Deprivationssyndrom

Erster Hund
Klecks, Groenendael
Zweiter Hund
Toulouse, Aussie
Dritter Hund
Pippa, Aussie
Hallöchen ihr Lieben!

Gibt es hier noch mehr Besitzer, die einen Hund mit Deprivationssyndrom haben?

Kurze Erklärung: Beim Deprivationssyndrom handelt es sich um fehlende Verknüpfungen im Hirn, durch einen Mangel an Reizen in der Prägephase.

Dazu eine Beschreibung meines Hundes:
Klecks hat die ersten 6 Monate seines Lebens allein in einem isolierten Zwinger verbracht. Kein Gassi, Kontakt zum Menschen nur alle paar Tage wenn er Futter rein schiss.
Dann lebte er 3 Monate in Hamburg und seit seinem 9. Monat bei mir.
Er ist extrem Stressanfällig. Durch die Stadt oder unruhigere Gegenden kann ich völlig vergessen. Es stresst ihn schon, wenn bei den Nachbarn ein Fahrrad steht, was Tags zuvor nicht dort stand.
Er ist intelligent, will lernen, kann dies aber nur im Haus. Je nach Außenreizen maximal noch im Garten.
Er zeigt Aggressionen, kann mit hohen Trieblagen nicht umgehen und sucht sich ein Ventil, er hat mich schon oft gebissen, das ganze Schienbein zerhackt.
Er kommuniziert verdammt klar mit Artgenossen, ist aber bei Konflikten direkt mit Beschädigung dabei.
Er hat riesen Angst vor fremden Menschen, geht auch fletschend nach vorn, wenn er sich bedroht fühlt.

Wir waren viele Jahre in Hundeschulen, er wird nun 7 Jahre. Seitdem ich ihn akzeptiert habe wie er ist und ihm keinen Druck mehr mache, geht es besser. Druck ist fatal bei ihm.

Wie verbringt ihr den Alltag mit einem Hund mit Deprivationssyndrom?
Habt ihr Fortschritte gemacht? Wenn ja, wie/womit?
Wie äußert es sich bei eurem Hund?

Liebe Grüße,
Nadine mit Klecks und Toulouse
 
Der Hund von @DieterI hat ein (leichtes ?) Deprivationssyndrom. Vielleicht kann er dir weiterhelfen. Hilfreich soll das Buch "Leben will gelernt sein" sein. Kennst du das?
 
Hi,

DieterI und angar haben Hunde mit Deprivationssyndrom.

Bei Caro steht nur ein Verdacht. Es gibt Symptome, die dafür sprechen und Symptome, die dagegen sprechen.
Caro kam vor etwa zwei Jahren im Alter von knapp vier Jahren zu mir und hat als Gebärmaschine ausgedient.
Spazieren gehen kannte sie nicht. Alles wurde angebellt. Von einen Baum hin bis zu einen Büschel Gras. Dies kann aber auch daran liegen, dass Caro sehbehindert ist.
Kommandos kannte Caro nicht. Sie musste erstmal lernen, was lernen ist. Über viel intensives Üben hat Caro gelernt, sich nicht auf die Umwelt, sondern auf mich zu konzentrieren. Merke ich, dass sie eine Situation überfordert (was mehrmals auf einen Spaziergang vorkommt), nehme ich sie ins "Fuß". Wenn sie mit mir arbeitet kann sie ganz gut die Umwelt um sich vergessen. Dies klappt natürlich nicht immer und manchmal bin ich einfach zu spät.

In der Wohnung ist Caro fast normal. Sie braucht keinen geregelten Ablauf des Tages. Dies spricht gegen das Syndrom. Sie wohnt bald zwei Jahre bei mir und dreht mindestens zwei Mal täglich durch, wenn die Kirchenglocken erklingen. Die Kirche ist keine 100 Meter von meinen Haus entfernt. Auch kann sie es überhaupt nicht ab, wenn draußen ein Hund bellt - ziemlich blöd, wenn der Nachbarshund viel draußen ist, direkt an einen Eingang zum Park wohnt und alles anbellen darf.

Caro kann in fremden Umgebungen auch ganz gut mitkommen - wenn andere Hunde dabei sind. Sie orientiert sich stark an andere Hunde, allerdings inzwischen kaum noch an meinen Ersthund. Außer Kiara zeigt etwas negatives an: dann ist Caro auch gleich mit von der Partie.

Mit Caro erreiche ich vieles mit Markertraining. Dennoch ist Caro nicht in der Lage draußen zu generalisieren.

Fahre ich mit ihr woanders hin, nehme ich eine Decke für Caro mit. Sie ist allerdings nicht in der Lage, von alleine auf die Decke zu gehen, sondern muss mit Kommando dort abgelegt werden, damit sie überhaupt zur Ruhe kommen kann.

Liebe Grüße
Isabell
 
Hallo Toucks,

ich kann nicht genau sagen, ob meine Ronja das Deprivationssyndrom hatte (habe das Wort heute zum ersten Mal gehört ;)). Wir nannten es immer einfach nur "schlecht sozialisiert".:zwinkern2:
Sie ist auf einem Bauernhof zur Welt gekommen, wo sie mit ihren Geschwistern ausschließlich in einer freien Box im Schweinestall lebte. Ihre Mutter wurde von dem Bauern, der auch Jäger war, jagdlich geführt. Menschenkontakt hatte Ronja wohl nur, wenn der Bauer zur Fütterung kam. Dazu kam, dass sie mit Abstand die kleinste und schwächste aus dem Wurf war.
Mit 12 Wochen kam Ronja zu uns (ja, wir sind auf diesen unseriösen "Züchter" hereingefallen...:verlegen1:). Wir haben uns mit der Sozialisierung viel Mühe gegeben, allerdings war ja ein guter Teil der Sozialisationsphase schon ungenutzt verstrichen. Dennoch konnten wir durch unsere Bemühungen vielleicht das Schlimmste noch "abfangen".
Ronjas "Symptome" waren teils ähnlich wie bei deinem Hund, allerdings weniger heftig. Gebissen hat sie nie jemanden, aber als junger Hund hat sie uns sehr häufig angeknurrt und auch geschnappt. Wir durften uns ihr nicht nähern, wenn sie irgendwo auf dem Fußboden lag, weil sie sich dann bedroht fühlte. Fremden Menschen gegenüber war dies natürlich noch viel ausgeprägter. Wir haben das weitgehend in den Griff bekommen, indem wir jedes Mal, wenn wir an ihr vorbeigingen, wie zufällig ein Leckerli fallen ließen. Außerdem haben wir natürlich auch sonst viel mit ihr gespielt und trainiert (auch in der Hundeschule), um eine Bindung zu ihr aufzubauen. Dadurch konnten wir mit der Zeit ihr Vertrauen gewinnen. Fremde Menschen mochte Ronja aber zeitlebens nicht. Sie hat gelernt, Fremde in ihrem Zuhause zu tolerieren und sich einfach rauszuhalten. Gefreut hat sie sich aber nie. Mit Menschen, die sehr regelmäßig zu Besuch kamen, wie z.B. meine beste Freundin oder mein zeitweiliger Freund, hat sie sich seeeehr langsam angefreundet. Sprich, nach mehreren Monaten durften sie sie streicheln, wenn Ronja von sich aus zu ihnen kam.
In ungewohnten Situationen oder hektischen Umgebungen war Ronja geradezu kopflos und es war kaum möglich, zu ihr durchzudringen. Sie beruhigte sich sehr schnell, wenn sie in diesen Situationen frei laufen und die fremde Umgebung selbstständig erkunden durfte. Ging das nicht (z.B. in einer Fußgängerzone) hielt der Stress permanent an. Für die Begleithundeprüfung meiner Hundeschule habe ich eine Zeit lang täglich das Durch-die-Stadt-Gehen geübt, und mit der Zeit wurde es etwas besser. Nach der Begleithundeprüfung waren wir zwei Wochen nicht in der Stadt, und danach waren wir wieder bei Null.
Anderen Hunden gegenüber war Ronja sehr aufgeschlossen und friedfertig, das war nie ein Problem. Ausnahme: Futter. Futter hat sie gegen alles und jeden verteidigt, an ihrem Napf stand sie immer mit eingeklemmtem Schwanz. Auch das konnten wir durch "Keiner nimmt dir hier was weg"-Training abmildern, aber richtig rausgekriegt haben wir das nie.

Geholfen hat uns, bestimmte Situationen, die Ronja zwingend meistern musste, ganz, ganz häufig zu üben. Am allerwichtigsten war es aber, unseren Frieden damit zu machen, dass Ronja nun mal so war, wie sie war. Als Ronja bei uns einzog - als mein erster eigener Hund - war ich 13, und ich hatte mir meinen Hund ganz anders vorgestellt. Ein Begleiter, die überallhin mitkommt. Ein Wesen, dass zu allen "Freunden" freundlich ist und alle "Feinde" in die Flucht schlägt, und das instinktiv "Freunde" von "Feinden" unterscheiden kann. Die naiven Vorstellungen eines Kindes eben.:zwinkern2: Als es dann mit Ronja so viele Probleme gab, hatte ich zunächst den Ehrgeiz, trotzdem diesen perfekten Begleiter aus ihr zu machen - egal, wie viel Zeit und Mühe das kosten würde. Irgendwann habe ich dann gelernt, zu akzeptieren, dass sie niemals diese Art von Begleiter werden kann. Gleichzeitig wurde mir aber auch klar, dass sie trotzdem auf ihre Weise mein perfekter Herzenshund ist. Ich glaube, das Wichtigste, wenn man so einen "schwierigen" Hund hat, ist, seinen Frieden mit der Situation zu machen. Als ich das geschafft hatte, hat Ronja mir unglaublich viel Freude und Glück beschert.

Viele liebe Grüße,
Amica
 
Einer meiner drei Hunde hat ein klares Deprivationssyndrom.

Fortschritte gab es schon, aber ich glaube, es liegt zum Großteil daran, dass ich reagiere, ehe er es tut. Mein Hund hat Probleme mit unbekannten Hunden und wenn man das weiß, muss man eben entsprechend vorausahnen, was er tun will und lange vor ihm reagieren.

Aber ich komme an der Leine entspannter an fremden Hunden vorbei, als noch vor Jahren. Sonst hat sich bei ihm aber nichts geändert in der Hinsicht. Damit muss man dann leben können.
 
Hey,

Also ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und das meiner Lola diagnostizieren, habe aber auch schon von mehreren Trainern diesen Verdacht gehört.

Meine Lola kommt aus Rumänien. Gefunden als einzelner Welpe auf der Straße und an der staupe erkrankt, dementsprechend die wichtigste Zeit ihres Lebens auf der Krankenstation. Mit 5 Monaten kam sie nach Deutschland. Und dann ziemlich schnell zu uns.
In der Wohnung war sie zu Beginn sehr unruhig. Hat nur schwer Ruhe gefunden, nach knapp 2 Jahren ist sie in der Wohnung wesentlich entspannter. ABER die kleinste Veränderung im Haus lässt die Anspannung wieder ausbrechen (wohnen in einen Mehrfamilienhaus mit insgesamt 8 Parteien). Sobald jemand neues einzieht gehen wir mit einen knurrenden Hund an der Leine durch den Flur. Nach wie vor nagt sie sich das Fell stumpf, zieht sich ihre Wolfskrallen in die Länge oder beißt sich in die Flanken, zwar nicht so stark, dass Verletzungen entstehen, aber normal finde ich das auch nicht.
Beim Spaziergang muss ich ständig auf der Lauer liegen, um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen. Menschen die am Fenster schauen, Mülltonnen die plötzlich woanders stehen, Menschen die plötzlich irgendwo herkommen, Motorräder, ach so ziemlich alles kann sie noch mehr verunsichern als sie eh schon ist. Am schlimmsten sind Hundebegegnungen ein riesen Getöse an der Leine, so schlimm, dass wir regelmäßig beleidigt werden von anderen Hundehaltern, sogar angespuckt wurden wir schon.....

Insgesamt waren wir bei 7 Hundetrainern. Alles in unserem nahen Umfeld kann man in die Tonne klopfen. Da musste sie unbedingt auf den Hundeplatz wo sich 20 Hunde aufgehalten haben und alle auch noch im Freilauf. Über Tage hatte sie ein hohes Stresslevel und ihr Verhalten gegenüber anderen Hunden wurde nur noch schlimmer, so dass sie sogar um sich biss. Nach 2 mal Hundeplatz haben wir es abgebrochen. Der letzte Trainer war über 150km entfernt..... Geht natürlich auch nicht jedes Wochenende.

Insgesamt muss ich sagen, dass wir schon große Fortschritte gemacht haben, beim Auto fahren ist sie mittlerweile total entspannt. Nur als Beispiel. Aber es gibt eben solche und solche Tage.
Wir bleiben dran, was will man auch sonst machen

Gesendet von meinem E5823 mit Tapatalk
 
Vielen Dank für eure Antworten und Erfahrungen, das ist sehr interessant!

Das Buch habe ich hier und auch schon gelesen :)

Klecks ist entspannter, wenn er einen geregelten Tagesablauf hat. Früher fing er an zu kreiseln, das kommt heute fast gar nicht mehr vor, da muss es schon etwas sein, was ihn extrem aus der Bahn wirft.
Ansonsten ist er drinnen toll, kann sehr gut allein bleiben, braucht allerdings gemäßigten Raum (ein Zimmer, das ganze Haus ist zu viel).

An anderen Hunden orientiert Klecks sich auch stark.
Er war bis vor 2 Jahren Einzelhund, seitdem der zweite da ist, wurde es nochmal um einiges besser. Er hat das sagen bei beiden, ist aber merklich unruhig, wenn wir ohne den Kleinen gehen.

Draußen ist es bei Klecks fast wie bei Caro.
Er braucht in gewissen Situationen quasi eine Aufgabe. Da er ein Balljunkie ist, hilft Ball tragen manchmal ganz gut aber auch nur, wenn die "Gefahrenquelle" nicht zu extrem ist.

Ich finde es oft nicht so einfach, sich so sehr auf den Hund und sein "Problem" einzulassen, zumindest fällt es mir schwer.
Der Blick muss immer und überall sein, ich scanne meine Umgebung, um Dinge vor ihm zu sehen. Das geht mittlerweile gut aber entspannt ist anders. Mittlerweile habe ich mich dran gewöhnt, ich weiß, dass es so funktioniert und er so auch locker Gassi gehen kann.
Seitdem mein Aussie da ist, empfinde ich Klecks als entspannter. Er wird nicht mehr in etwas gedrückt, was er nicht leisten kann (Gassi mit vielen Hunden/Menschen, in die Stadt gehen etc.).
Aber solche "Probleme" schweißen auch arg zusammen, finde ich :)
 



Hundeforum.com - Partnerseiten :
Heilkundeforum.com | Veggieforum.de | Herrchen-sucht-Frauchen.de

Hundeforum.com ⇒ Das freie & unabhängige Hundeforum unterstützen:

Zurück
Oben