Sensiblen Angsthasen stärken

Erster Hund
Freddy TibetT. +2016
Zweiter Hund
Chumani Mix *2013
Hallo,

seit einer Woche lebt nun meine Hündin Chumani bei mir. Sie ist sehr lieb, aber aufgrund ihrer Vorgeschichte sehr vorsichtig. Da ich "Angsthasenhunde" nicht gewöhnt bin, wollte ich euch um Unterstützung bitten.

1. Sie hat Angst vor dem Auto fahren, weil sie die letzten Monate immer nur Auto gefahren ist, wenn sie wieder zu einem neuen Besitzer gekommen ist. (Keine Ahnung, wo sie in den letzten Monaten überall gelebt hat... Es waren zig Stationen.) Nun hat sie wohl Sorge, wieder zu einem neuen Ort gebracht zu werden- zumindest ist das unsere Vermutung. Das Auto fahren an sich scheint kein Problem zu sein, aber wenn sie einsteigen soll, fängt sie an zu jammern, will am liebsten abhauen usw. Wenn ich sie freudig herrufe und anlocke, wimmert sie, weil sie einerseits zu mir will und andererseits nicht ins Auto... Früher oder später springt sie zwar rein und wird ausgiebig dafür belohnt, aber das dauert mehrere Minuten. Während der Fahrt ist sie relativ ruhig, wenn man sie streichelt, aber sie wirkt nervös und winselt ab und zu; mal mehr, mal weniger schlimm. Hinfahrten sind meist schlimmer als Rückfahrten. Je öfter wir an einem Tag Auto fahren, desto schlimmer ist es. Ich habe sie zu verschiedenen Orten mit dem Auto mitgenommen, damit sie lernt, dass wir nur schöne Ausflüge unternehmen und es stets wieder nach Hause geht. Wahrscheinlich sollte sie aber nicht zu oft ins Auto steigen müssen, oder? Was kann ich noch tun, um ihr zu zeigen, dass wir sie behalten und nirgends hinfahren wollen? Oder hilft da nur abwarten- sie ist ja wirklich noch nicht lange bei uns?

2. Sie winselt und jammert ständig, zwar meist relativ leise, aber halt sehr oft. Sie winselt, wann immer sie aufgeregt/ gestresst ist- oder wenn sie sich langweilt. Sie winselt, während ich ihr Futter zubereite. Sie winselt, wenn ich den Raum verlasse. Sie winselt, wenn ich nach Hause komme und sie begrüße. Sie winselt, wenn sie checkt, dass ich jetzt mit ihr raus gehen will. Sie winselt, wenn ihr unsere Kitten zu nahe kommen. Sie winselt, wenn sie angeleint neben mir ein paar Minuten stehen und warten muss. Sie winselt, wenn ich ein Leckerli in der Hand halte, das sie haben möchte. Und so weiter...
Wird das vielleicht von alleine besser, wenn sie sich hier eingelebt hat und allgemein wohler und sicherer fühlt? Wie kann ich ihr allgemein diese Sicherheit geben oder wie kann ich konkret gegen das Winseln vorgehen- oder soll ich sie einfach jammern lassen? Wenn sie aus Unsicherheit jammert, versuche ich sie zu trösten bzw. ihr das Gefühl zu geben, dass alles ok ist. Aber was mache ich, wenn sie aufgrund von Stress oder Langeweile fiept?

3. Sie ist sehr sensibel und ängstlich. Beim Gassi gehen haben wir im Park eine Gruppe Hunde getroffen; wir waren noch ein ganzes Stück weiter weg, einer hat ziemlich Radau gemacht. Ein anderer Hund hat sich ein paar Meter von der Gruppe entfernt und wollte Chumani begrüßen, aber sie war so verunsichert von dem anderen, lauten Hund, dass sie nur Augen für ihn hatte. Ich wollte sie dann an der Gruppe vorbei lotsen, aber auch da hat sie nur den bellenden Hund angestarrt und wollte nicht weiter gehen. Erst als ich einen großen Bogen um die Gruppe gemacht habe, ist sie mir freudig gefolgt. Auch in anderen Situationen fällt auf, wie unsicher sie ist: sie erschreckt sich vor einer wehenden Feder, traut sich nicht unter einem Tisch durch zulaufen, weicht aus wenn man z.B. einen Stock schwingt oder einen Ball wirft, usw. Sie schreit auch sofort, wenn sie sich nur minimal verletzt. Wie kann ich ihr Selbstbewusstsein stärken? Wird auch das von alleine besser, wenn sie Vertrauen zu mir fasst und endlich wieder ein geregeltes Leben hat oder kann ich sie zusätzlich dabei unterstützen, etwas mutiger zu werden?

Ich hoffe, ihr habt ein paar hilfreiche Tipps für mich!
 
Eine Woche ist ja wirklich nicht lange, ich finde ihre Verhalten momentan eigentlich noch "normal" bzw. würde ich mir da noch nicht viele Gedanken machen.

Was ich bei solchen Hunde wichtig finde, damit sie etwas an Selbstsicherheit gewinnen können sind (natürlich Zeit lassen) feste Regeln und Strukturen und wenn möglich eine gewisse Routine (damit mein ich jetzt keine strikte Routine wie z.B. um punkt 8 Gassi, um 9h Futter etc., aber ein sich etwas wiederholender Alltag)

Was die anderen Hunden angeht, könntest du versuchen erstmal ganz gezielt die Hundebegegnungen raussuchen mit etwas ruhigeren Hunden, damit sie da möglichst positive Erfahrungen macht und die Zeit hat, sich an diese Hunde heranzutasten. Wir waren mit unserer Kleinen, die ja auch erstmal eher ängstlich gegenüber fremden Hunden ist, in der Hundeschule, wo das Spielen zwischendurch immer ganz toll von der Trainerin gemanagt wurde (das finde ich wichtig, da hier aus dem Spaß schnell Horror werden kann für den Hund) , das hat bei ihr echt geholfen, da nicht jeder Hundehalter Lust hat, zu warten bis Mikki auftaut.

Das Winseln und Jammern würde ich erstmal einfach ignorieren und nicht darauf eingehen, das legt sich dann bestimmt von alleine, genauso wie das Autofahren, ich denke, wenn sie merkt, dass es "ihr" Zuhause ist und ihr immer wieder heimkommt, wird sie da auch weniger nervös.
 
Danke für deine Einschätzung, mikkifilou.

Eine Woche ist ja wirklich nicht lange, ich finde ihre Verhalten momentan eigentlich noch "normal" bzw. würde ich mir da noch nicht viele Gedanken machen.
Dass sie noch unsicher ist etc. wundert mich nicht, eben weil sie ja wirklich noch nicht lange bei uns ist. Bloß habe ich das so extrem noch nie erlebt, andererseits tickt ja jeder Hund anders. Daher ist schön zu hören, dass es im Grunde noch im normalen Bereich zu sein scheint.

Was die anderen Hunden angeht, könntest du versuchen erstmal ganz gezielt die Hundebegegnungen raussuchen mit etwas ruhigeren Hunden, damit sie da möglichst positive Erfahrungen macht und die Zeit hat, sich an diese Hunde heranzutasten.
Normalerweise hat sie kein Problem mit anderen Hunden. Sie freut sich, wenn sie andere trifft und mit ihnen spielen kann. Wir treffen fast jeden Tag mindestens einen Hund, mit dem sie immerhin ein bisschen in Kontakt treten darf. Man merkt auch richtig, wie sehr ihr das gefällt. Nur wenn der andere Hund schon aus weiter Entfernung "böse" wirkt, wird sie sehr, sehr vorsichtig. Zu ruhigen Hunden geht sie wiederum stets gerne und hat da keinerlei Angst.
 
Na umso besser :) Verglichen mit Filou finde ich, was du beschreibst relativ "harmlos". unsere Hundetrainerin hat uns mal gesagt, dass es ca. 4 Wochen bis 1 Jahr braucht, bis Hunde richtig "angekommen sind"

Wir haben uns wegen Filou das Buch von Martin Rütter und Jeanette Przygoda "Angst bei Hunden" geholt, das fand ich sehr informativ, da steht was über die Ursachen von Ängsten, Trainingsansätze Tipps etc. (was ich bei einem Buch von Rütter gar nicht gedacht hätte)
 
Huhu,

also ich denke auch, dass das alles in einem ganz normalen Bereich ist. Vor allem, wenn du sagst, dass sie auf ruhige Hunde nicht so reagiert, sondern eher wenn sie schon von Weitem sieht, dass diese fixieren, bellen oder sich in die Leine hängen. Da hätte ich auch keine Lust auf eine Begegnung..

Ich hab hier auch einen ziemlichen Angsthasen, das ging so weit dass sie sich regelrecht losreißen wollte wenn ein ruhiger Hund mit einigem Abstand an uns vorbeigelaufen ist, und das hat sich nach ein paar Wochen auch schon sehr verbessert. Wir haben einfach zu Anfang immer unsere großen Bögen gemacht und jetzt kann sie ganz normal andere Hunde passieren und versteht so langsam, dass ihr auf ihrer "sicheren Seite" nichts passiert. Was uns auch sehr geholfen hat, waren wie von mikkifilou auch empfohlen, Begegnungen auf "sicherem Terrain" also eine HuSchu (oder wie bei uns z.B. eine nette HuTa) wo nicht so viel los ist und man eventuell die Möglichkeit hat, deine Chumani mit 1-2 gelassenen Hunden in Kontakt zu bringen. Außerdem haben wir uns mit einer Freundin die einen ruhigen, älteren Hund hat, öfter zum Spazierengehen verabredet, das hatte auch einen beruhigenden Effekt, sie hat sich Einiges von ihm abgeschaut und taut so langsam auf. Das mit den Federn und anderen "ungewohnten Objekten" hatten wir übrigens auch, sie ist zu Beginn in die Luft gesprungen vor Schreck, mittlerweile tut sie das nicht mehr. Bei uns war einfach die Zeit der entscheidende Faktor, einfach alles ein bisschen runterfahren und langsam machen, z.B. immer sehr viel Ruhen nach den Spaziergängen damit alle neuen Erfahrungen verarbeitet werden können. Das wird sicher alles werden :)

Mit dem Auto habe ich es so gemacht, dass ich ab und zu einfach vor dem Spaziergang oder auf dem Rückweg kurz mit ihr ins Auto eingestiegen bin, da gab es Leckerli und Lob und es durfte in Ruhe geschnüffelt werden, nur losgefahren sind wir nicht, sondern einfach wieder ausgestiegen. So von wegen "das Auto ist ziemlich gemütlich und bedeutet auch nicht jedes Mal, dass wir dich irgendwohin bringen".

Zu deinem 2. Punkt, ich finde es sehr gut, dass du sie bei ihrem Winseln aus Angst/Stress tröstest! Da gibt es ja auch einige Literatur zum Thema Social Support bei ängstlichen Hunden. Ich tröste meinen Hund auch, wenn er Angst hat (natürlich nicht im Sinne von "fein gemacht" und Leckerli wenn sie z.B. fremde Leute aus Angst total angeifert). Aber aus einer für den ängstlichen Hund angenehmen Distanz heraus kann man viele Situationen durch etwas Zuwendung und Beruhigung angenehmer machen, das hat bei uns ihre Angst überhaupt nicht verstärkt, im Gegenteil. Aber jeder Hund ist natürlich anders :)
Ich selbst würde mich auch ziemlich allein gelassen fühlen, wenn ich Angst habe und der Mensch der für mich sorgt dreht sich um oder ignoriert meine Ängste komplett. Da würde ich persönlich dann einfach noch lauter winseln..
Das Verhalten meiner Hündin ist jedenfalls durch diese Art "Gegenkonditionierung" bisher zumindest schon besser geworden. Das "Fiepen" bzw. auch mal Bellen schlicht aus Langeweile gab es bei uns allerdings auch schon, das wurde dann tatsächlich von mir ignoriert und es wurde eben erst gespielt sobald sie ruhig war.

Ansonsten würde ich noch konditionierte Entspannung und Clickertraining empfehlen (das hilft uns nicht nur bei ihrer Angst sondern auch bei ängstlichem Verbellen bisher ganz gut). Der Tipp kam von meiner Trainerin und hier aus dem Forum :)

Viele liebe Grüße und viel Freude mit dem neuen Familienmitglied!
 
Vielen Dank auch für deinen Beitrag!
Chumani soll die Zeit kriegen, die sie braucht, um Vertrauen zu fassen und Mut zu bekommen. Da das ja wirklich noch alles im Rahmen ist (ich kenne es halt anders, aber total schlimm erscheint es mir auch mal wieder nicht) werde ich einfach abwarten und hauptsächlich so weiter machen wie bisher :jawoll:

Ich bin eh noch am überlegen, mit ihr in die Hundeschule zu gehen. Eigentlich wollte ich auch Agility mit ihr ausprobieren, aber ob das zeitlich klappt, ist noch fraglich. In jedem Fall will ich irgendwas "anderes" mit ihr machen, sodass wir was lernen und sie mit Hunden tollen kann, denn das liebt sie wirklich. Ich denke, wenn sie neue Übungen erlernt und dafür gelobt wird, baut das auch Selbstvertrauen auf. Und es wird die Bindung stärken, daher ist das wohl so oder so sinnvoll mal auszuprobieren.

An konditionierte Entspannung und Clickertraining habe ich auch schon gedacht. Clickern stelle ich mir mit ihr aber relativ schwierig vor, weil sie nicht so auf Leckerlis steht. (Oder hatte ich bislang nur die falschen?) Aber ich werde mal schauen, was da noch so geht, danke für die Empfehlungen.
 
An konditionierte Entspannung und Clickertraining habe ich auch schon gedacht. Clickern stelle ich mir mit ihr aber relativ schwierig vor, weil sie nicht so auf Leckerlis steht. (Oder hatte ich bislang nur die falschen?) Aber ich werde mal schauen, was da noch so geht, danke für die Empfehlungen.

Clickern ist natürlich mit Leckerlis am einfachsten. Ich habe mit Hermann, der anfangs auch etwas eingeschüchtert war und draußen kein Fressen annehmen wollte, die Erfahrung gemacht, dass Würstchen, gekochtes Fleisch und Hundewurst (z.B. von Fleischeslust „meat und treat“) immer angenommen werden.
 
Huhu,

ja, da hast du vollkommen Recht! Das wird ganz automatisch besser werden, bald merkt sie dass sie bei dir ja super aufgehoben ist und sie auch nicht mehr weg muss, dann wird alles viel entspannter. Du bist ja erfahren, kannst sie gut einschätzen und dann kommt die Sicherheit fast wie von selbst..
Agility finde ich so klasse, ich drücke die Daumen, dass das klappt! Bin auch immer total fasziniert, wie das Selbstvertrauen des Hundes steigt, wenn man zusammen über den Parcours flitzt. Ich werde immer belächelt, wenn ich mit meinem Zwerg draußen über irgendwelche Mauern balanciere, aber sie freut sich immer 'nen Ast wenn ich dann total stolz auf sie bin :D

Beim Clickern (bzw. generell Leckerli draußen annehmen, wenn der Hund ängstlich ist) war es am Anfang bei uns ähnlich wie auch bei Wautzi, wir haben auch kleine Käse- und Wurstwürfelchen genommen und gekochtes Hühnerfilet, zu Anfang mit etwas Hundeleberwurst bestrichen, da konnte sie dann auch bei Angst nicht widerstehen :jawoll: Jetzt klappt es auch mit den kleinen, "langweiligeren" Leckerli ganz gut.. Ich hätte am Anfang nie gedacht, dass Clickern bei meinem Hund überhaupt etwas bringt (denn sie steigerte sich echt total rein und bellte vor Angst), aber man sieht tatsächlich Fortschritte.

Liebe Grüße!
 
Ich denke auch, dass ich bei ihr mit ganz besonders tollen Leckerlis punkten kann. Muss mal testen, was genau ihr gefällt, und dann kommen wir bestimmt auch allgemein besser voran.
Bin euch dankbar für eure aufmunternden und hilfreichen Worte!
 



Hundeforum.com - Partnerseiten :
Heilkundeforum.com | Veggieforum.de | Herrchen-sucht-Frauchen.de

Hundeforum.com ⇒ Das freie & unabhängige Hundeforum unterstützen:

Zurück
Oben