang mit Übergriffen von Hunden auf Menschen oder andere Tiere. Dabei waren wohl in den wenigsten Fällen tatsächlich Kampfhunde beteiligt, sondern Listenhunde oder andere Hunde.
Die eigentliche Kampfhundediskussion wurde entfacht, als am 26. Juni 2000 in Hamburg-Wilhelmsburg ein sechsjähriger Junge auf einem Schulhof von zwei Staffordshire Terriern getötet wurde. Der Besitzer der Hunde war als einschlägig vorbestraft bekannt, auch bekannt war seine nicht artgerechte Haltung der Tiere, die stark vernachlässigt wurden. Doch anstatt ein Hundehaltungsverbot auszusprechen und ihm die Tiere wegzunehmen, wurden diese eingeschläfert und binnen kürzester Zeit erließen alle Bundesländer jeweils unterschiedliche Hundeverordnungen. Politiker nutzen diese Diskussion für ihre Kampagnen, man wollte etwas „für die Sicherheit der Bürger“ tun. Sie waren sich einig, dass die Einschränkung bei der Haltung bestimmter Hunderassen die Bevölkerung vor den Angriffen gefährlicher Hunde schützen sollte.
Auch wenn Züchter das nicht gerne hören: Genetisch gibt es keinerlei Unterschiede zwischen allen bekannten Hunderassen. Im wissenschaftlichen Sinn kann man nicht einmal von Rassen sprechen, denn eine Rassenteilung unter Tieren setzt voraus, dass es wesentliche genetische Unterschiede zwischen ihnen gibt. Ein Pudel jedoch hat dieselbe Genstruktur wie ein Bullterrier, gentechnisch sind alle Hunderassen gleich.
Von einem genetisch bedingten Aggressionspotenzial kann also keine Rede mehr sein, denn dann wären ja alle Hunde entweder aggressiv oder Schmusekätzchen. Dennoch gibt es in Deutschland mittlerweile 10 verschiedene Definitionen dafür, welche Hunderassen genetisch bedingt gefährlich sind.
Derzeit ist Niedersachsen das einzige Bundesland, in dem es keine Rasseliste gibt. In allen anderen Ländern gelten unterschiedliche Regelungen. So kann der Bullterrier in einem Bundesland als gefährlich gelten, im anderen jedoch nicht. Einheitliche Rasselisten gibt es nämlich nicht, wodurch auch keine einheitliche Gefahr von bestimmten Hunderassen ausgehen dürfte. Einzig die Rassen American Staffordshire Terrier und Pit Bull gelten in allen Bundesländern mit Rasseliste als gefährlich.
Im Besonderen werden die Rassen Staffordshire Bullterrier, American Staffordshire Terrier, American Pitbull Terrier und Bullterrier als „Kampfhunde“ klassifiziert. Spezifisch in Bayern ist der Ausdruck "Kampfhund" für diese Rassen in der Hundeverordnung festgehalten, obwohl mittlerweile klar sein dürfte, dass ein Kampfhund nicht an seiner Rasse, sondern seinem Verwendungszweck auszumachen ist.
Dennoch gelten insbesondere diese vier Rassen als besonders aggressiv. Dabei sollte man sich klar machen, dass Aggression keine angeborene Eigenschaft wie Blauäugigkeit ist. Aggressivität ist das Bestreben, eigene Interessen offensiv gegen andere durchzusetzen. Bei Hunden kann sich das durch das Verteidigen des Futternapfes oder der Familie zeigen, oder auch durch eine Rüpelei unter Rüden. Selbst ein friedliches Schoßhündchen wird zuschnappen, wenn man ihm rücksichtslos auf die Pfoten tritt.
Kampfhunde wurden zur Aggressivität gegenüber ihren Artgenossen einzig und allein in der Situation der Kampfarena erzogen! Ein Hund, der nach Menschen biss, war wertlos. Selbst bei der Unterstellung, dass bestimmte Verhaltensweisen des Hundes erblich seien, ist bei Kampfhunden von keiner erhöhten Aggressivität gegen Menschen auszugehen – eher im Gegenteil. Es gibt sogar die Geschichte eines für den Hundekampf gezüchteten Pit Bulls, der den Schwanz einkniff und davonlief, als er auf der Straße von einem anderen Hund bedroht wurde.
Natürlich hat ein Hund ein Gengerüst, doch komplexe Verhaltensweisen werden im Sozialverband geprägt. Ein freundlicher, ängstlicher oder aggressiver Hund wird nicht geboren, sondern erzogen. Und wenn man bedenkt, dass genetische Unterschiede zwischen den heutigen Hunderassen nicht nachweisbar sind, kann man nicht umhin, die Theorie gefährlicher Hunde abwegig zu finden. Keine der Kampfhunderassen ist in der Beißstatistik besonders auffällig (wo mit schönster Selbstverständlichkeit auch Vorfälle gegen Hunde und andere Tiere eingerechnet werden, bei denen kein Mensch gefährdet war). Auffällig ist nur das ausgiebige Interesse bestimmter Medien an jedem Vorfall, bei dem ein Listenhund beteiligt war. Seit dem Tod des kleinen Volkan in Hamburg vergeht kein Jahr, in dem nicht reißerisch über so genannte Kampfhunde berichtet wurde. Dabei werden Fakten verdreht und Bilder manipuliert.
1997 prangte
dieses Bild auf der Titelseite der Berliner Zeitung (bitte etwas weiter herunterscrollen, bis zum Beitrag mit dem Zeitungsartikel "Wieder da: Die Angst"). Das emotionale Schlagwort „Angst“ wird auch hier ganz bewusst von den Medien eingesetzt. Das Bild im Original zeigt einen völlig friedlichen, gähnenden Hund. Das Bild wurde für die Schlagzeile überbelichtet, das Maul rot eingefärbt und die Schnauze in die Länge gezogen. Dass der Hund gähnt sieht man an der typisch aufgerollten Zunge, den angelegten Ohren und den halb geschlossenen Augen.
Art. 4 des Journalisten-Kodex: «Sie bedienen sich bei der Beschaffung von Informationen, Tönen, Bildern und Dokumenten keiner unlauteren Methoden. Sie bearbeiten nicht oder lassen nicht Bilder bearbeiten zum Zweck der irreführenden Verfälschung des Originals. Sie begehen kein Plagiat.»
Immer wieder landen Übergriffe angeblicher Kampfhunde auf Menschen, insbesondere Kinder, auf den Titelseiten der Zeitungen. Den Menschen wird weisgemacht, dass eine erhöhte Gefahr von diesen Hunden ausgeht, was so nicht stimmt. Lassen Sie uns diese Medienhetze mal aus einer anderen Perspektive betrachten und sehen wir, was mit Hunden und Haltern passiert ist, nachdem die ersten Gesetze zur Hundeverordnung erlassen wurden.
In den Tierheimen wurden massenweise Listenhunde getötet, um Platz zu schaffen. Vor den Augen von Kindern wurden Hunde mit Einsatzkommandos von bis zu sechs Polizisten aus der Wohnung geholt. Mehr als einmal jedoch wurden Hunde noch direkt in der Wohnung erschossen. Es wurden verbotenerweise Hunde eingezogen, obwohl sie nicht den auf den Listen angegebenen Rassen angehörten. In Hamburg wurde ein Hund mit Benzin übergossen und angezündet, als er vor einem Einkaufszentrum auf die Rückkehr seines Frauchens wartete. Es durfte sogar auf offener Straße auf Hunde geschossen werden.
Vermutlich wussten Sie das gar nicht.
Menschen waren verzweifelt, weinten aus Angst um ihre Hunde, versuchten in Panik, sie zu verstecken. Bevor es Gesetze gegen potenziell gefährliche Hunderassen gab, existierten in Deutschland kaum Kampfhunderassen. Sie wurden nur von wenigen Liebhabern gehalten und gezüchtet. Diese Menschen wurden mit Verbrechern über einen Kamm geschoren, die illegale Hundekämpfe veranstalteten und ihre Hunde zu größter Bosheit erzogen.
Das Wort „Kampfhund“ hat niemand hinterfragt – es wurden einige Bilder gezeigt, in denen Menschen von Hunden verletzt wurden. Das hat gereicht und es hat die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Es hat sich eingebürgert, alle Listenhunde gemeinhin als „Kampfhunde“ zu bezeichnen. Kampfhundebesitzer wurden als asozial beschimpft, denn wer einen Kampfhund hält, muss automatisch ein minderwertiges Selbstbewusstsein haben und versucht dies mit einem solchen Hund zu kompensieren. Das mag auf einen kleinen Teil zutreffen, nicht jedoch auf die Allgemeinheit der Halter. Es sind normale Menschen, Ärzte, Rechtsanwälte, Polizisten, Bäcker. Ich. Vielleicht Sie.
Die Hintergründe über Kampfhundeattacken werden so gut wie nie aufgeklärt, geschweige denn öffentlich gemacht. Es reicht, mit einer Schlagzeile die Auflagen in die Höhe zu treiben. Normale Hundehalter wurden mit Verbrechern in einen Topf geworfen, die den Tod eines Kindes verschuldet hatten. Für alle Menschen, die einen Hund der erstellten Listen hielten, begann ein Albtraum.
Auf den Straßen sah man Hunde, die verzweifelt versuchten, ihren Maulkorb abzustreifen. Die bislang friedlichen Tiere verstanden die Welt nicht mehr. Auf den Behörden saßen die zuständigen Beamten, die eine Bulldogge nicht von einer Ziege unterscheiden konnten und verantwortlich waren für die Rassebeurteilung dieser Hunde. Die Beamten wurden mit einer Aufgabe belangt, denen sie nicht gewachsen waren – und einige von ihnen nutzen das schamlos aus. Sie durften schießen, wenn ein Hund eine „Bedrohung“ darstellte. Dieser Begriff wurde jedoch nirgends klar definiert. Schusswaffengebrauch war an der Tagesordnung.
Über Nacht waren normale Menschen Kriminelle – denn sie waren „Kampfhundebesitzer“. Das Unverletzlichkeitsrecht der Wohnung wurde für diese Hundehalter aufgehoben. Und viele unschuldige Hunde ließen ihr Leben.
Was jedoch ist denn nun eigentlich ein gefährlicher Hund? Die Gefährlichkeit eines Hundes lässt sich nicht an der Rasse oder seinem Aussehen festlegen. Deshalb sind Gesetze, die bestimmte Rassen als „gefährlich“ auflisten und ihre Haltung nur unter bestimmten Auflagen erlauben, schlichtweg ein Schuss ins Ofenrohr, denn daraus ergibt sich allenfalls eine Scheinsicherheit. Viele Rassen, die auf den Listen stehen, sind in Deutschland sogar recht selten und stellen allein deshalb keine übermäßige, öffentliche Gefahr dar. Dafür gibt es in Deutschlang haufenweise Schäferhunde, Labrador Retriever, Golden Retriever und Dobermänner, die bei falscher Haltung und Erziehung ebenfalls auffällig werden können und schon auffällig geworden sind.
So konnte in Lutzhorn ein sechsjähriges Mädchen nicht durch die Gesetze geschützt werden, als sie ihr Leben an einen Deutschen Schäferhund verlor. Und auch das Kind, das vom eigenen Dackel ins Gesicht gebissen wurde, hat nicht nur körperliche, sondern vor allem seelische Schmerzen erlitten, die nicht so schnell verheilen werden. Auch diese Kinder hatten ein Recht auf Schutz und das nicht nur vor „bestimmten“ Hunderassen.
Wie also kann man Menschen und vor allem Kinder vor gefährlichen Hunden schützen? Weder Hunde, noch Kinder sind Maschinen. Es kann immer und überall etwas passieren. Niemals wird es eine Welt geben, in der kein Mensch von einem Hund gebissen wird. Der Grund, warum es überhaupt gefährliche Hunde gibt, ist der, dass sich heutzutage jeder Mensch einen Hund anschaffen kann, ohne jegliche Sachkenntnis darüber zu besitzen. Er muss sich auch keine Sachkenntnis aneignen, muss keine Hundeschule besuchen und darf mit seinen Hunden züchten, wann, wo und wie es ihm beliebt.
Sinnvoll wären die Einführung eines Heimtierzuchtgesetzes, sowie das Absolvieren eines Hundeführerscheins. Jeder Hundehalter sollte sich theoretisches Wissen über Hunde aneignen und mit seinem Hund eine Hundeschule besuchen, um ihn zum Gehorsam zu erziehen. Auffällige Hunde sollten sich zusammen mit dem Besitzer einer Prüfung unterziehen, um an Lösungen für die bestehenden Probleme zu arbeiten.
Um überhaupt feststellen zu können, was ein „gesteigertes“ Aggressionsverhalten ausmacht, muss man wissen, welches Aggressionsverhalten zur hundetypischen Kommunikation gehört. Bellen, Knurren, Fixieren und Abschnappen sind normale Elemente der Hundesprache. Ein Hund, der dieses Verhalten zeigt, muss nicht gleich gefährlich sein. Um das beurteilen zu können, muss die gesamte Situation ins Auge gefasst werden.
Eine Hündin zum Beispiel, die einen aufdringlichen Rüden abschnappt, ist nicht im erhöhten Maße aggressiv oder gefährlich. Wie sonst soll sie dem Rüden klar machen, dass sie sein Verhalten nicht billigt? Die Hündin wird nur dann zum Problem, wenn der Rüde ihre Warnung missachtet und kein Besitzer zumindest einen der beiden Hunde zu sich zurückruft. Dann kann die Hündin ihrem Missmut stärker Ausdruck verleihen – etwa durch Beißen. Auch ein Listenhund wird sich so verhalten. Hunde sind keine Mutanten – auch Staffords nicht. Sie werden sich stets wie Hunde verhalten. Wie alle Hunde. Sie beißen auch nicht, wie oft behauptet wird, ihre Welpen tot. Denn dann würde es keine Hunde dieser Rassen mehr geben.
Nanny Dogs
Unsere Mitmenschen in den USA und in England würden uns Europäer auslachen wenn sie wüssten, wie viel unbegründete Angst wir vor Rassen wie Staffords haben. Denn die ursprünglich aus England stammenden Staffordshire Bullterrier sind dort mit Abstand die beliebtesten Familienhunde und bekamen gerade wegen ihrer großen Geduld und Kinderfreundlichkeit den Beinamen „Nanny Dog“, was übersetzt „Kindersitterhund“ bedeutet.
Auch in den USA, wo die Hundepopulation besonders dicht ist, halten sich Familien bevorzugt Staffords und Pit Bulls. Der Grund, warum wir nie den Aspekt betrachten, dass Listenhunde auch gerne schmusen, spielen und ganz normal leben, ist der, dass wir von den Medien nur Berichte über beißende Exemplare dieser Rassen sehen – nie aber Berichte über die andere Seite dieser Hunde. Die Medien wissen um die Wirksamkeit eines Beißvorfalls mit einem Listenhund und nutzen diese schamlos aus. Durch die Medien wurden diese Hunde extrem ins falsche Licht gerückt. Nirgendwo wird beispielsweise berichtet, dass es ein American Staffordshire Terrier war, der 2001 die meisten Menschen aus den Trümmern des World Trade Centers barg. Der amtierende Rettungshundeweltmeister ist ebenfalls ein Staffordshire Bullterrier. Und können Sie sich noch an „Petey“, den Hund aus dem Film „Die kleinen Superstrolche“ erinnern? Auch dieser Hund war ein American Pitbull Terrier!
Hier gibt es auch noch einige Informationen, sowie massenhaft Statistiken:
http://tmp.tierschutzverein-freiburg.de/informationen/listenhunde/statistiken.html
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Im Grunde... Mich nervt einfach am allermeisten, das manche Menschen eben den Hund über den Menschen stellen und wenn ein kleines Kind zerfleischt wird, heißt es: "Ohgott, der arme Listi! Hamse den erschossen, das gibts doch nicht!"
Also sorry Leute, ich find das unmöglich!
Das IST auch unmöglich. Für mich gehört ein Hund, der einen Menschen getötet hat, ebenfalls getötet. Ohne Wenn und Aber. "Die armen Listis" ist genauso bescheuert wie "Alle Listis sind böse und aggressiv", es ist eine Verallgemeinerung, die man einfach nicht gelten lassen kann. Ein Pitbull hat Zähne und er kann beißen, er kann auch töten und er kann gefährlich werden. Die zuweilen aufkeimende "Verniedlichung" vom Listenhunden ist genauso gefährlich, wie ihre pauschale Stigmatisierung als Kampfhunde. Man muss sich einfach darüber im Klaren sein, wie viel Verantwortung man hat, wenn man einen Hund hält. Man muss wissen, was man da an der Leine mit sich herumschleppt.
Solange aber diese Kampfhundedebatte geführt werden muss, werde ich mitreden und mich dagegen stellen, dass Listenhunde gefährlicher sein sollen, als Hunde anderer Rassen. Gerade dieses Zwei-Klassen-System, das unsere Hunde in "gefährlich" und "ungefährlich" aufteilt, ist mir ein Dorn im Auge, weil Menschen dazu angehalten werden, Nicht-Listis als ungefährlich zu betrachten, beziehungsweise unauffällige Listenhunde zu töten (siehe Dänemark). Der Hund muss individuell betrachtet werden. Es GIBT gefährliche Hunde, aber diese in einer Rassenliste zusammenzufassen, grenzt an geistiger Umnachtung.
Ehrlich gesagt, mir tut kein erschossener Hund leid, der zuvor einen Menschen getötet hat. Mir ist aber auch egal, um welche Rasse es sich handelt. Ich würde einen Pitbull ebenso töten, wie einen Labrador. Ein durch Hunde zu Tode gekommener Mensch ist etwas unfassbar Schlimmes und vor allem ist es in den allermeisten Fällen etwas Vermeidbares.