Da bin ich gar nicht so sicher.
Viele Labradore aus Standard-Linien sind im Wesen Lichtjahre vom Standard entfernt. Es sind doch aber genau die Arbeitseigenschaften, die den Hund gleichzeitig so schön familientauglich machen, die sind doch so beliebt geworden, WEIL das für den arbeitenden Labrador typische Wesen die Hunde zu herrlich unkomplizierten Alltagsbegleitern macht. Das bietet eine AL im Grunde viel besser als eine sturköpfige Dampframme.
Natürlich kann man der AL auch schneller die Nerven rauben als der Dampframme, man kann einen wirklich leichtführigen Hund auch viel leichter verrückt machen als einen nervenharten Dickschädel. Hat immer alles zwei Seiten.
Ich glaube eigentlich nicht, dass die Labbis wegen ihrer Arbeitsfreude an sich zum tollen, beliebten Familienhund wurden. Viel eher, weil die Anforderungen an die Arbeit nach dem Schuss Dinge wie Mann- & Wildschärfe und eine entsprechende Härte nicht erforderlich machen. Gleichzeitig braucht es auch die allseits beliebte Steadyness, also die Fähigkeit sich in der Erwartung vorher ruhig und gesittet zu verhalten. Das macht sie zu einfach handelbaren Hunden, die üblicherweise freundlich (oder zumindest nicht von vorneherein unfreundlich) zu Mensch und Tier sind. Und ja, auch das geht durch die Showzucht verloren und man findet immer mehr Retriever, die sich zum Einen schlecht unter Kontrolle haben und zum anderen richtig unfreundlich sein können. Die Frage ist natürlich immer wieviel da die Zucht ausmacht und wieviel alles Weitere (sei es der Vermehrer oder die unfähigen Besitzer danach), aber man kann davon ausgehen, dass beides mitspielt.
Wovon ich aber eigentlich gesprochen habe, ist der vorher schon angesprochene "Pfeffer im Arsch" von Arbeitshunden. Dh die Arbeitsbereitschaft per se plus die extreme Schnelligkeit sowohl auf körperlicher Ebene, als auch in der Auffassungsgabe. Und die meisten 08/15 Halter und auch so mancher Hobby-Sportler sind - um mir mal das böse Pauschalurteil zu erlauben (in dem Wissen, dass es ein Pauschalurteil ist
) - langsam und ungenau...
Wir hatten vor gut einem Jahr eine Interessentin für die RH mit einer richtig, richtig genialen AL-Labbi Hündin, 2 Jahre alt. Die war zwar etwas außer Rand und Band und hatte viel Blödsinn gelernt, aber so grundsätzlich war die einfach toll. Schnell, lernbereit, gewifft und mit Feuereifer dabei. Genau das was ich sehen will bei Anwärterhunden - perfekter geht es kaum. Das Frauchen dagegen hatte fast ein Jahr mit sich gerungen, ob sie sich überhaupt bei uns melden sollte, weil sie für sich mit der Hündin gar nicht klar kam, nicht wusste, wie sie sie ruhig oder aufmerksam bekommt, kurz und gut: der Hund war in ihren Augen eine Katastrophe und es war ihr peinlich. Nachdem man ihr gezeigt hatte, worauf es ankam (angenehmerweise hatte auch Frauchen eine schnelle Auffassungsgabe), waren die beiden sehr schnell ein tolles Team und die Hündin war schlicht und einfach unglaublich toll. Es hat aber einiges an Lob von verschiedenen Menschen der Staffel gebraucht, damit sie glauben konnte, dass der Hund klasse ist. Das Frauchen ist mittlerweile fixes Mitglied unserer Staffel, nachdem die Hündin aber auf Grund einer Trennung beim Ex blieb (ich heule immer noch), hat sie nun ein junges (aktuell ca. 8 Monate altes) AL-Labbi Mädchen. Auch die ist einfach großartig und nun weiß Frauchen auch, wie man das Gewünschte aus dem Hund raus holt - man muss dazu nämlich schnell und genau sein.
Das Frauchen der vor Kurzem in einem anderen Thread angesprochenen Spitz-Terrier Mix Hündin hat sich vor ca einem halben Jahr einen AL-Border Welpen genommen. Der Grund dafür war, dass die erste Hündin zwar gut arbeitet, allerdings immer sehr gemächlich war und man bei ihr viel an der Motivationsschraube drehen muss. Sieht die Hündin grad keinen Grund zu arbeiten, arbeitet sie schlicht und einfach gar nicht. Nur wenn ausreichend Motiviation da ist, macht sie ihren Job - dafür dann auch wirklich gut. Also sollte der zweite Hund ein Arbeitsvieh werden und wurde es auch. Und Frauchen verzweifelt... regelmäßig... der Hund ist einfach zu schnell für sie, das ist sie in keinster Weise gewöhnt und wenn man sich ehrlich ist, passt das Spitz-Tier einfach wie Faust auf Auge zu ihr. Das Border-Tier lernt auch einfach viel zu schnell ganz dumme Dinge, Frauchen ist es aber nicht gewöhnt und es liegt auch nicht in ihrer Natur wie ein Haftelmacher hinter solchen Sachen sein zu müssen, denn beim Spitztier sind viele Dinge ja auch nicht so dramatisch, weil kleiner, süßer Hund. Ich hatte ihr von Beginn an vom Border abgeraten, das wollte sie nicht hören. Es ist ein ständiges Wechselspiel von "aus Angst, dass der Hund überläuft die Knute drauf haben" und "einfach zu langsam und unaufmerksam für das Tierchen sein". Ich bin zwar in diesem Fall sicher, dass die beiden ihren Weg finden werden, ich bin mir aber auch sicher, dass dort kein AL-Border mehr einziehen wird. Das entspricht einfach nicht Frauchens Gemüt. Die Hündin ist so nebenbei toll