Hallo,
Ich verstehe deine Sorge. Ich finde es immer unvernünftig, einen Hund, der vermutlich ohne Menschenkontakt geboren und aufgezogen wurde um dann mehr oder weniger traumatisch eingefangen und in ein mehr oder weniger traumatisches Tierheim gesteckt wurde, in die deutsche Stadt zu holen, um mit Liebe und Geduld einen entspannten, glücklichen Hund aus ihm zu machen.
Dafür eignen sich eventuell Hunde, die bei Menschen aufgewachsen sind und dann ausgesetzt wurden, oder notfalls auch solche, die in einem liebevollen Tierheim geboren und aufgezogen wurden. Da gibt es dann eigentlich schon genug Baustellen und Herausforderungen.
Wir hatten im hiesigen Tierheim vor 20 Jahren auch gelegentlich Hunde aus Animalhoardingfällen, die überhaupt nicht sozialisiert wurden. Wild geboren, sozusagen. Das waren z.B. ein paar von den Busca- Hunden, falls sich jemand erinnert.
Solche extrem scheuen Hunde müssen nie misshandelt worden sein. Sie lebten einfach auf einem großen verwilderten Gelände, waren nicht mal, wie das in Rumänien gern mal der Fall ist, mit anderen Hunden in Lärm und Enge zusammengepfercht und in blutige Überlebenskämpfe verwickelt. Sie hatten einfach ihr kleines, menschenfreies Paradies in ihrem Rudel. Und trotzdem ware es nicht sinnvoll, diese Hunde auf Teufel komm raus zu therapieren, bis sie fit für ein Leben als wohlerzogener, entspannter Stadthund waren.
Ich finde, wenn man sich einen Hund aus dem Ausland holt, sollte man sich fragen, ob man dem Hund auch gerecht werden kann. Vorher.
Nur ein Teil der Auslandshunde sind unsozialisierte Angsthunde. Sehr viele sind einfach weggeworfenes Kinderspielzeug oder eingefangene Hunde, die einen Besitzer haben, der seinen unkastrierten Hund einigermaßen versorgt, aber tagsüber streunen schickt. Wird der Hund dann eingefangen und entsorgt, ist das halt Pech. Wenige suchen ihren Hund, wenn er ein paar Tage fehlt, und viele könnten sich die Gebühr nicht leisten, um ihren Hund aus dem Tierheim wieder abzuholen.
Tatsache ist, dass jedes Jahr etwa 500.000 Hunde nach Deutschland importiert werden. Trotzdem kommen auf jeden dieser Hunde viele andere, die zurückbleiben und unter tierschutzwidrigen Verhältnissen lebenslänglich eingesperrt werden oder getötet werden.
Wie sinnvoll für alle Beteiligten ist es unter diesen Voraussetzungen, sich als mitten im Leben stehender Stadtmensch, der sich einen fröhlichen, entspannten Begleiter wünscht, ausgerechnet für einen der nicht sozialisierten und evtl. noch zusätzlich traumatisierten Hunde zu entscheiden?
Solche Hunde bleiben oft zumindest in ungewohnten Situationen ängstlich und schreckhaft.
Die Frage ist aber nun eher, ob es denn überhaupt so einen ruhigen, souveränen, zuverlässigen Lebensplatz auf dem Land für diesen Hund geben würde, wenn man sich mit dem Gedanken trägt, ihn, zu seinem eigenen Besten, wieder abzugeben.
Ich denke, dass du es mit viel Geduld und etwas Unterstützung schaffen kannst, dem Hund Sicherheit zu geben und an sein neues Leben zu gewöhnen. Aber du wirst dich viel auf die Bedürfnisse des Hundes einstellen müssen. Das muss man mit Leib und Seele wollen und man muss such mal Rückschläge oder Probleme aushalten können. Man kann an so einer Aufgabe wachsen, wenn man nicht die Einschränkungen in den Vordergrund stellt, sondern in der Herausforderung aufgeht.
LG,
Stadtmensch