Dann probiere ich mal, ein paar Stunden verärgerte Lektüre zusammenzufassen. Vorausschicken wollte ich aber, dass ich die Frage gestellt habe in der Hoffnung, dass Leser des Buchs hier noch aktiv sind (es gab mal welche) und mir sagen können, was ich falsch verstehe, bzw. welche Perlen der Weisheit ich übersehen habe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass in dem Buch Vieles steht, was gut und richtig ist - ich hab' nur Schwierigkeiten, zu sortieren (oder es sind altbekannte Selbstverständlichkeiten - mein Pferd ist ziemlich gut erzogen)
Untertitel des Buches lautet: Das erste Jahr des Hundes - ich hab' mir also nützliche Informationen zur Vorbereitung auf meinen hoffentlich einziehenden Welpen erwartet.
Es fängt auch recht vielversprechend an: Ein (fiktiver!) Australian Shepherd, Bandit, ist beim Wesenstest, weil er beim Spaziergang einen anderen Hund angefallen hat. Zum Wesenstest erfährt man nicht viel, aber am Ende stehen Maulkorbzwang und Leinenpflicht und eine verzweifelte Besitzerin. Bandit wird ein (ebenfalls fiktiver) Wurfbruder gegenübergestellt, Spencer, der im gleichen Zeitraum zu einem angenehmen Hausgenossen geworden ist. Das Buch verspricht, zu erklären, wie's zur jeweiligen Entwicklung kam.
Tut's aber nicht wirklich, zumindest nicht so, dass ich es verstünde. Das heisst, es ist klar, dass Bandit's Besitzerin sehr viel falsch macht - aber es wird für meinen Geschmack nicht ausführlich genug erklärt, was Spencers Familie richtig macht. Man soll dem Hund nicht jeden Wunsch erfüllen, sich abgrenzen und sein Leben leben. Ein Beispiel, das ich noch im Kopf habe, ist dass Bandits Besitzerin nicht mal alleine aufs Klo kann, ohne dass der Hund Terror macht. Während Spencers Frauchen die Tür auch mal zumacht (ob's die Klotür war, wird nicht ausdrücklich gesagt, läge im Zusammenhang aber nahe), und die Tür geht erst wieder auf, wenn der Hund ruhig ist. Ähem, ja - ich hoffe, ich denke dran, das Tablet mitzunehmen... Und so sind viele der Tipps, wie man's machen sollte, ziemlich wischi-waschi. Der Autor schreibt auch gleich in der Einleitung, dass Rezepte zum Kochen taugen aber nicht in der Erziehung. Und er ist grundsätzlich gegen "Methoden"...
Ich vermute sehr stark, dass er dabei aufs Clickertraining zielt und ich gestehe, dass mir Jean Donaldsons Ansatz (strikter Behaviorismus) auch nicht wirklich sympathisch ist, weil er mir sehr "mechanisch" vorkommt. Aber bei Grewe stört mich schon das Wort: Methode ist laut Duden die "Art und Weise eines Vorgehens" - und Grewe geht ja auch auf irgendeine Art und Weise vor. Er erklärt nur nicht wirklich wie - genau genommen erinnert er mich sehr an meinen Deutschunterricht: "Schreiben kann man oder nicht, man kann's nicht lehren" (Doch, kann man, es gibt Regeln für verständliche Texte. Die habe ich allerdings erst an der FH von einer Amerikanerin erklärt bekommen...)
Unheimlich ärgerlich finde ich auch die dauernden Vergleiche mit der Kindererziehung - es gibt bestimmt viele Ähnlichkeiten, aber erstens nützt mir das nichts, wenn ich noch keine Kinder erzogen habe (Spencers "Eltern" haben noch drei Kinder und sehen Hunderaufereien daher gelassener...), zweitens ist das im Buch so aufdringlich, dass ich mich teilweise frage, ob ich einen Ratgeber zur Kindererziehung lese. Das liest sich dann z. B. so: "Hunde – genau wie Kinder – suchen sich die Erfahrungen, die sie für ihre Entwicklung brauchen, selbst. Ihr Erkundungsdrang, ihre Neugier und ihre Lebenslust gewährleisten, dass sie das Richtige zur richtigen Zeit lernen. Wenn man Hunde – genau wie Kinder – an dieser selbstständigen Erkundung ihrer Umwelt hindert, indem man ihnen ständig etwas anbietet, was sie sich nicht selbst gesucht haben, behindert und im schlimmsten Fall verhindert man eine gesunde Entwicklung. Denn nur etwas, mit dem man sich aktiv beschäftigt, hat einen positiven Einfluss auf die Gehirnentwicklung. Am Rand stehen und zuschauen reicht nicht, man muss selbst aktiv beteiligt sein, um daraus nachhaltig seine Schlüsse zu ziehen und diese sinnvoll abzuspeichern." (Diese Vermenschlichung des Hundes zieht sich übrigens durchs ganze Buch, um ihren Höhepunkt im Kapitel über Kastration zu finden - da hört man den Mann, der Angst um seine eigenen Eier hat
).
Witzigerweise nehme ich aus dem Buch in erster Linie mit, dass die "positiven" Trainer (ob mit oder ohne Klicker), d. h. die, die sagen anstatt "nein" zu sagen, soll man vom Hund ein anderes Verhalten verlangen, Recht haben: Es ist unglaublich frustrierend, dauernd gesagt zu bekommen, was man nicht tun darf aber nie zu hören, was man denn statt dessen konkret tun soll! Von daher ist auch dieses Buch nicht unnütz - es kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen