Vertrauen gewinnen - was mache ich mit einer extrem scheuen Findlingshündin

Liebe Hundefreunde und hoffentlich auch Experten,

ich habe mich gerade im allgemeinen Forum vorgestellt als hilfsbedürftig in Bezug auf ein Mitglied einer kleinen Hundegruppe, die ich seit fünf Wochen betreue.

Die Geschichte: ich lebe im Winter einige Monate in Griechenland, in einem Dorf in der Bergen. Dort fand ich vor fünf Wochen hoch oben im Wald eine Gruppe von sechs ausgesetzten Hündchen, die ich seitdem betreue. Sie leben im Garten des Nachbarn, wo sie ein kleines Gehege und einen gemütlichen Schuppen haben, ich verbringe drei bis vier Stunden am Tag mit ihnen. Die Hunde waren etwa drei Monate alt, als ich sie fand, sie sind jetzt vier - viereinhalb Monate. Es sind kleine Hunde, bleiben auch klein, haben teilweise etwas vom Jack Russel, andere sehen aus wie Minilabrador. Sehr niedlich. Sie haben alle auch schon ein neues Zuhause, vier reisen nächste Woche, zwei drei Wochen später.

Soweit ist alles sehr gut. Die Hunde waren anfangs bis auf zwei sehr scheu, inzwischen komme ich mit vier von ihnen sehr gut klar, mit einer so la la, und die sechste, die Anna, ist mein Problem. Sie hat immer wieder Phasen, wo sie vergisst, dass sie sich eigentlich gern streicheln und den Bauch kraulen lässt, dann kriegt sie einen so wiren Blick und irrt herum wie ein kleines Gespenst. Gestern wollte sie zum ersten Mal nicht abends zum Fressen ins Gehege, auch heute Morgen hat sie auf das Frühstück verzichtet: bloß nicht einsperren lassen. Sie ist die ganze Nacht herumgeirrt und hat die Jagdhunde verbellt, die sich der Wildschweinjagd wegen hier rumtreiben. Sie kommt, wenn ich mit allen Hunde draußen spiele, aber sobald es durch die Tür des Geheges geht ist es aus. Momentan versuche ich, das auszusitzen und hoffe, der Hunger und die Sehnsucht nach dem Rudel treibt sie rein. Aber auf Dauer ist das natürlich keine Lösung.

Ich weiß nicht, wie lange die Hunde sich allein im Wald durchgeschlagen haben, sie sind aber deutlich ohne großen Kontak zu Menschen aufgewachsen. Ob Anna schlechtere Erfahrungen mit Menschen gemacht hat als die anderen weiß ich natürlich auch nicht.

Ich werde Anna noch drei Wochen hier haben, zusammen mit einer Schwster. Wenn die anderen vier weg sind wil ich die letzten beiden ins Haus holen - sechs waren zu viel, meine Großen mögen auch keine Welpen. Momentan komme ich aber gar nicht an sie ran. Hat irgendwer eine zündende Idee?

Vielen Dank im Namen meiner Sechserbande!
 
Zum einen wird es für die kleine ein Vorteil sein, mit den großen, souveränen Hunden in einem Haus zu sein. Denn auch wenn Deine Hunde aktiv nichts mit der kleinen machen, sie wird sich an ihnen orientieren.
Ich würde im weiteren versuchen, ein Geschirr um die kleine zu bekommen mit daran ein 1-1,50m lange Leine ohne Schlaufe. Dann hast Du sie unter Kontrolle, ohne sie bedrängen zu müssen.
Locke sie nicht, Beuge Dich nicht über sie, lass sie ihr Tempo selbst bestimmen. Mach aber einfach Sachen, die Hunde toll bzw. lecker finden.
 
Hallo,

eine zündende Idee habe ich leider nicht.
Das ganze Unternehmen wird dich viel Geduld kosten.
Wahrscheinlich ist in den ersten 12 Wochen der Welpen Wichtiges nicht erlernt worden.
Die Prägung auf Menschen, bei dem einen Hund ist das Versäumnis später sehr ausgeprägt, bei anderen weniger, je nach Hund.
Dajans Vorschläge finde ich ganz gut.
Du kannst auch versuchen, dich auf den Boden zu setzen, besonders gutes Futter auf deine flache, ausgestreckte Hand zu legen, der Hündin diese hinzuhalten, ohne sie dabei direkt anzusehen.
Wenn es heute nicht gelingen mag, vielleicht in den nächsten Tagen/Wochen/Monaten.
Das wird wahrscheinlich dauern, bis Anna Vertrauen fasst.

LG Leo
 
Auf dem Weg zur Besserung?

Hallo,

der Tipp mit Geschirr und kleiner Schleppleine war goldrichtig! Anna liegt inzwischen unter meinem Schreibtischm, auf meinem Fuß. Als sie gestern Mittag auch wieder lieber aufs Fressen verzichtete als ins Gehege zu gehen, habe ich sie beim Schmusen (das macht sie nämlich von Zeit zu Zeit sehr gern) geschnappt, in ein Geschirr gesteckt, eine kleine Schleppleine drangehängt uns sie einfach jetzt schon in Haus mitgenommen. Und was soll ich sagen? Es scheint genau das Richtige zu sein! Als hätte sie schon mal gewusst, dass sie ein Familienhund ist und das bloß vergessen. Meine große Hündin hatte auch schon ein Einsehen und begrüßt die Kleine inzwischen sehr nett, nur mein Rüde ist immer noch entsetzt, dass sowas jetzt bei uns rumwuselt. Anna jedenfalls frisst, geht an der langen Schlepleine raus zum Geschäft verrichten, kaut am Kauknochen und finden alles überwiegend interessant. Ich hoffe, ich mache mir da nichts vor, ich hätte es so gern, wenn sie sich noch ein bisschen entspannt und schon mal ans Hundeleben in nordeuropäischen Familien gewöhnt, ehe ich sie auf die Reise schicke.

Meine Theorie wäre: sie hatte, als ihre Gang noch allein im Walde lebte, den Job, hinten zu sichern. Das haben wir so erlebt. Als der Rest ihrer Geschwister sich schon längst bei uns im Garten den Bauch vollschlug und dann begeistert nach nebenan in den kleinen Zwinger zog, lungerte sie noch zwei Stunden misstrauisch in der Gegend rum, ehe sie auch kam. Dann ging alles sehr lange sehr gut: sie kam, wie alle anderen auch, auf Pfiff, ging gern nach der Tobezeit wieder ins Gehege etc. Am Wochenende war hier viel los, Jäger und Jagdhunde und so weiter. Vielleicht fand sie, wir würden nicht anständig auf ihre Gang aufpassen, weil wir sie ja abends immer alein in den Schuppen sperrten und hat beschlossen, wieder selbst aufzupassen. Was ziemlich stressig gewesen sein muss, weswegen sie jetzt nicht ungern gesagt bekommt, dass wir aufpassen und sie den Job los ist.

Kommt da irgendwem logisch vor oder geht die Fantasie mit mir durch?

Egal: ich hoffe, es geht weiter so gut und bedanke mich für die guten Tipps.

Herzlich
Sechserbande
 
Ihr hab einen Schritt nach vorne gemacht. Das ist super! Aber meistens kommen auf einen Fortschritt drei Rückschritte. Also freue dich noch nicht zu früh. Sie sollte keiner Reizüberflutung ausegetzt werden.

Und ich kann dir nur den Rat geben, sie nicht in eine Großstadt zu vermitteln. Ich hatte einen Hund, der so wie deine Welpen aufgewachsen ist. Er kam in der Großstadt nie wirklich klar. Bitte gebe sie in eine reizarme Umgebung. Am besten auf´s Land.
 
Ja, mit Rückschlägen rechne ich schon noch. Reizüberflutung ist bei uns nicht, das ist teilweise unser Problem, wir können den Welpen nur einen kleinen Ausschnitt unseres im Winter größtenteils verlassenen Dorfes zeigen. Anna liegt unter meinem Schreibtisch, meiner großen Hündin gegenüber, und ich lasse sie erst einmal total in Ruhe.

Sie kommt zu einer bereits pensionierten Dame, die viel Zeit für sie hat und auch weiß, dass sie sehr scheu ist. Ist eine Kleinstadt, glaube ich.
 
Alles gut!

Falls das noch mal jemand liest: Anna hat sich in den drei Wochen, in denen sie bei uns wohnte, sehr schon an uns angeschlossen und ist sehr aufgetaut. Sie trug die ganze Zeit ihr Geschirr mit der kleinen Leine, daußen eine lange Schleppleine, beides schien ihr Sicherheit zu geben. Sie entwickelte sich zu einem fröhlichen, zum Schluss sogar verschmusten Hund, was sicher auch dem Einfluss unserer Großen zu verdanken war.

Gestern reiste sie zu ihrem Frauchen nach Holland. Wir haben ihr einen Brief mitgegeben, in dem wir unsere Erfahrunge mit Anna schilderten und vertrauen nun fest darauf, dass alles gut geht.

Uns ist aus der Sechserband der Fundhunde noch Lotte geblieben, die müssen wir jetzt erziehen. Fragen dazu stelle ich aber in einem anderen Faden.
 
Schön, das freut mich:jawoll:.
 



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