"Opportunismus" und "Hund"

Wie passen beide Begriffe für euch zusammen?

Ich lese derzeit das Buch "Hunde brauchen klare Grenzen" von Michael Grewe der Hunde als Opportunisten beschreibt. Später geht er darauf ein dass eine ausschließliche Konditionierung mit bspw. Leckerlie und ausschließlich positive Verstärkung dem Hund gegenüber unfair wären (was ich genauso sehe).

Aber steht dies nicht im Gegensatz zu der Behauptung dass Hunde Opportunisten sind?

Ich habe das Gefühl dass ich da irgendwas falsch verstanden oder interpretiert habe. Kann mir vielleicht jemand auf die Sprünge helfen? Natürlich ist auch eine Diskussion ohne direkten Bezug auf das Buch willkommen. :jawoll:

Liebste Grüße
Anne :)
 
Hi Anne,

also ich und mein Freund haben soeben dieses Thema diskutiert und sind zu dem gleichen Ergebniss wie du gekommen.
Wenn er davon sprechen würde dass Hunde opportunistisch veranlagt sind, stünde dies der Aussage dass es unfair wäre einen Hund nur positiv zu bestärken, nicht entgegen. (Übrigens wäre dass auch meine Meinung)

:winken5:
 
Hallo Anne,

ich find hier das Wort "unfair" seltsam in Bezug auf ausschließlich positive Verstärkung.
Ich würde eher sagen: nicht ausreichend...!?

Wie meint er das denn?
(hab das Buch nicht gelesen)

Lieben Gruß
JoJu
 
Ich finde, der Begriff "unfair" ist sogar sehr passend aber gleichzeitig ist es auch durchaus "nicht ausreichend" :jawoll:
Ich versuche mal, meine Gedanken zu dem Thema zusammenzufassen.

Durch Konditionierung, wie sie nunmal beim Klickern stattfindet, wird die Reaktion des Hundes mehr oder minder "automatisiert".
Er reagiert also nicht mehr "frei", er entscheidet sich nicht, seine geistige Freiheit zu Wählen wird deutlich manipuliert.
Er muss einfach so reagieren, wenn es so konditioniert wurde.

Wenn man nun den Hund als opportunistisches, intelligentes und soziales Wesen betrachtet, dann wird ihm durch Konditionierung also genommen, sich so zu entscheiden, wie es für ihn momentan am besten/sinnvollsten wäre.
Nein, der Hund reagiert halt recht automatisch.
Dieser Hund muss und kann nicht großartig aus sich heraus kommunizieren. Er ist der Reagierende!
Und das bei einem Tier, dass sich wie kein anderes dem Menschen angepasst hat und unwahrscheinlich gut und deutlich mit uns kommunizieren kann und dies auch gern will! Ist das nicht unfair?

Und so finde ich den Begriff "unfair "sehr gut, denn es ist nicht fair, einem Individuum die Möglichkeit zur offenen Kommuniktaion mit Aktion und Reaktion von Seiten des Menschen, wie des Hundes zu nehmen. Hier ist Kommunikation kein Wechselspiel mehr, hier kommt es zu keiner freiwillige Kooperation.

Und zu dieser wird Hund sich mMn auch nur entschließen, wenn eine Beziehung und Bindung zwischen Mensch und Hund aufgebaut wurde.
Diese kann man aber nicht konditionieren!
Somit ist es in meinen Augen unfair, den Hund einfach nur über Klicker zu "erziehen". Dem Hund wird die Möglichkeit zum sozialen, freiwilligen Miteinander während der "Zusammenarbeit" genommen. Und ebenso natürlich zu allen alternativen Verhaltensweisen und Reaktionen.

Außerdem:
Wir wollen doch keine Maschine, die einfach nur "reagiert", wir wollen doch zusammenleben mit dem Hund und dazu muss jeder in gewisser Weise frei agieren und reagieren können.
Zudem wird über Klicker keine Beziehung zum Menschen aufgebaut, sondern vielmehr zum "Klick+ Leckerli". Es ist keine Zusammenarbeit, der Hund arbeitet einzig und allein für sich.

Hunde sind opportunistisch, aber ich bezweifle, dass es in ihrem Interesse ist, wenn ihre Reaktionen durch Konditionierung dermaßen "vorgefertigt" und somit eingeschränkt werden. ( das macht doch Konditionierung schonmal wenig oppotunisten-gerecht, oder? Man kann nicht zu seinem persönlichen Besten entscheiden!)

Ich habe es außerdem so im Kopf, dass neben dem eigenen Überleben halt die soziale Sicherheit an erster Stelle steht, und man diese nunmal nicht konditionieren kann.
Man kann Grenzen und Regeln nicht mit Leckerlie verdeutlichen und abstecken... denn dann wird kein Respekt eingefordert, hier arbeitet der Hund für das Leckerlie/Lob und wenn er darauf mal keinen Bock hat, was anderes ( ganz opportunistsisch!!) wichtiger ist..... tjoa. ;)
Da die soziale Sicherheit von so hoher Bedeutung für den Hund ist, darf man sie aber nicht außer acht lassen, sonst wird man den Bedürfnissne des Hundes niemals gerecht.
Von daher passt hier auch JoJu´s Audruck "nicht ausreichend"...nur mit Konditionierung und Lob kann man mit dem Hund mMn keine stabile Beziehung haben. Es reicht nicht aus! Unweigerlich müssen irgendwann Grenzen gezogen und Respekt eingefordert werden. Respekt bekomme ich aber nicht, wenn ich mit einem Leckerlie locke.

Klickern/Konditionierung für Tricks- ok!
Klickern/Konditionierung für Regeln und Grenzen, für Beziehung und Zusammenleben - wird nicht funktionieren.

So habe ich es für mich aus dem Buch gezogen :)

Liebe Grüße,
Fee

PS: Ohjeh, ist das lang...
 
Fee das finde ich super beschrieben!
Unterschreib ich in allen Punkten!

Möchte nur eines klar stellen, ich hab schlampig gelesen und nur das Wort positive Verstärkung im Kopf gehabt, nicht auch pos. Konditionierung.
Was zwar nicht weit voneinander entfernt, aber doch genau genommen zwei paar Schuhe sind.

Und da ich eben nur an die Verstärkung (Bestätigung, Lob...) dachte beim Schreiben, fand ich das Wort "unfair" so seltsam.
Ja, in Bezug auf Konditionierung passt es. Der Hund wird zur Reiz-Reaktions-Maschine degradiert, krass gesagt. Das ist wahrlich unfair.
Wobei die Bezeichnung "armselig" hier auch angebracht wäre...

Absichtliche Konditionierung finde ich in einigen wenigen Fällen ok.
Ich würde mir wünschen, das Signal HALT wäre bei Jule so gut konditioniert, dass sie stehen bleiben muss trotz Hase vor der Nase :)

Was mir bei den geklickerten und durchkonditionierten Hunden, die sonst nicht viel "Erziehung" genießen durften, immer wieder traurig auffällt, ist diese...man nennt das wohl: erlernte Hilflosigkeit.
Das ist dann der Hund, der sich fast nichts selbst zutraut, keinerlei Entscheidungsfähigkeit hat. Bei jeder Kleinigkeit Blick zum Mensch: darf ich? Ja oder nein? Click oder nicht?
Geistige und soziale Unreife bis in`s hohe Alter, das ist die traurige Folge.

Liebe Grüße
JoJu
 
Ich kann dir, Fee, auch in allen Punkten zustimmen.

Jedoch ist der "freie Wille" des Hundes nicht als Willen zu beschreiben, den wir als Menschen besitzen. Der Hund wird im Gegensatz zu uns von seinen Instinkten gelenkt, was aber nichts Negatives ist, im Gegenteil es würde dem Menschen sogat sehr gut tun, welche zu haben.

Nach Kant und Freud soll es drei "Geisteskomponenten" geben; das "Es" ("Ees" ausgesprochen=Instinkte), das Ich und das "Über-Ich" (auch als Gewissen uä bekannt). Nach diesen philosophischen Thesen kann das Tier keine eigene Entscheidungsfreiheit besitzen.

Ob es die reine "Wahrheit" ist, sei dahingestellt. Einerseits kann ich mir das gut vorstellen, andererseits gibt es Beispiele aus der Hundewelt die anderes anmuten lassen, sowie Hachiko zum Beispiel, wo die Grenzen jeder instinktiven Handlung aufhören.

Ich finde die Themenrichtung äußerst interessant und würde auch gerne Fragen in den Raum stellen; wie steht ihr zu dem Geschriebenen? Haben Tiere (k)ein Bewusstsein, wenn ja/nein, warum??? Also...

Nachtrag: Ja, zum Clickern wollte ich auch etwas sagen, ähnlich wie ihr halte ich es auch für einen Verhaltensautomatismus, was auch der Grund dafür ist, dass ich keinen konditioniere und auch nicht werde.
 
Bokser, deine Frage ist klasse und eigentlich schon wieder ein eigenes Thema wert, oder?

Ich glaub, hier würde dann Annes Frage evtl untergehen :)

Mit "freier Wille" wollte ich nicht mit dem menschlichen Bewusstsein vergleichen ( wobei auch da gern drüber diskutiert wird, inwiefern wir denn einen freien Willen haben).
Ich meinte damit, dass Hunde durchaus entscheiden können und wollen, auch in Konflikte( nicht mit anderen Hunden, mit sich selbst!) geraten können, weil sie sich z.B. nicht entscheiden können oder dürfen.

Und wir Mensche haben doch Instinkte! Nur ob wir sie noch bemerken oder drauf hören, ist dann der Knackpunkt :)
 



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