Angst vor dem Spazierengehen

Erster Hund
Rondo/Rafeiro Mix (1)
Hallo ihr Lieben!

Ich hoffe, ihr habt gute Tipps für mich, weil mein Hund mich jeden Tag aufs neue an den Rand der Verzweiflung und eines Hexenschusses bringt.

Und zwar folgendes, unser Hund ist ja ein adoptierter Straßenhund, der wenig Selbstvertrauen hat und anderen Menschen gegenüber sehr nervös bis ängstlich ist, wenn er sie nicht kennt. Leider wohnen hier in einem ziemlich stark frequentierten Gebiet, so dass den ganzen Tag über jede Menge los ist.

Nach einiger Arbeit waren wir soweit, dass wir jeden Morgen eine halbe Stunde und Mittags 1,5 Stunden mit der Schleppleine spazieren und spielen gegangen sind, Abends waren es meistens nur kurze 10-Minuten-Runden. Irgendwann hat der gute Rondo sich jedenfalls angewöhnt, dass er Mittags und Abends nicht mehr spazierengehen mag. Er gerät fast in Panik, zieht in Richtung unserer Wohnung und zieht den Schwanz ein. Morgens (ganz früh) und Nachts ist er draußen der glücklichste Hund der Welt, aber tagsüber ist einfach nichts zu machen.
Das Verhalten hat sich vor vielleicht 2-3 Monaten zum ersten Mal gezeigt. Wir haben schon vermutet, dass es evtl. gar nicht an den Menschen draußen liegt, weil er so teilweise auch zu Mittags- und Abendzeit reagiert, wenn es regnet und NIEMAND auf der Straße ist. Vielleicht ist es eher so, dass er generalisiert und denkt "Ach, 13 Uhr, da sind ja immer so viele auf der Straße deswegen mache ich vorsichtshalber schonmal nen Aufstand, damit ich bloß nicht zu weit laufen muss." :frech1:

Ich habe wirklich schon alles probiert: weiterziehen und so tun, als wäre nichts (mit seinen 45 Kilo bestimmt aber meist ER, wo es langgeht). Wenn ich es mit Leckerlies versuche, dann isst er sie manchmal, wenn er nicht zu gestresst ist und läuft auch zu dem Punkt, wo ich sie hingelegt habe, aber danach will er sofort wieder in Richtung nach Hause ziehen. Ich habe versucht, einfach stehenzubleiben, damit seine Angst sich etwas runterkurbeln kann. Aber nichts klappt so richtig. Ich habe körperlich einfach nicht die Kraft, das mindestens zwei Mal am Tag mitzumachen. Es scheint auch so, als dass meine Einstellung - die sicherlich jedes Mal schwankt zwischen "Jetzt packen wir es an, nun muss es aber klappen" bis hin zu wirklichem Ärger über die Situation - nicht wirklich etwas an solchen Situationen ändert. Wenn Herrchen mit dem Hund gegen Mittag oder Abend geht, haben wir das selbe Spiel, nur dass Herrchen da körperlich etwas mehr entgegenzusetzen hat und ihn gegebenenfalls einfach im Geschirr packt und weiterträgt :p Wenn wir alle drei zusammengehen, ist das kein Problem. Aber das geht nunmal nicht jeden Tag und daher brauche ich wirklich einen guten Rat, was ich anders machen könnte. Denn ich will ja gerne mit ihm rausgehen, lange Spaziergänge machen und trainieren, aber ich weiß wirklich nicht, woran es hapert. Bald ziehen wir um - vielleicht bringt das ja die Erlösung. Aber ich wünschte, ich könnte an der jetzigen Situation etwas ändern :nachdenklich1:

Ich bin für jegliche Ratschläge dankbar
 
Hallo Matte,

hört sich an, als wäre er mit der Situation auf der Straße überfordert.
Wenn es sich um einen Straßenhund handelt, weißt Du nicht, was ihm widerfahren ist.
Versuch die Spaziergänge so positiv wie möglich zu gestalten, viel loben und gut zureden.
Kannst Du mit ihm vielleicht erst mal im Wald oder Wiesen trainieren, damit sich Eure Bindung und sein Selbstvertrauen stärkt? Ist in der Stadt sicher schwierig, ick wohn halt uffen Land, wa.:zwinkern2:
Ansonsten muß er immer mit einem guten Gefühl nach Hause kommen.
Auch wenn Du stink sauer bist, lächle und sei freundlich. Mach Dich von mir aus über ihn lustig um Deinen Frust abzubauen....., ich meine rede belustigt mit ihm, "Ach will der kleine Wauzi mal wieder nach Hause? So ein ängstlicher Teddy?" Sowas eben, er darf nicht merken, das Du stinkig bist, dann wird es nur schlimmer.
Ich würde mir einen Hundetrainer suchen, der mir in diesen schwierigen Situationen weiterhilft.

Liebe Grüße
Doro

PS.: Vielleicht kennst Du einen anderen Hundehalter, mit dem Du raus gehen kannst? Das würde ihm sicher helfen, wenn er sieht, wie andere Hunde damit klar kommen.
 
Danke für die Antwort, Benostel! Ich denke, es wäre auf jeden Fall wichtig, unsere Bindung zu stärken, wobei er zu Hause ganz vertraut mit mir und seinem Herrchen ist. Aber scheinbar vertraut er uns noch nicht genug, um uns beim Spazierengehen bedingungslos zu folgen. Das ist so frustrierend. Da bin ich auch eher sauer auf mich, als auf ihn, weil ich ja scheinbar nicht in der Lage bin, ihm Sicherheit zu bieten.

Das Spazierengehen mit anderen werde ich mal ausprobieren. Ich habe auch schon daran gedacht, ihn vielleicht ein Mal die Woche in die Hundetagesstätte hier zu geben, damit er mehr Kontakt zu anderen Hunden hat und dadurch sein Selbstbewusstsein stärken kann.
 
Hallo,

bei einem schlecht geprägten Welpen, kann so ein Training manchmal mehr als ein paar Monate Zeit in Anspruch nehmen, möglich ist auch, dass er nie wirklich umweltsicher wird.
Die Welpenzeit ist schon sehr prägend.
Das sind keineswegs seltene Verhaltensweisen von Straßenhunden aus dem Ausland, umso schwieriger gestaltet sich das Zusammenleben dann in der "neuen Kultur".
Du schreibst, dass sich das Verhalten in den letzten 2-3 Monaten noch verschlechtert habe.
Wie alt ist er nun?
Pubertiert er?
Das bringt den Hund in eine erneute, teilweise extreme, Unsicherheitsphase.

Spaziergänge von 30 Minuten und sogar darüber hinaus, solltet ihr vorerst gar nicht in Erwägung ziehen, ich denke, es wirft den Hund eher zurück, als nach vorne.
Es scheint extremen Stresss für den Kerl zu bedeuten.
Verzeichnet es als Erfolg, wenn ihr überhaupt mit ihm vor die Tür kommt und 50m laufen könnt, je länger während des Gassigehens "gekämpft" wird, desto schlimmer wird es für ihn - die Negativverknüpfung und der Stresspegel steigen weiter an.

Diese ganze Verhaltenskette könnt ihr, wenn überhaupt, in kurzen und ganz kleinen Schritten ändern.
Mein Rat wäre, nur ein paar Meter mit dem Hund herauszugehen, max. 5 Minuten und sofort umzukehren, die Zeiten laaaangsam steigern.

Diesen Hund für eine Woche in eine Hundepension oder Tagesstätte zu geben, halte ich für eine sehr gewagte Idee.
Die Gefahr, dass der Hund noch mehr traumatisiert wird, ist zu groß.
Arbeitet besser kleinstschrittig selbst mit ihm.
Wenn du meinst, dass andere Hunde ihm gut tun würden, sucht euch eine "Gassi-Begleitung", wie schon meine Vorschreiberin anregte, gebt den Hund besser nicht in andere Hände.

Steht euch ein Auto zur Verfügung, sodass ihr mit ihm ins Grüne und in einsame Gegenden fahren könntet?

LG Leo
 
Rondo ist jetzt ungefähr ein Jahr alt. Er hatte in seinen ersten sechs Monaten drei verschiedene Unterkünfte, darunter ein Tierheim und zwei Pflegefamilien. Sowas prägt natürlich :(

Unsere Hundetrainerin hat uns geraten, ihn vorerst nicht zu kastrieren, damit das Testosteron seiner Angst entgegenwirkt. Sie hat aber auch gesagt, dass dadurch starke Hormonschwankungen auftreten können, die so ein Verhalten verursachen. Aber kann das wirklich jeden Tag der Fall sein? Dann müsste er diese Zustände ja auch Morgens und Nachts haben?!

Unsere Tiertrainiern sagte auch, dass man lieber kleine Spaziergänge machen soll, ehrlich gesagte habe ich diesen einfachen und guten Tipp total vergessen, weil bei mir im Kopf immer die Vorstellung herrschte, dass er, weil er so ein großer Hund ist, seine regelmäßigen langen Spaziergänge braucht. Da kommt man gar nicht auf die Idee, dass das eher schaden als nutzen kann :( In dem Fall würde ich ihn zu Hause gerne mehr aktivieren, aber er verpennt meist den ganzen Tag und wird erst nachts aktiv und will spielen. Vielleicht hängt das ja auch damit zusammen, dass er tagsüber so gestresst ist.

Ein Auto haben wir momentan nicht, um ins Grüne zu fahren, aber wir ziehen ja wie gesagt sehr bald um - direkt ins Grüne. Ich hoffe so sehr, dass ihm das helfen wird
 
Ich begrüße die Ansichten der Hundetrainerin, was die Kastration (bitte bloß nicht!) und die kurzen Spaziergänge betrifft!
Theoretisch möchte jeder Hund gern und viel Gassi gehen, unabhängig von der Größe, aber euer Hund ist anders als andere, daher nimm Abstand von dem Gedanken, dass du damit diesem Hund etwas Gutes tust.
Fange an, wie bei einem Welpen, eher weniger als mit einem Welpen, denn Versäumtes aus der Prägephase ist leider bei einigen Hunden nicht herauszubekommen.
Erfreut euch an jedem kleinsten Schritt nach draußen, auch wenn es nur 20m sind, die er stressfrei und einigermaßen entspannt bewältigt.
Geht nach Hause, bevor er es anzeigt!
Übt das mehrfach täglich.
Bei ihm lautet die Devise:
"Besser öfter nur ein paar Meter, als eine halbe Stunde und mehr vollkommen gestresst".

Diesen Hund kannst du nicht mit normal geprägten Welpen vergleichen.

Ich wünsche euch ganz viel Erfolg und Glück!
Er braucht ganz viel Einfühlungsvermögen und ein feines Fingerspitzengefühl, ihr müsst erkennen, ab wann der Stress draußen beginnt und am besten schon vorher umkehren.

LG Leo
 
Danke dir, Leo! Ich nehme mir deinen Rat wirklich zu Herzen und werde mein Bestes geben :)
 
Es würde mich sehr interessieren, wie sich euer Rondo entwickelt, daher würde ich mich über weitere Berichte und hoffentlich Erfolgen sehr freuen!
 



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