Begriffe wie "Rudelboss" und "mein Rudel" sind für mich nicht schlimm. Dass für ihn "dominant sein" eine Rolle spielt, kann erstmal verschieden ausgelegt werden. Korrekt ausgelegt bedeutet "dominant sein" einfach, dass man als Mensch die wichtigen Entscheidung trifft und angemessen kontrolliert. Die Beziehung des Menschen zu seinen Hunden ist "formal dominant", kann und darf sich situativ aber verändern (agonistische Dominanz). Da Hunde genetisch darauf selektiert wurden, sich Menschen unterzuordnen und zum Beispiel Hundewelpen immer Menschen anstatt Artgenossen bevorzugen, ist Rangreduktion in der formalen Beziehung völlig fehl am Platz und bestenfalls eine Befriedigung des menschlichen Egos. Situativ kann es natürlich zu Situationen kommen, in denen man sich ohne Wenn und Aber durchsetzen muss.
Dass "der Rudelboss" sich stark von Cesar Millan hat beeinflussen lassen, ist unübersehbar.
"Rute hoch = dominanter Hund" ist aber Schwachsinn.
Ansonsten sagt er aber nicht nur Falsches. Wie das eigene Verhalten auch das des Hundes beeinflusst, kann jeder zu Hause selbst sehen und ausprobieren.
Im Grunde ist es richtig, dass ein Hund seine Bedürfnisse befriedigen muss und es ihm schwer fällt, sich zu konzentrieren, wenn diese nicht befriedigt sind. Was mir jedoch ein klein wenig an dieser Schilderung missfällt ist, dass davon ausgegangen wird, Hunde könnten keine Impulskontrolle erlernen und es sei "sinnlos", vor der körperlichen Auslastung etwas vom Hund zu fordern. Es ist auch deshalb realitätsfremd, weil nicht jeder vor seiner Wohnung direkt eine große Wiese oder einen Hundeauslauf hat. In der Regel geht man immer erst ein paar Minuten spazieren, bis man die Wiese oder den Auslauf erreicht und korrektes an der Leine gehen muss schon beim Hinweg klappen.
Klar, man kann seinen Hund vor der Arbeit müde machen. Das kennt man ja durchaus auch von Cesar Millan: Macht die Hunde so kaputt, dass sie keine Kraft mehr dafür haben, sich daneben zu benehmen.
Bei Frederik (schreibt man den so?) gehen Hunde an der Leine grundsätzlich bei Fuß und nie vor ihm, dürfen auch nicht stehenbleiben oder schnüffeln. Kann man halten, wie man will, ich finde es zumindest nicht negativ. Im Freilauf dürfen sie sehr viel und werden gut ausgelastet. Ich weiß, dass ich das mit meinem Rüden nicht könnte, weil er immer bereits auf den ersten Metern pinkelt und einen Haufen setzt. Mit Sheeva würde das eventuell klappen, aber ich glaube, es wäre ihr unangenehm, wenn sie nicht pinkeln dürfte, bis wir an der Wiese sind, obwohl sie muss. Aber er erklärt auch, dass er die Hunde kontrolliert an der Leine hält, damit andere Menschen sich wohler fühlen und als Sicherheit im Straßenverkehr. Beim Füttern belohnt er Blickkontakt, das finde ich eigentlich gut. Nicht gut finde ich, dass er seine Hunde wohl auf Spielplätze lässt.
Video "Den Hund korrigieren - Wie wird richtig korrigiert? Hunde brauchen Korrekturen"
Schon zu Beginn glaubt er, dass das Video kontrovers sein, Leute schocken und man ihn als Tierquäler bezeichnen wird. Warum? Es klingt für mich, als sei er selbst nicht ganz überzeugt von dem, was er tut, wenn er sich im Vorfeld dafür rechtfertigen muss.
Er sagt, Hunde korrigieren sich untereinander mit einem Biss. Nicht per se falsch, aber schöner wäre es, wenn er dabei auch erwähnen würde, dass es sogenannte "Eskalationsstufen" gibt und Hunde sich gegenseitig in der Regel erstmal mit Knurren oder Abschnappen korrigieren. Nicht neu ist auch die Aussage, man könne mit der Hand einen Hundebiss simulieren. Das kann man nicht. Finger sind keine Zähne, Menschen keine Hunde und ein kurzes Packen mit der Hand fühlt sich nicht genauso an, wie ein kurzer Biss. Ich bin den ewigen Hundebiss-Vergleich leid, weil das so einfach nicht korrekt ist. Ich selbst nutze diese Art von Korrektur auch nicht, unter anderem weil ich es für umständlich und nicht besonders alltagstauglich halte. Die meisten Menschen sind so groß und die meisten Hunde im Vergleich so klein, dass man sich dafür hinunterbeugen müsste. Bereits da geht wertvolle Zeit verloren. Dann auch noch die richtige Stelle zu erwischen bei einem Hund, der eventuell an der Leine herumhopst, ist ebenfalls schwierig. Insgesamt dauert es zu lang und ist zu wenig punktgenau, als dass ich das als universelle Korrekturmethode anwenden würde. Ein weiterer Punkt ist, dass ich schon sehr häufig miterleben musste, wie Hunde bei dieser Korrektur nach der Hand geschnappt haben. Es ist also auch für den Menschen keine unbedingt "sichere" Korrekturmethode. Jede körperliche Korrektur kann den Hund unter Umständen dazu animieren, zuzuschnappen, weswegen ich körperliche Korrekturen mit der Hand für ungeeignet empfinde.
Außerdem habe ich für mich selbst beschlossen, dass die Hand, die streichelt und füttert, keine Bedrohung darstellen soll. Ich habe zu viele Hunde, Pferde und auch Kinder kennengelernt, für die eine Hand eben auch bedrohlich wirkte, weil man sie zum Strafen benutzt hat. Sich wegduckende Kinder und Hunde und handscheue Pferde sind nicht schön anzusehen.
Die (aggressive) Fixierung eines Hundes zu unterbrechen, halte ich für wichtig. Das mache ich auch. Ich mache es halt nur nicht mit der Hand, sondern mit dem Bein. Mit Blocken verhindere ich, dass der Hund vorwärts geht und begrenze seinen Bewegungsradius, als Unterbrechung nutze ich einmal ein trainiertes Abbruchssignal, bei starker Erregung aber auch mal einen Schubs. Ja, ein Schubs ist nicht angenehm und sicherlich findet der Hund ihn doof, es tut ihm aber auch nicht weh und verhindert Schlimmeres, wenn aus dem Fixieren ein Grollen und schließlich ein Bellen und in der Leine hängen geworden wäre. Gleichzeitg kann man aber auch nicht immer jedem Konflikt aus dem Weg gehen. Ausweichen oder Umdrehen mag bequemer sein, löst aber meist das Problem nicht oder nur sehr langsam. Auch finde ich selbst, dass es nicht Sinn der Sache sein kann, den Hund immer nur vorbeizufüttern. Ich selbst finde, dass es durchaus in Ordnung ist, einen Hund zu korrigieren. Korrektur bedeutet aber nicht einfach nur ein Rüffel bei Fehlverhalten, sondern vor allem auch das direkte Verlangen des richtigen Verhaltens und das Belohnen dieses Verhaltens.
Ich finde es gut, dass er darauf eingeht, dass Korrekturen dem Verhalten angemessen und von Hund zu Hund individuell sein müssen, und dass unangemessen harte Korrekturen das Vertrauen des Hundes zerstören können. Nicht gut finde ich jedoch seine Erläuterung, dass "Härte" an bestimmte Rassen gekoppelt ist. Davon auszugehen, dass Molosser, molossoide Terrier oder Jagdhunderassen in einen "Modus" verfallen können, der harte Korrekturen notwendig macht, ist falsch. Denselben Schwachsinn hat Cesar Millan bereits vor Jahren gepredigt, indem er ebenfalls meinte, diese Hunde (Pitbulls) seien anders, hätten eine andere Art von Energie und wenn diese in ihren "Modus" fielen, kämen sie da alleine nicht mehr raus.
Ein bisschen Cesar-Millan-Sexismus bekommen wir dann auch von Frederik zu hören, der meint, eine zierliche Frau könne einen Rottweiler nicht angemessen korrigieren, weil der Hund zu kraftvoll ist. Nur mal nebenbei: In München auf der Hundewiese bin ich jeden Tag einer über 80 Jahre alten Oma mit ihren beiden Rottweilern begegnet. Ganz zu schweigen davon, dass Dominanzstrukturen unter Hunden nicht automatisch zugunsten des Stärkeren ausfallen.
Gefährlich ist auch die Implikation, dass die Leine oder das Halsband, sobald sie direkt hinter den Ohren am Genick liegen, keinen Schaden mehr verursachen würden. Denn sind Leine oder Halsband ganz oben am Hals befestigt, laufen sie quer über die Carotisarterien (Halsschlagadern) und liegen obendrein an der Unterseite des Halses auf dem Hals-Zungenbeinmuskel, der unter anderem zum Schlucken benutzt wird. Und natürlich kann man einem Hund auch dort oben sehr gut die Luft abschnüren - wahrscheinlich sogar noch besser, da gleichzeitig das Schlucken beeinträchtigt und die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn gedrosselt wird. Was dauerhafter Zug an dieser Stelle anrichten kann, demonstriert Cesar Millan eindrucksvoll in der 59-Sekunden-Szene, in der Huskyrüde Shadow kurz vor dem Ersticken war.
Ich empfinde ein spürbares Zupfen an der Leine nicht als schlimm. Es sollte aber nicht das Ziel haben, dem Hund stark unangenehm zu sein oder ihm sogar wehzutun. Gerade Leinenrucke bei gespannter und noch dazu recht dünner Leine direkt hinter den Ohren findet kein Hund schön, noch nichtmal, wenn nicht geruckt wird. Und unter Umständen wird dabei in den Hals-Zungebeinmuskel gedrückt, was durchaus wehtun kann und temporäre Schluckbeschwerden verursachen kann.
"Der Kick" - halte ich gar nichts von. Kraft und Geschwindigkeit sind in den Füßen ein wenig schwerer zu kontrollieren, direkt mit dem Fuß und den Schuhen würde ich niemals an meinen Hund gehen. Mit dem Hacken in die Flanke kann gefährlich sein und das aus vielerlei Gründen. Zum einen passiert die Korrektur hinter dem eigenen Rücken. Man sieht nicht genau, wo sie hingeht. Je nach Schuh kann die Hacke unangenehm bis schmerzhaft hart sein. Bei einem Treffer wird Druck auf den Bauchraum rund um Blase, Nieren und Darm ausgeübt, was sehr unangenehm ist (probiert es einfach bei euch selbst aus) und den Hund auch dazu veranlassen kann, nach vorne oder zur Seite auszubrechen - was wiederum einen Leinenruck nach sich zieht. Korrekturen sollten nicht so ausgeführt werden, dass direkt eine weitere, völlig unnötige Korrektur folgen muss, die man hätte verhindern können.
Auch in diesem Video wird pauschal davon ausgegangen, dass man nicht zum Hundehirn durchdringen kann, wenn er vorher nicht ausgelastet wurde. Als könne ein Hund sich nur auf eine Sache auf einmal konzentrieren und niemals auf zwei Dinge gleichzeitig. Mein Rüde kann gleichzeitig fressen und kacken. Your argument is invalid.
Korrektur muss unmittelbar erfolgen, da hat er recht. Der Aufbau der physischen Korrektur erfolgt natürlich genauso, wie der Aufbau einer Belohnung.
Dass Korrekturen "verschleißen" sollte aber nicht geschehen. Sollte es jemandem passieren, dass eine Korrekturmethode irgendwann keine Wirkung mehr zeigt, hat man Grundlegendes falsch gemacht. Man hat entweder nicht angemessen korrigiert, zur falschen Zeit oder hat einfach nicht darauf geachtet dem Hund beizubringen, dass unmittelbar nach der Korrektur ein Alternativangebot und bei Annahme dieses Angebots eine Belohnung erfolgt. Auch ist eine "Bisssimulation" sicherlich nicht die einzige Art, eine Korrektur auszuführen und es ist auch nicht die einzige Korrektur, die Hunde untereinander anwenden. Ich denke, dass man um unangenehme Reize zwar generell niemals komplett rumkommt, aber insgesamt halte ich es nicht für angemessen, auf jedes unerwünschte Verhalten mit physischer Korrektur zu reagieren. Zumal Frederik in diesem Video genau genommen keine Korrekturen vorstellt, sondern nur Strafen. Eine Korrektur schließt das Aufzeigen der richtigen Lösung mit ein.
Die Phrase, dass Hunde sich untereinander recht hart korrigieren ("Das geht schon ziemlich ab!") ist die von mir meistgehörte, stumpfsinnigste Rechtfertigung überhaupt, weil Hunde sich untereinander eben sehr vielfältig korrigieren. Sie korrigieren sich mit Knurren, Abschnappen, Ignoranz, Schulterstößen, Fixierung (zum Beispiel "umgekehrtes Aufreiten" und Festhalten des Halses zwischen den Vorderpfoten), Druck auf den Rücken, Zwicken, Beißen, auf den anderen Draufsetzen, Pfotenstößen, Wegschubsen, Bellen, Quietschen... Und in der Regel sieht das alles sehr heftig aus, aber passieren tut meist nicht viel. Ich weiß nicht, welche Erfahrungen andere gemacht haben, aber ich habe noch nie innerhalb eines Rudels gesehen, dass die Hunde sich so oft untereinander und so oft so physisch korrigieren, wie der Mensch den Hund korrigiert. Ich denke das liegt daran, dass Hunde sehr viel toleranter sind, als wir glauben und Fünf auch mal grade sein lassen können, während bei uns Menschen ein immenser Druck herrscht, den perfekten Hund zu erziehen, weil man Aggressionen, die natürlich und nicht zwangsläufig schädigend sind, komplett aus dem Sozialverhalten verbannen will, weil das sieht doch nicht schön aus, wenn da zwei Hunde mal eine Meinungsverschiedenheit haben. Der Beitrag von Bettina Bodner von "yourdog" trifft es ziemlich gut: "Wir mögen Hunde - solange sie sich nicht wie Hunde verhalten."
Dass es bei Dogo Canarios, Rottweilern, Dobermännern, Kangals, etc "knallen" muss, ist viel zu pauschal und kurzsichtig, weil es immer noch vom Hund als Individuum selbst und von seinem Grad der Erregung abhängt, ob es überhaupt und wie sehr es "knallen" muss - zumal man viele Situationen, in denen es "knallen" muss, von vornherein verhindern kann, indem man seinen Hund auch angemessen motiviert, mitarbeiten zu wollen. Klar, unschöne Situationen wird es geben und es wird vorkommen, dass man mal korrigieren muss, aber das soll nicht den Löwenanteil der Erziehung ausmachen. Wenn sein Hund "Cliff" auf eine Korrektur nicht reagiert, finde ich das insofern komisch, weil er doch sagt, dass er die körperliche Korrektur mit einem Signalwort aufbaut, das dem Hund bekannt sein sollte. Es ist also eine Doppelkorrektur aus verbalem und physischem Stimulus und ich gehe davon aus, dass er diesen Hund recht stark korrigiert, weil er "hart im Nehmen" ist. Nun, wenn meine Korrektur keine Wirkung zeigt und ich sie entweder ständig wiederholen oder sie immer härter werden muss, was soll das Ganze dann? Wenn der Hund den Zusammenhang nicht begreift, wird das auch nicht besser, wenn man härter draufhaut. Darum finde ich Motivation so wichtig und darum sollte korrigieren nicht einfach heißen, dass man den Hund nur bestraft, sondern dass man ihm aktiv Wege zeigt, sein Verhalten so zu ändern, dass es uns gefällt und sich für ihn lohnt.
Insgesamt finde ich die Präsenz des "Rudelbosses" irgendwo ein bisschen tragisch, weil man schon ein totaler Blödkopf sein muss, um nicht zu erkennen, dass sich sein Denken und Tun fast ausschließlich an Cesar Millan orientiert. Und das, obwohl er das nicht müsste! Er kann eigentlich mehr, er versteht auch die Zusammenhänge, er erkennt das große Ganze im Grunde richtig, ist aber in seinem Handeln so stereotyp und festgefahren, dass es mir fast leidtut. Könnte er sich von dieser CM-Orientierung losreißen, sein Wissen nochmal um ein gutes Stück erweitern und auch die strategische Arbeit mit positiven Verstärkern in sein Trainingsrepertoire aufnehmen, wäre er doch eigentlich ganz ordentlich und um einige Kompetenzen reicher.