Erst einmal kommt es immer darauf an, über wie viele Generationen man den Inzuchtgrad berechnet.
Manche sagen, es sollten so viele wie möglich sein, andere sagen, 5 reichen.
Und tatsächlich denke auch ich, dass 5 Generationen in der Regel ausreichend sind - so wurde es mir auch bei einem Genetikseminar erklärt.
Denn wenn man mal genauer schaut, ist selbst bei uns Menschen die Hochzeit von Cousin und Cousine jeglichen Verwandtschaftsgrades nicht verboten. Bei Cousins ersten Grades wäre da eine Doppelung in der 3. Generation. Bei Cousins von weiter entfernten Verwandtschatsgraden wären die in der 5. Generation, vielleicht noch in der 6. Generation. Aber das ist dann schon eine recht mäßige Inzucht. Rechnet man also über 5 Generationen, kann man also richtige Inzucht durchaus ausschließen. Alles was sich weiter hinten mal doppelt, spielt dann kaum noch eine Rolle. Das wäre bei uns Menschen auch völlig uninteressant.
Durch Inzucht holt man sich nicht nur tolle Gene ins Haus (wäre ja toll, dann würde es nur noch Inzucht auf der ganzen Welt geben). Es gibt genügend Erkrankungen die nicht dominant sind, wenn sie nur auf 1 von 2 Allelen liegen. Züchtet man die Gene auf Gleichheit runter, ohne Vielfalt, holt man sich schnell 2 defekte Allelen ein und schwupps, ist die Erkrankung dann dominant.
Das kann zwar toll sein, wenn man dadurch eine Erkrankung rechtzeitig erkennen und ausschließen kann, wenn die Erkrankung aber auch Generationen überspringt, ist das nicht mehr so schön. Z.B. hat ein Rüde aus Linienzucht an etliche seiner Nachkommen Epilepsie weiter gegeben, ohne selbst zu erkranken. Das Problem war, dass die Epilepsie erst zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr auftrat, da hatten sich aber schon einige der Nachkommen weiter vermehrt. Dann wurde etwas nachgeforscht und es stellte sich heraus, dass mind. noch ein Rüde aus dieser Zuchtstätte Epilepsie weitergegeben hat. Das kann dann echt blöd laufen.
Gene mutieren ja durchaus auch mal positiv oder eben negativ. Und wenn dann kaum noch Vielfalt vorhanden ist um das etwas auszugleichen, ist das halt Mist.
D.h. durch Inzucht kann man Merkmale in beide Richtungen steigern - es kann zu zur Verbesserung eines Merkmals führen (z.B. bessere Wachsamkeit für den Polizeihund) aber eben auch zur Verschlechterung (z.B. Festigung einer Krankheit durch Festigung mutierter Erbanlagen).
Noch dazu kommt, dass Inzucht/Linienzucht (ist das Gleiche) und der Verlust von Genvielfalt auch sehr häufig mit dem Verlust von Vitalität einhergeht, meist halt sehr schleichend - kürzere Lebenserwartung, häufiger Erberkrankungen und schlechtere Widerstandskraft gegen Erkrankungen, schlechtere Fortpflanzung bis hin zur Unfruchtbarkeit.
Das bezeichnet man auch als umgekehrten Heterosiseffekt.
Ich selbst züchte auf Gesundheit, Wesen (Arbeitseifer) und Aussehen - in ebendieser Reihenfolge.
Mir ist das Risiko von Inzucht einfach zu hoch - der Nutzen wiegt die Risiken nicht aus.
Deshalb ist für mich Inzucht, ob mäßig oder eng, eh ausgeschlossen, auch wenn ich nicht garantieren kann, dass jeder meiner Welpen gleich toll schwimmt oder apportiert oder gleich aussieht.
Ich halte die Genvielfalt einfach für zu wichtig, damit meine Welpen möglichst fit, vital und widerstandsfähig sind.
Neben dem Inzuchtgrad sollte man auch immer den Ahnenverlust betrachten - je höher der Inzuchtgrad, desto schlechter, je höher der Ahnenverlustkoeffizient, desto besser.
Der Inzuchtgrad berechnet, in wieweit die Elterntiere miteinander verwandt sind.
Der Ahnenverlustkoeffizient berechnet, wie viele Ahnen denn insgesamt überhaupt doppelt ist.
Es kann nämlich sein, dass die Elterntiere überhaupt nicht miteinander verwandt sind und die Welpen haben einen Inzuchtgrad von 0. Aber jedes Elterntier ist in sich so ingezüchtet, dass sie zusammen kaum verschiedene Ahnen vorweisen können und der Ahnenverlust liegt dann bei 60,89 (er sollte laut Genetikseminar möglichst nicht unter 85 liegen).
Ich achte darauf, dass der Inzuchtkoeffizient meiner Verpaarungen über 5 Generationen nicht über 1% liegt - das ist nichts (tatsächlich lag ich bisher immer bei 0,2 und 0,4%). Der Ahnenverlust lag bei mir noch nie unter 96, eher 98-100.
Zum Vergleich:
Bei mässiger Inzucht liegt der IK bei miteinander entferntesten Cousins bei 1,56 (da würde bei uns Menschen kein Hahn nach krähen) bis zu einem Wert von über 3.
Da bin ich jetzt zwar kein Riesenfan von, aber das ist noch im Rahmen.
Bei enger Inzucht liegt der Wert zwischen über 6 und über 9 - das sind dann Verpaarungen mit Tieren im 3. und 4. Verwandschaftsgrad, wie z.B. Cousins ersten Grades.
Die heftige Inzucht nennt man Inzestzucht und ist hier in D so erstmal gar nicht erlaubt, zumindest nicht mit Vollgeschwistern oder Eltern x Kind. Da beträgt der IK dann 25% und kann runter gehen bis auf 12,5, das wären dann Verpaarungen wie Großeltern x Enkel oder 2fache Cousins ersten Grades. Für die braucht man dann in der Regel eine Genehmigung.
Im Ausland kann das halt anders sein. Da ist bei meiner Rasse in manchen Ländern auch Inzestzucht mit Geschwistern und Co erlaubt. Und wenn so ein Hund dann nach D kommt kann er hier durchaus auch die Zuchtzulassung bekommen, wenn er in seinem Land eben nach den dort vorkommenden Regeln gezüchtet wurde. So einen hatte wir mal hier - sehr hübscher Kerl, aber Inzestzucht vom Feinsten.