Ich finde nicht, dass man das pauschalisieren kann. Sicherlich macht man es sich zu einfach, wenn man sagt "Das ist halt ein Sraßenhund, der wird nie zuverlässig abrufbar sein" - und das dann als Ausrede nimmt, den Rückruf gar nicht erst sauber aufzubauen. Aber auch wenn man sagt "Wer seinen Hund nicht in jeder Situation abrufen kann, hat versagt", macht man es sich meiner Meinung nach zu einfach.
Zuerst mal: Wann muss denn eigentlich der Rückruf zu hundert Prozent sitzen? Sprich, wie alt muss der Hund mindestens sein, dass man das erwarten kann? Allein das hängt meines Erachtens schon stark vom Individuum ab. Große Hunde brauchen im Allgemeinen deutlich länger, bis sie geistig gänzlich erwachsen geworden sind.
Und dann sind Hunde auch von ihrer Persönlichkeit so wahnsinnig unterschiedlich. Hund A ist extrem menschenbezogen, interessiert sich für andere Hunde nicht so wahnsinnig und Jagdtrieb hat er auch keinen. Hund B hat extremen Jagdtrieb und ist vom Charakter her eher eigenständig. Ich finde, zwischen der Erziehung von Hund A und Hund B liegen Welten! Wenn Hund A, sagen wir mal, fünf Jahre alt ist und immer noch nur zu 60% abrufbar, dann kann man wahrscheinlich wohl sagen, dass der Besitzer in der Erziehung versagt hat. Wenn Hund B dagegen im Alter von zweieinhalb Jahren nur zu 60% abrufbar ist, sieht die Situation dagegen (meiner Meinung nach) ein bisschen anders aus.
Und schlussendlich sind Hunde keine Roboter, sondern Lebewesen mit ihrem eigenen Kopf. Ich finde nicht, dass man in der Erziehung versagt hat, nur weil der Hund in einer ganz bestimmten Situation, die ihn eben in eine extreme Erregung versetzt, nicht abrufbar ist. Vielleicht ist dann die Erziehung nicht ganz perfekt gelaufen. Aber "versagt" finde ich zu hart ausgedrückt.
Ich finde es am wichtigsten, dass man sich nicht zurücklehnt, sondern permanent an den "Baustellen" seines Hundes weiterarbeitet. Und dass man im Alltag realistisch einschätzt, wann man seinen Hund offline laufen lassen kann und wann nicht.
Liebe Grüße
Amica