In meinem Leben kam schon immer alles anders
Unsere erste Familienhündin sollte ein Tierheim-Goldi und ein Rüde werden.
Nicht mehr allzu jung, robust, "kinderfreundlich".
Meine Mutter lehnte am Gitter eines vermeintlich leeren Zwingers und wurde davon überrascht, dass ihr plötzlich die Hände abgeschleckt wurden.
Es wurde eben diese Mix- Hündin aus einem Versuchslabor in Gran Canaria mit geschätzten 1000000000 Macken und Traumata.
Meine erste eigene Hündin sollte einem Tierheimwurf entspringen.
Zwei Tierheime waren in die engere Wahl gekommen, denn die Mixe durften nicht allzu groß werden.
Wegen eines Fotos in unserer Online- Lokalzeitung kontaktierte ich zusätzlich parallel eine Dame, die einen Dackel- Mix abzugeben hatte.
Äußerst zwielichtige Infos, manchmal kann man aber wegen eines Bildes nicht schlafen und so beschlossen wir, am folgenden Wochenende nach MeckPomm zu fahren und uns Hund und Umstände dort einfach anzuschauen.
Das ging aber der damaligen Besitzerin nicht fix genug, also bot sie kurzerhand an, den Hund direkt am kommenden Tag vorbeizubringen.
1000 Dinge gingen mir durch den Kopf... allen voran die böse Vorahnung, dass dieses arme Wesen mit seeehr hoher Wahrscheinlichkeit an irgendwelche wesentlich schlechteren Hundehalter geraten würde und tja, da hab ich zugestimmt.
Die Nacht konnte ich nicht schlafen, weil ich Schiss hatte. Was, wenn es nicht passt, KÖNNTE ich dann überhaupt noch "Nein" sagen?
Und das schlechte Gewissen... würde ich profitgeilen Hundehändlern gerade wieder bestätigen, dass sich ihr Geschäft lohnt?
Aber wie profitorientiert kann jemand sein, der seinen Hund knapp 200 km in einem alten Kombi chauffiert?
Ich befürchtete einen riesigen Fehler begangen zu haben, konnte aber auch nicht anrufen und absagen.
Dann war sie da. Sehr klein. Außerordentlich fett. Von oben bis unten vollgekotzt. Unsicher, aber mit einem Mut... Die Besitzer waren ihr total egal. Sie hat sich sofort zu mir gelegt. Da saßen wir. Auf meinem Küchenfußboden. Ein klitzekleines, stinkendes Knäuel auf meinem Schoß...
Mein Helferkomplex war größer als die Vernunft.
Im Nachhinein war es absolut die richtige Entscheidung!
Sie ist mein Seelenhund.
Meine "Fellfreundin".
Mein Leben.
Dass ich möglicherweise geldgierige Händler unterstützt habe, ist mir bewusst und sowas werd ich auch nicht noch einmal mitmachen... aber so, wie es damals war, war es richtig für uns alle.
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Nach 2 Jahren Hundehaltung kam ich an den Punkt, dass ich einem weiteren Hund ein schönes Zuhause schenken wollte.
Die Umstände waren so perfekt.
Mein damaliger Freund und ich haben diese Entscheidung gemeinsam getroffen. Es sollte ein holländischer Schäferhundwelpe werden.
Vom seriösen Züchter. Sehr wenige werden produziert und wenn, dann auch in der Regel zu Leistungszwecken.
Hervorragend.
Wunderschöne Tiere! Wir hatten uns vorgenommen, ungefähr ein Jahr lang zu sparen und zu suchen, mit Züchtern in Kontakt zu treten und dann zu reservieren. Ich hatte es weißgott nicht eilig!
Wieder kam alles anders. Eine Langzeituserin eines sehr großen Hundeforums, in dem ich mich seit 2 Jahren bewegte, war gerade Pflegestelle für einen jungen Rüden geworden.
"Schäferhundmix" - er sah genau so aus, wie ein junger holländischer Schäferhund.
Ich war hin und weg. Wirklich hin und weg.
Die Userin war vertrauenswürdig, Moderatorin in dem Forum, man hatte bereits seit Jahren Kontakt, vorallem wegen der Hundeernährung, sie war äußerst präsent und allen "bekannt" in diesem Forum, Bilder und Berichte sprachen Bände und so verließ ich mich auf all die Infos aus erster Hand.
Ich stellte tausend Fragen, wir telefonierten, ich besprach alles mit meinem Freund und meiner Tierärztin über ein paar Wochen.
Dann stand fest: Ich fahre nach Süddeutschland und schau mir das Tier an.
...
Jep. Den nehm ich mit.
Mit 7 Monaten schon über 65cm, extremst dürr, wunderschön. Wir vermuteten Schäferhund und Windhund.
Nein, wie sich Monate später herausstellte, wusste die Vorbesitzerin sehr wohl, dass es sich um einen Herdenschutzhundmix handelt.
Wurde aber verschwiegen. Vermutlich auch der Pflegestelle.
Ich bin selbst drauf gekommen. Dieser Hund hatte so viele Macken, so viele Unsicherheiten, Wesenszüge, die ich nicht kannte, also hab ich dieses Tier genauestens analysiert und es konnte nur ein Herdenschutzhund drinstecken.
Wurde dann ja auch bestätigt.
Im Nachhinein wurde mir vom gesamten Forum vorgeworfen, ich mache meinen Hund kaputt, weil ich ihn so kaputtanalysiere. Ich solle ihn einfach nur Hund sein lassen, dann würde er sich schon einkriegen.
Er hatte einen Zusammenbruch.
Der Stress in der Stadt, er kam langsam an bei uns und Ängste wurden sichtbar, er war ein Stressi. Hochsensibel. Das Stadtleben war zu viel für ihn.
Zu viele Eindrücke.
Zu viel Lärm.
Zu wenig Platz.
Eine Fliege hat bei ihm eine Ansgststörung ausgelöst. Er kam nicht mehr klar. Schnappte ununterbrochen in die Luft. Versuchte sich unters Bett zu verkriechen. Es hat viel Mühe, Zeit und Einfühlungsvermögen gekostet, ihn runterzukriegen.
Im Nachhinein stellte sich auch heraus, dass dieser Anfall auch nicht der erste war.
Auch wurde mit der Zeit klar, dass er von der Vorbesi abgegeben wurde, weil er so "anders" war, nicht so einfach mit Druck erziehbar, wie ihr anderer Hund. Sie kam nicht weiter mit ihm.
Bei uns machte er Fortschritte, ich hatte es, nachdem ich ihn verstanden hatte, zu einem ansehnlichen Gehorsam und zu einer immer fester werdenden Bindung gebracht.
Aber.
Er litt. Egal, was ich tat, er litt.
Ich musste jede Sekunde meiner freien Zeit dafür opfern, Orte aufzusuchen, die ruhig waren, weit waren.
Mir fehlten die Mittel, mir fehlte die Zeit und dann ging mein damaliger Freund.
Ich war allein mit einem Jagdhund und einem akuten Stressi.
Dann kam mein Zusammenbruch und ich entschied, dass er gehen musste.
So kam wieder alles anders, als man dachte.
Und auch hier denke ich, dass es richtig war für uns alle.
Sowohl, dass er kam, als auch dass er ging.