Gerichtsurteil: Fußgänger dürfen freilaufende Hunde abwehren

... sondern ob der HH für bei der (zulässigen) Abwehr entstandenen Schäden/ Verletzungen haften muss.
Das ist rein rechtlich ein großer Unterschied

"Fußgänger dürfen Freilaufende Hunde abwehren". So oder ähnlich sind doch alle Überschriften zu dem Urteil.

Richtig. Der Beklagte muss Schadensersatz zahlen.
Die entscheidenden Kriterien waren, dass

1. der Beklagte seinen Hund am Schadensort nicht frei laufen lassen durfte und ihn - weil ausser Sicht - nicht rechtzeitig anleinen konnte,

2. es dem Kläger nicht zuzumuten war, das Verhalten des Hundes zunächst zu analysieren und zu bewerten und Gefahr zu laufen, das Verhalten falsch zu bewerten und

3. er bei dem fremden Hund ohne die Halter sehen zu können Abwehrmaßnahmen ergreifen durfte und es kein Mitverschulden ist, wenn er sich dabei verletzt.

https://olgko.justiz.rlp.de/de/star...herannahenden-hund-den-der-hundehalter-nicht/

Ein ähnlicher Fall kann ganz anders entschieden werden, wenn die Halter sichtbar 20 Meter entfernt sind, der Hund im Freilauf sein durfte und die Halter gut hörbar noch die (zutreffende)Harmlosigkeit des Hundes betonen. Wehrt man den dann ab und verletzt sich, kann sich eine Mitschuld ergeben.

Es wird noch einige Zeit dauern, bis die eigentliche Entscheidung verfügbar ist, darin sind die Erwägungen des Gerichts sehr viel genauer ausgeführt.
 
Stimmt, eigentlich müsste es heißen: Muss ein HH für Schäden aufkommen die durch ein freilaufen seines Hundes entstanden sind.
Und ich finde definitiv ja, egal ob aggresiv oder nicht, man kann nie Wissen wie ein anderer reagiert. Braucht sich doch bloß jemand erschrecken und blöd beim zurückschrecken umknicken, aus eigener Erfahrung weiß ich dass das extrem schmerzhaft und langwierig sein kann!
Das ist ja auch das einzige womit man völlig uneinsichtige dran kriegt, Zahlemann und Söhne, diskutieren bringt da nix.
 
Aber auch das war auch vor dem Urteil so, oder nicht?
Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, was sich durch das Urteil geändert hat.

An sich hat sich nichts geändert. Die Haftung des Tierhalters ist in § 833 BGB geregelt und an sich juristisch ausgekaut.

https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__833.html

Was hier fraglich war und daher interessant ist, wie sich die Tiergefahr verwirklicht haben soll, der Hund an sich hat ja - soweit bekannt - nichts gemacht, er hat nicht gebissen, ist dem Verletzten nicht unter die Füsse gelaufen und hat ihn somit zu Fall gebracht, hat ihn nicht angesprungen oder mit den Pfoten gekratzt. Dem Hund des Verletzten hat er auch nichts getan.

Zur Verwirklichung der Tiergefahr ist in den Ausführungen der Pressmitteilung des Gerichts auch nichts zu finden, daher bin ich auf das Urteil an sich gespannt.

Jedenfalls ist jetzt klar, dass ein verbotswidrig freilaufender Hund ausserhalb des Sicht- und Einwirkungsbereich des Halters ohne Mitschuld-Risiko bei Verletzungen durch Abwehrhandlungen ohne vorherige Verhaltensanalyse auch dann abgewehrt werden darf, wenn er sich nicht aggressiv zeigt.
 
Sicht- und Einwirkungsbereich des Halters ohne Mitschuld-Risiko bei Verletzungen durch Abwehrhandlungen ohne vorherige Verhaltensanalyse auch dann abgewehrt werden darf, wenn er sich nicht aggressiv zeigt.
Bedeutet aggressives zeigen dieses hier?
nichts gemacht, er hat nicht gebissen, ist dem Verletzten nicht unter die Füsse gelaufen und hat ihn somit zu Fall gebracht, hat ihn nicht angesprungen oder mit den Pfoten gekratzt
Was ist mit meinem Fall am 3. Oktober 2018:
Kiara und Manuel werden im Dunkeln von einen sehr großen Hund angebellt.
Der Hund will Kiara an die Kehle. Kiara findet das verhalten des Hundes auch nicht nett. Es kam zu keiner Verletzung von Manuel oder Kiara, aber der abgewehrte Hund hat meine Taschenlampe gegen die Schnauze gedonnert bekommen, als er Kiara am Hals packen wollte.
Da ich die Gefahr abgewendet habe, hat der Hund am Ende ja "nichts" gemacht. Der einzige, der zu schaden gekommen ist, war der Hund und meine Taschenlampe.

Vor dem neuen Urteil hätte ich erst warten müssen, bis Kiaras Hals aufgerissen gewesen wäre (oder Manuel verletzt), bis ich eine Abwehr hätte durchführen dürfen?
 
Im Grunde ist es doch so, Notwehr muß verhältnismäßig und angemessen sein. Egal ob gegen Mensch oder Hund.

Und die Beurteilung der Angemessenheit ist immer subjektiv, unter Berücksichtigung aller Fakten.

Ich darf je jemandem, der (möglicherweise) bedrohlich auf mich zu kommt, auch nicht gleich mit einem Gegenstand eins übern Nischel hauen.

Und ähnliche Verhältnismäßigkeit ist auch bei Hunden gegeben. Wenn ein großer Hund auf mich zu kommt, darf meine Abwehrreaktion sicher anders ausfallen, als wenn es ein Minihund wäre.
 
Es kam zu keiner Verletzung von Manuel oder Kiara, aber der abgewehrte Hund hat meine Taschenlampe gegen die Schnauze gedonnert bekommen, als er Kiara am Hals packen wollte.
Da ich die Gefahr abgewendet habe, hat der Hund am Ende ja "nichts" gemacht. Der einzige, der zu schaden gekommen ist, war der Hund und meine Taschenlampe.

Vor dem neuen Urteil hätte ich erst warten müssen, bis Kiaras Hals aufgerissen gewesen wäre (oder Manuel verletzt), bis ich eine Abwehr hätte durchführen dürfen?

Das war eine eindeutige und gerechtfertigte Notstandshandlung, die immer dann geboten und sowohl zivil- wie strafrechtlich erlaubt ist, wenn Rechtsgüter auf dem Spiel stehen und vor einem Angriff geschützt werden sollen, hier die Gesundheit/das Leben von Kiara.

https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__228.html

https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__34.html

Notwehr/Notstand sind auch in unserer recht weich gespülten Rechtsordnung immer noch ein scharfes Schwert. Man darf sich verteidigen und muss dabei nicht allzu zimperlich sein - solange die Tatbestandsvoraussetzungen halbwegs erfüllt sind.

In dem OLG-Fall war diese Lage nicht gegeben, es lag keine Notstandshandlung vor. Es ging letztlich um dessen Mitschuld an der Verletzung des Klägers.
Der Hundehalter hat letztlich gesagt: was zappelt der da rum um meinen Hund zu vertreiben, der tut ja nichts. Wenn er da hinfällt und sich verletzt, hat er selbst Schuld, die Vertreibungsversuche waren nicht erforderlich.
 
Hab`zu dem Urteil dies noch gefunden:

"Hunde müssen bei Sichtkontakt zu anderen Passanten angeleint werden
Nach der örtlichen Gefahrenabwehrverordnung müssen Hunde außerhalb bebauter Ortslagen umgehend und ohne Aufforderung angeleint werden, wenn sich andere Personen nähern oder sichtbar werden"

https://www.anwaltsregister.de/Rech...rfen_abgewehrt_werden.d5939.html?printPreview

Allerdings.....der Jogger mit Hund war nicht sichtbar für die HH des nicht angeleinten Hundes. Für mich ist diese örtliche Gefahrenabwehrverordnung nicht genau genug. Denn danach haben sich die HH des freilaufenden Hundes nicht falsch verhalten m.M.n.

Also ist es dann in der eigenen Verantwortung, ob ich meinen Hund dort trotzdem frei laufen lasse oder nicht.....denn wenn sich jemand gestört fühlt....oder Angst vor Hunden hat.....obwohl sie frei laufen dürfen, da ja noch kein Sichtkontat.....dürfen später die Gerichte entscheiden, ob es verhältnissmäßig war oder nicht, dass mein Hund mit einem Regenschirm verprügelt wurde und nun Wirbelsäulenverletzungen hat, obwohl er ca. 2 m an dem Menschen vorbeigelaufen ist ohne ihn zu beachten.
(Die ist jetzt nur ein hypothetisches Szenario, könnte aber doch durchaus so passieren denke ich).

Und dann muss ich wirklich dabei noch an s.g. Angst-Patienten denken, die aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung übermäßige, unnatürliche ,unrealistische und unbegründete Angst haben.....

Analog dazu ( jetzt etwas überspitzt) müsste es dann nicht so sein :
Wenn ich eine Landwirtschaftsmaschinenphobie habe, auf einem Feldweg spazieren gehe, mich eine Landmaschine einholt in angemessenem Tempo, ich versuche die Landmaschine aus Angst von mir abzuwehren, dabei hinstürze und mir dem Arm breche....ist der Landmaschinenbesitzer ( nicht der Fahrer) daran Schuld ?????

Da kann ich ja noch froh sein, dass der ältere Nachbar aus dem Dorf, der einmal auf mein parkendes Auto auf`s Dach gehüpft ist, als mein damaliger Hund zu Nachbar`s getrottet ist um sich ihr "Nachmittags-Leckerlie" zu holen und ich auf dem Dorfe wohne, wo es zum Glück nicht viele andere Spaziergänger gibt und man sich untereinander doch kennt....zumindest vom Sehen her doch die meisten.

@Dieterll: Da ich wirklich nicht so ganz den ganzen Hype um dieses Urteil verstehe, besser gesagt diese seltsame Berichterstattung der Medien, wenn sich angebl. nicht allzuviel verändert hat....falls Du etwas zur Erklärung oder weiteres zu dem Urteil findest oder mitbekommst....könntest Du es mir ( und bestimtm auch anderen hier) erklären ?
Wäre super !
 
Mache ich gerne.
Es wird allerdings erfahrungsgemäß noch etwas dauern, bis das Urteil im Langtext bei JURIS verfügbar sein wird.

Der Hype um das an sich profane Urteil ist verständlich, wenn man Pressearbeit kennt. Journalisten sind in der Regel keine Juristen und meist auch keine Hundeleute. Und die machen sich die Arbeit so einfach wie möglich, lesen also zunächst nur die (m.E. etwas verunglückte) Überschrift der Pressemitteilung des OLG Koblenz, nämlich:

"Der will nur spielen" - Gegen einen nicht angeleinten herannahenden Hund, den der Hundehalter nicht (mehr) unter Kontrolle hat, dürfen effektive Abwehrmaßnahmen getroffen werden; das Verhalten des Hundes muss zuvor nicht analysiert werden"

https://olgko.justiz.rlp.de/de/star...herannahenden-hund-den-der-hundehalter-nicht/

und basteln sich dann aus dem Text den jeweiligen Pressebericht zusammen. Dabei kommen dann recht abenteuerliche Varianten in die Zeitung, je nach Sorgfalt, Interesse und auch Fachkenntnissen des Redakteurs.

Fakt ist nämlich: Abwehren durfte man einen fremden Hund ohne Sicht auf den Halter schon immer. Auch dann, wenn der sich nicht aggressiv zeigte und man schlicht nicht wollte, dass der möglicherweise den schicken hellen Rock einsaut.
 



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