Okay...
Ich denke es wäre mal gut, wenn man mal versteht was operante Konditionierung eigentlich ist.
Die operante Konditionierung
beschreibt eine Form des Lernens, bei der auf einen Reiz/ein Verhalten eine Reaktion folgt und diese Reaktion die Wahrscheinlichkeit für zukünftiges Verhalten verändert. Die operante Konditionierung besteht aus 4 Quadranten (wobei man hier aufpassen muss, da ähnliche Begriffe aus anderen Bereichen teilweise etwas unterschiedlich verwendet werden - aber hier mal die gängigste Version).
- positive Verstärkung
- negative Verstärkung
- positive Strafe
- negative Strafe
Das Wort
positiv bedeutet hier immer, dass etwas
hinzugefügt wird.
Das Wort
negativ bedeutet immer, dass etwas
weggenommen wird.
Das Wort
Verstärkung bedeutet immer, dass das Verhalten
in Zukunft vermehrt gezeigt wird.
Das Wort
Bestrafung bedeutet immer, dass das Verhalten
in Zukunft weniger gezeigt wird.
Mit
positiver Verstärkung arbeitet man also, wenn man...
...
seinem Hund ein Leckerchen gibt, wenn er sich gut verhält
...
seinem Hund einen Ball wirft, wenn er sich gut verhält
...
seinen Hund anlächelt, wenn er sich gut verhält
...
seinem Hund freundlich über den Rücken streicht, wenn er sich gut verhält
...
seinem Hund ein freundliches Wort zuflüstert, wenn er sich gut verhält
...
mit seinem Hund ein Rennspiel veranstaltet, wenn er sich gut verhält
...
meinen Hund wenn er sich brav absetzt und mich ansieht
ein Freizeichen gebe, damit er mit anderen Hunden spielen kann
... uvm
.
..vorausgesetzt dies führt dazu, dass der Hund das Verhalten davor in Zukunft häufiger zeigt. Wenn ich meinem Hund ein Leckerchen gebe, dies aber nicht dazu führt, dass der Hund das Verhalten in Zukunft häufiger zeigt, habe ich NICHT mit positiver Verstärkung gearbeitet! Ich hab es höchstens versucht
Mit
negativer Verstärkung arbeitet man, wenn man...
... Zug auf der Leine behält, bis der Hund sich angemessen verhält, um dann den Zug loszulassen
... den Hund blickfixiert oder körperlich einschränkt, bis er sich angemessen verhält, um dann den Druck aus der Situation zu nehmen
... den Hund zB in der Autobox belasse (v.a. wenn diese als unangenehm wahrgenommen wird), bis er ruhig ist, um dann die Tür zu öffnen
... dem Hund so lange mit der Hand unangenehmen Druck auf der Hinterhand erzeugt, bis er endlich das Kommando "Sitz" befolgt
... uvm
...vorausgesetzt dies führt dazu, dass der Hund das Verhalten davor in Zukunft häufiger zeigt. Selbes Spiel wie vorher.
Mit
positiver Strafe arbeitet man, wenn man...
... dem Hund ein scharfes "Hey" zuruft
... dem Hund eine Ohrfeige gibt
... dem Hund einen ärgerlichen Blick zuwirft
... mit dem Fuß aufstampft
... dem Hund einen Rempler gibt
... den Hund mal anschnauzt
... an der Leine ruckt
... uvm
...vorausgesetzt dies führt dazu, dass der Hund das Verhalten davor in Zukunft seltener zeigt. Wenn man beispielsweise einem Hund eine Blechschüssel über den Kopf knallt, der Hund sein Verhalten aber weder einstellt noch in Zukunft weniger zeigt, hat man genau genommen nicht mit positiver Strafe gearbeitet. Man hat es eben nur versucht...
Mit
negativer Strafe arbeitet man, wenn man...
... den Hund ignoriert, wenn er hoch springt
... dem Hund ein versprochenes Leckerchen nicht gibt, wenn er ein Kommando nicht oder nicht ordentlich ausführt
... den Hund, der an der Leine zu anderen Hunden will und sich dabei in die Leine schmeißt, an der Leine von den Hunden weg zieht
... den Hund sozial ausschließt, zB in dem man ihn aus dem Zimmer verbannt, in dem sich alle anderen befinden
... uvm.
...vorausgesetzt dies führt dazu, dass der Hund das Verhalten davor in Zukunft seltener zeigt.
Ich persönlich kenne NIEMANDEN, der im normalen Zusammenleben mit seinem Hund ohne alle 4 Quadranten der operanten Konditionierung auskommt. Ich kenne auch niemanden, der völlig ohne positive Strafe/negative Verstärkung auskommt, wobei es manche versuchen. Und ich kenne wirklich niemanden, der ohne positive Verstärkung arbeitet.
Kleines Beispiel... ich habe den oben zitierten Thomas Baumann auf einem Rauferseminar arbeiten sehen, bei welcher er seine LaKoKo Methode vorstellte und die Hunde vorwiegend darüber arbeitete (Thomas Baumann hat so nebenbei einen Hang dazu sich seine eigenen "Methoden" auszudenken, denen lustige Namen zu geben und sie auch patentieren zu lassen
). Bei LaKoKo geht es darum einen Hund langsam und konzentriert zu führen, damit er sich runter fährt und sich besser führen lässt, heißt im Klartext, der Hund soll verschiedene Muster (8er Schleifen, Winkel, Kehrtwendungen, etc.) neben seinem Hundeführer gehen und den dabei ansehen... Dabei habe ich ihn folgende Dinge tun sehen.
- den Hund loben, wenn er es richtig gemacht hat -
positive Verstärkung
- einem Hund, der nach hinten ausweichen wollte mit der Leine keinen Spielraum geben, bis er sich von selbst wieder in die richtige Position bewegte, wo der unangenehme Zug von der Leine genommen wurde (auch bei Pferdeleuten sehr beliebt) -
negative Verstärkung
- an der Leine zupfen, wenn der Hund seinen Radius verlassen wollte -
positive Strafe
- aufgeregtes Quitschen und Bellen eines Junghundes ignorieren -
negative Strafe
Derselbe Mensch, der also behauptet ohne bestimmte Formen der operanten Konditionierung auszukommen, tut das so ganz eigentlich natürlich nicht. Wer denkt er käme in seinem Leben und seiner Arbeit mit Hunden ohne operante Konditionierung aus, hat in den meisten Fällen mal primär nicht verstanden, was operante Konditionierung ist. Der Rest lügt entweder bewusst und gibt seiner Arbeit mit Hunden abstrakte Namen, beschreibt sie mit Energie, spricht davon "dem Hund zuzuhören und darauf zu reagieren" (*hust* operante Konditionierung *hust*), etc. pp., um besonders wichtig zu erscheinen oder er ist klinisch tot
Wer glaubt positive Verstärkung bedeutet nur mit Leckerchen oder Bällchen zu wedeln, beraubt sich - so er es einsetzen will - einer Vielzahl an Möglichkeiten und zeigt - so er es nicht einsetzen will und darüber schimpft - primär mal, dass er keine Ahnung hat. Damit kommen wir zu dem Punkt, den ich oft betone... was eine Bestätigung ist, bestimmt der Hund. Das ist für den einen Hund Futter, für den anderen ein Ball, für den nächsten ein Rennspiel, für den nächsten im Anschluss mit Hunden laufen zu dürfen, und, und, und. Wer nicht über Futter als Belohnung hinaus denken kann, beraubt sich genauso einer guten Möglichkeit seinen Hund zu bestätigen wie derjenige, der Futter kategorisch ablehnt.
Auch die intrinsische Motiviation des Hundes und operante Konditionierung schließen sich nicht aus. Ich kann den Hund sowhl in manchen Dingen selbst entdecken lassen und in anderen Bereichen operant konditionieren. Auch das machen die meisten Menschen einfach automatisch, ohne groß darüber nachzudenken. Loomie beispielsweise hat eine starke Motivation mit ihrer Nase zu arbeiten - sie liebt es zu suchen. Ich nutze das in der Rettungshundearbeit, wenn sie nach dem Suchen den Menschen aber noch schön verbellt, wird sie dafür zusätzlich bestätigt. Das Endergebnis ist ein toll arbeitender Hund. Man kann diese Dinge ganz einfach kombinieren und nutzen - immer nur mit einer Sache zu arbeiten beraubt einem - wie schon erwähnt - einer Vielzahl an Möglichkeiten.
Positive Verstärkung und Positive Strafe sind in ihrer Wirkung auch nicht eines besser oder schlechter als das andere. Beide (bzw. alle 4) Versionen des operanten Lernens funktionieren gleich gut. Der Grund warum manche damit erfolgreicher sind als andere liegt an völlig anderen Faktoren.
1) Timing - Einwirkungen, die zeitnah erfolgen, funktionieren einfach besser
2) Intervall der Einwirkung - also wie oft bestätige oder bestrafe ich - da reden wir meist von Konsequenz
3) Intensität/Qualität der Einwirkung - da reden wir nun von der Wahl der richtigen Bestätigung oder der richtigen Strafe
Gute Trainer (im Sinne von Trainieren der Hunde) haben meist gutes Timing, wissen wie oft sie bestätigen oder strafen und wissen auch, was eine gute Belohnung oder eine wirksame Strafe wäre, um das Verhalten des Hundes zu verändern. Viele haben das im Gefühl, es lässt sich aber (auch für jene mit gutem Gefühl) ständig trainieren und verbessern. Da sind wir an dem Punkt wo wir vom berüchtigten Bauchgefühl reden
Die operante Konditionierung ist so nebenbei keine Methode... Sie ist eine Beschreibung von Lernverhalten. Sie ist auch nicht neu, sondern wurde von Edward Thorndike wenn ich mich richtig erinnere Anfang des 20. Jh beschrieben
Verhaltensforschung ist so nebenbei üblicherweise Grundlagenforschung. Sie ist also nicht dazu da, um zu beweisen, was man beweisen möchte, sondern sie ist dazu da die Dinge so zu beschreiben und zu verstehen, wie sie sind. Sie entwickelt keine Methoden, sondern sie hilft uns zu verstehen.