Was mache ich falsch? // Hund ständig gestresst

Emmi

Gast
Hallihallo an alle,

ich habe mich hier angemeldet, weil ich einige Probleme mit meiner einjährigen Junghündin Bella habe.
Das offensichtlichste Problem ist ihre Leinenaggression. Wenn sie einen anderen Hund sieht, regt sie das furchtbar auf.
Auch die Leinenführigkeit ist so eine Sache. Oft zieht sie und ist geradezu konfus an der Leine.
Beide Probleme haben wir von Zeit zu Zeit gut im Griff und trainieren seit sie bei uns ist (Mai 2020) durchgehend daran. Deshalb glaube ich nicht, dass unsere Methodik das Problem ist.

Alle Probleme führe ich eigentlich darauf zurück, dass sie unheimlich schnell hochfährt und aufgeregt/gestresst ist.
Wenn ich am Anfang des Spaziergangs schon merke, dass sie unheimlich aufgedreht ist, ist es natürlich klar, dass das mit den Hundebegegnungen nichts werden kann.
Alles mögliche regt sie auf: Wenn wir an einem anderen Ort spazieren gehen als sonst, wenn mehr als eine Person mit ihr geht, wenn sie andere Hunde sieht, oft ist auch gar kein Grund erkennbar.

Da sie so dermaßen schnell hochfährt, fällt es uns sehr schwer, sie ausreichend auszulasten. Ich denke, da könnte vielleicht das Problem liegen.
Apportieren und alles, was ansatzweise mit Geschwindigkeit zu tun hat, geht gar nicht.
Was wir gerne machen, ist Nasenarbeit. Das funktioniert einigermaßen gut, an schlechten Tagen kann aber selbst das sie hochdrehen. Ich verstecke dann auf dem Spaziergang Futter (das mache ich immer wieder zwischendurch, auf jedem Spaziergang) oder Gegenstände. Daheim verwende ich oft den Schnüffelteppich.
Wir gehen eigentlich auch einmal die Woche mit ihr trailen, da hat uns jetzt aber seit Dezember Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Unser Alltag sieht wie folgt aus:
Morgens nach dem Aufstehen ca. 40-45 Minuten Spaziergang, meist geht da mein Mann. Wir wohnen in der Stadt, da geht sie dann an der normalen Leine durchs Wohngebiet bis zum Fluss. Manchmal darf sie da dann mit Hunden spielen, wenn es sich ergibt.

Dann soll sie entspannen, darauf achten wir. Sie liegt dann tatsächlich die meiste Zeit rum. Allerdings habe ich einen zweijährigen Sohn, der natürlich schon mal Lärm macht oder zu ihr hingeht, wenn sie im Körbchen liegt (versuche ich zu unterbinden, aber manchmal ist er schneller als ich).

Nach dem Mittagessen gehe ich mit ihr in den Wald, dahin müssen wir 7 Minuten Auto fahren. Das findet sie nicht so toll.
Da ist sie die ganze Zeit an der Schleppleine. Hundebegegnungen vermeide ich da eher (wenn es geht).
Da verstecke ich ihr wie gesagt ab und zu was, wir üben etwas Bei Fuß, Rückruf usw. Manchmal ist sie super ansprechbar, manchmal ist sie aber auch voll aufgedreht und will selbst an der 15-Meter-Schleppleine ziehen.

Dann ruht sie sich wieder aus.
Abends geht mein Mann dann noch eine kürzere Runde durchs Wohngebiet, so 20 Minuten.

Tut mir Leid für den langen Text, ich weiß gar nicht, ob jemand Lust hatte, sich das jetzt alles durchzulesen.

Habt ihr Ideen, wie ich meiner Hündin zu mehr Ruhe verhelfen kann? Wie kann ich sie besser auslasten?

Vielen Dank schon einmal!

Emmi
 
Das liest sich so, als dürfte der Hund sich gar nie mal so richtig austoben? Also ganz ohne Leine einfach nur so zum Spaß richtig rennen? Da hätte ich als Kind durchgedreht, mein Jungpferd damals auch, und der 6-monatige Barsoi-Welpe, den ich gerade habe, erst recht. Der liegt übrigens gerade bewegungslos auf der Couch (im Wesentlichen seit gestern abend, bis auf kurze Ausflüge um sich zu lösen) - nachdem sie nachmittags ein paar km im gestreckten Galopp zurückgelegt hatte (mehr als normalerweise, weil es vorgestern eher weniger war). (Uns fällt gerade der Himmel auf den Kopf, nachmittags soll die Sonne rauskommen. Da brauchen wir jetzt nicht riskieren, beim Luft holen zu ertrinken.)

Immer nur entspannen geht meiner Meinung nach nicht, schon gar nicht mit einem Junghund.

Das war gerade mein spontanes Gefühl. Aber mir fällt ein, dass ich ein bisschen biologisches Hintergrundwissen habe: Bei Aufregung/Angst schüttet der Körper Adrenalin aus, um besser kämpfen/flüchten zu können. Was der Hund an der Leine (oder der Schüler an der Tafel, der vom Vorgesetztern abgekanzelte Angestellte) aber beides im Moment nicht kann/darf. Bei intensiver körperlicher Bewegung wird Adrenalin gut abgebaut. Ich denke, deshalb wollte Rika nach einem Ausflug in die Stadt erst mal so richtig im Garten toben, bevor sie sich wieder auf dem Sofa entspannt hat (und deshalb finde ich, dass in jede Firma ein Sandsack gehört...)

Welche Rassen könnten übrigens drinstecken in Bella, wie ist sie gebaut (leicht, massiv...) und wie groß?
 
@Kade1301 Vielen Dank für deine schnelle Antwort!
Ganz so ist es auch nicht. Wie gesagt darf sie morgens von der Leine, wenn es die Situation es zulässt. Wir wohnen leider in der Stadt und da sind natürlich auch Radfahrer, Jogger, Kinder usw. unterwegs und vor allem angeleinte Hunde. Da lasse ich sie dann nur von der Leine, wenn nicht viel los ist oder wenn andere spielwillige Hunde da sind.
Sonntags gehen wir immer auf eine Hundewiese, wo wir uns mit Bellas bester hündischen Freundin treffen :)
Da machen die zwei die Hundewiese unsicher und haben einen riesen Spaß.
Aber natürlich hast du recht, das ist eben genau das Spannungsfeld in dem ich mich bewege.
Ich würde ihr gern mehr Rumtoben ermöglichen, aber sie ist einfach so zügellos und nicht mehr 100%ig kontrollierbar, wenn ich sie ableine.
und ich möchte ja auch nicht, dass sie einfach in Vollspeed auf andere (evtl. sogar angeleinte) Hunde zurennt, sie bringt auch in "Hunderunden" unfassbar viel Hektik.
Im Wald ist sie mir gestern abgehauen, das war die schlimmste halbe Stunde überhaupt :(
Das ist wohl ein weiteres Problem, dass sich jetzt dazugesellt: Jagen.
Dann habe ich noch versucht, mit ihr zu Wiesen/Feldern zu gehen, wo nicht viel los ist. Da ist sie aber am aller wenigsten ansprechbar, weil sie sich dann wie verrückt über Mäuselöcher hermacht.
 
Ach ja wegen den Rassen:
Ich habe jetzt tatsächlich so einen DNA-Test weggeschickt, bin aber nicht ganz so zuversichtlich, dass da was rauskommt. Könnte mir vorstellen, dass sie eine wilde Mischung aus Generationen von Straßenhunden ist.

Sie ist etwa 50cm hoch, aber sehr zierlich. Das macht sie natürlich auch superschnell und flink. Sie hat einen eher schmalen, kleinen Kopf und Stehohren. Sie ist schwarz mit weißen Abzeichen.
 
Die Lösung bei so leicht gestressten/überdrehten Hunden ist selten „einfach mal austoben lassen“, sie spüren oft die eigenen Grenzen nicht und überdrehen maßlos anstatt nach dem Toben relaxed aufs Sofa zu fallen.

Meines Erachtens ist es zielführender auf Dauer eine richtig gute Kombination aus körperlichem Auspowern, geistiger Auslastung, Ruhe im Alltag, Gewöhnung an aufregendes usw. zu finden. Aber das braucht natürlich viel Zeit, Nerven, Fingerspitzengefühl. Und gerade jetzt in der Pubertät ist es einfach am schwierigsten.

Ich persönlich würde zunächst:
- bei den Spaziergängen ruhiges Verhalten, und Orientieren an dir, Blickkontakt immer belohnen
- viel Routine und Struktur im Alltag, das gibt Sicherheit
- bei bestimmten Situationen (z.B. der siebenminütigen Autofahrt) erst aussteigen lassen, wenn Ruhe eingekehrt ist. Auch wenn du dazu 15 Minuten mit ihr im geöffneten Kofferraum sitzen musst, einen nervös hektischen Hund würde ich nie einfach in den Wald starten lassen; jetzt wo Jagdtrieb erkennbar ist, auf jeden Fall die Schlepp dranlassen
- den Alltag einfach relativ unaufregend gestalten, gleiche Gassirunden usw. und hin und wieder dann an guten Tagen eine neue Runde/Situation einüben

Die Rasse/Mischung fände ich auch interessant und parallel natürlich an Leinenführigkeit und Leinenaggression üben. Wie trainiert ihr hier?
 
@AussiedorA
Danke für deine Antwort! Du beschreibst so ziemlich unsere bisherige Vorgehensweise. Nur hab ich eben das Gefühl, dass das Gleichgewicht zwischen körperlicher und geistigen Auslastung und Ruhe noch nicht ganz stimmt. Hast du noch Ideen für die geistige Auslastung?
Sachen, die man gezielt üben kann, klappen meistens schon ganz gut. Z.b die Kofferraumsituation haben wir super im Griff. Sie darf nie ohne meine Aufforderung raus und hält sich daran auch gut. Das heißt aber nicht, dass sie dann auch gechillt in den Spaziergang startet.

Leinenführigkeit trainieren wir, indem wir stehen bleiben, sobald sich die Leine spannt. Geht sie hingegen locker neben mir, gibts Goodies.
Leinenaggression: Abstand halten, sodass sie nicht "auslöst" und Alternativverhalten belohnen. Das Alternativverhalten ist Sitz, das klappt am besten. Sie orientiert sich zur Zeit ganz gut an mir in diesen Situationen und wir konnten den Abstand schon verringern. Aber da gab es in der Vergangenheit schon viele Auf und Abs. Wir waren schon mal recht weit und dann wurde es plötzlich wieder ganz schlimm.
 
Zuhause ist sie aber soweit ruhig wie ich das lese?
Das hört sich für mich dann eher nicht nach einem dauergestressten Hyperaktiv-Hund an.

Die Situation draussen zu sein stresst sie. Das wird ja auch angedeutet weil sie jede Form von Veränderung zusätzlich stresst.
Was ich persönlich finde. Lediglich 1x die Woche ein freies Spiel mit einem bekannten Hund ist sehr wenig sozialer Kontakt.

Ich kenn euer Umfeld und eure Möglichkeiten nicht aber das würde ich deutlich ausweiten. Nur um mal ein Verhältnis zu sehen. Als mein Hund im selben Alter war, waren wir täglich mit anderen Hunden unterwegs und dann auch nicht dieselben sondern immer wechselnde. Über den Daumen gepeilt waren das 50-60 bekannte Hunde die wir häufig wöchentlich getroffen haben + nochmal gut und gerne 20-40 weitere Hunde jede Woche bei denen es bei einem einmaligen Kontakt blieb (unsere bevorzugte Runde startete neben einem Campingstellplatz der zur damaligen Zeit intensiv von Campern mit Hund frequentiert war weil sich das per Mundpropaganda herum gesprochen hatte wie toll es da für Hunde ist).

Ausnahme waren nur die Tage wo wir in der Hundeschule waren, wobei man da ja auch wieder mit anderen Hunden zusammen war.

Das ist mit Sicherheit das andere extrem. Vernünftig wäre irgendwo etwas dazwischen. 😉
Täglich oder spätestens jeden zweiten Tag sollte schon ein intensiver Kontakt mit 1-2 Hunden sein.
Und ab und zu darf es auch mal ein neuer sein. Wir wollen ja auch nicht tagein-tagaus immer nur mit denselben 2-3 Menschen zu tun haben.

Wie gesagt ich glaube nicht das die Hauptursache die Auslastung ist sonst wäre es zuhause auch anders.

Von daher find ich das von @AussiedorA beschriebene vorgehen, wie ihr es wohl schon handhabt, eigentlich am sinnvollsten. Klar ist sowas geht nicht über Nacht. 1jähriger Hund heißt vergleichbar mit einem jungen Teenager. 13-14 Jahre. Es könnte sich auch um eine altersbedingte Angstphase handeln. Dran bleiben. Geduldig sein. Keinen zusätzlichen unnötigen Druck aufbauen. Verständnis zeigen ohne es zu belohnen.

Sinnvoll ist auch immer einen Trainer vor Ort drauf schauen zu lassen. Man hat den geschulten Blick von außen. Gerade wenn es nicht wenige Situationen gibt wo euch überhaupt kein Auslöser auffällt.
 
Oft ist es auch das gestresste, unsichere oder aufgeregte Verhalten des Hundebesitzers, das sich auf den Hund überträgt. Da denkt der HB, jetzt kommt schon wieder ein Hund und der Stress wird gleich wieder los gehen. Der HB stellt sich auf die Situation ein und der Hund spürt die Gemütslage des HB und reagiert eben mit diesem Verhalten.
Früher gab es mal ein Sprichwort, dass nicht nur auf HB zutrifft "Wie der Herr, so das Gescher". Was bedeutet, dass sich das Verhalten des HB auf den Hund überträgt.
 
Alle Probleme führe ich eigentlich darauf zurück, dass sie unheimlich schnell hochfährt und aufgeregt/gestresst ist.

Aufgeregt und gestresst sein ist kein Wesensmerkmal, sondern ein Symptom für eine mangelnde Sozialisierung, Erziehung, Haltung.

Dann soll sie entspannen, darauf achten wir.

Du kannst keinen Deckel auf einen Topf legen, wenn der Inhalt vor Energie am überschäumen ist. Zu Hause ist sie gezwungenermaßen ruhig, draußen zeigt sich die angestaute Energie.
Ein ausgeglichener Hund entspannt sich von allein.

Was wir gerne machen, ist Nasenarbeit. Das funktioniert einigermaßen gut, an schlechten Tagen kann aber selbst das sie hochdrehen. Ich verstecke dann auf dem Spaziergang Futter (das mache ich immer wieder zwischendurch, auf jedem Spaziergang) oder Gegenstände. Daheim verwende ich oft den Schnüffelteppich.

Das ist eine Ersatzbeschäftigung für die fehlende körperliche Bewegung, das freie Erkunden.

Habt ihr Ideen, wie ich meiner Hündin zu mehr Ruhe verhelfen kann? Wie kann ich sie besser auslasten?

Das Problem ist nicht die Hündin.
Du hast in keiner Situation wirklich Einfluss auf die Hündin. Das ist das Problem. Sie orientiert sich nicht an dir.
Du versuchst mit Methoden Probleme "in den Griff" zu bekommen, die sie bei einem anderen Hundehalter wahrscheinlich nicht hätte.

"In den Griff bekommen" heißt ständige Kontrolle, dass die Situation nicht entgleitet.
Das ist keine Lösung, sondern eine Kontrolle der Probleme.

Nach meiner Ansicht musst du an dir selbst arbeiten.
Die Hündin braucht eine souveräne Führung, an der sie sich gerne und freiwillig orientiert.
Das Ziel sollte sein, dass du ohne jedes Hilfsmittel (Leine, Leckerlie, Kommandos, Erziehungsmethoden) eine Verbindung zu deiner Hündin hast.

Das kannst du z. B. in einem umzäunten Hundeauslauf üben oder in der Natur fernab von Straßen.
Der Fokus liegt dabei auf dir selbst. Dir muss es gelingen, eine Verbindung zu deiner Hündin zu halten ohne Leine und Leckerlies.
 
Zuhause ist sie aber soweit ruhig wie ich das lese?
Das hört sich für mich dann eher nicht nach einem dauergestressten Hyperaktiv-Hund an.
Inzwischen, ja.
Als wir sie bekommen haben, hatte sie keine Beißhemmung und hatte mehrmals täglich einen Rappel. Sie war kaum zu bändigen, hat sich in Hände und Beine verbissen und ist wie wild durchs Haus gerannt.
Auch auf Geräusche draußen hat sie sehr reagiert.
Das haben wir aber inzwischen zum Glück im Griff.

Lediglich 1x die Woche ein freies Spiel mit einem bekannten Hund ist sehr wenig sozialer Kontakt.
Da hab ich mich vielleicht falsch ausgedrückt.
Jeden Morgen besteht die Chance auf Spielen mit Hunden, aber das kommt nicht jeden Tag zu Stande. An manchen Tagen schon. Manchmal sind welche da, die sie kennt. Manchmal (seltener) unbekannte Hunde.
Beim Mittagsspaziergang versuche ich es eher zu vermeiden, aber wenn es sich ergibt darf sie da auch mit anderen unbekannten Hunden spielen.
Jeden Samstag gehen wir mit dem Nachbarshund spazieren. Da dürfen die zwei dann auch von der Leine, wenn wir an der Wiese angekommen sind.
jeden Sonntag treffen wir an der Hundewiese (die ist riesig) ihre beste Hundefreundin. Die zwei zusammen mischen dann zusammen so ziemlich alle Hunde auf, die vorbeikommen. Da wir immer um die gleiche Zeit gehen, treffen sie da oft auf bekannte Hunde, es sind aber auch immer neue dabei.
Sinnvoll ist auch immer einen Trainer vor Ort drauf schauen zu lassen. Man hat den geschulten Blick von außen. Gerade wenn es nicht wenige Situationen gibt wo euch überhaupt kein Auslöser auffällt.
Eine Trainerin habe ich eigentlich, aber wegen Corona durften wir länger keine Stunde buchen.
Die ist übrigens ganz gegen die Hundewiese und Kontakte mit fremden Hunden ;)
 



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