Der Stellenwert des Bauchgefühls in der Hundeerziehung

Erster Hund
Odin / Tervueren-DSH (7)
Huhu,

mir fällt in den Hundeforen immer mehr auf, wie (Erst-)Hundehalter sehr verkopft an Hundekauf oder -erziehung rangehen. Es werden sich tausend Gedanken gemacht, man wägt ab ob diese oder jene Methode besser für den Liebling wäre und versucht alles absolut perfekt zu machen. Ich selbst kann mich da nicht ausschließen, ich neige auch sehr dazu mir den Kopf über bestimmte Dinge zu zerbrechen.
Allerdings erinnere ich mich dann selbst wieder an mein Bauchgefühl und handle auch demnach.

Fällt euch das auch so auf wie mir? Mir kommt es so vor, als ob gerade in den letzten 2-3 Jahren diese Unsicherheit und dieser Hang zur Perfektion zugenommen haben. Warum ist das so? Haben sich die Erwartungen an unsere Hunde so verändert, dass wir uns keine Fehler mehr erlauben dürfen(/wollen)? Muss denn immer alles perfekt laufen? Lernt man nicht gerade aus Fehlern?

Wieso lassen wir uns von zig Hundebüchern, Hundetrainern und Hundeforen so verunsichern und überlegen haarklein, wie wir unseren Hund wann positiv bestärken sollten? Oder analysieren wieso unser Hund in Situation XY gegähnt hat?

Wo ist das Bauchgefühl in der Hundeerziehung geblieben? Wieso handeln wir nicht nach unserem Bauch, sondern so wie es Bücher oder Trainer vorschreiben? Und wieso lassen wir uns von alldem so verunsichern?

Ich finde ja, ein gewisses Maß an Informationen über Hunde sehr begrüßend, allerdings wird es immer mehr und mehr. Wie seht ihr das?
 
Ich mache eigentlich alles aus meinen Bauch her raus.
Von Erziehung, über Spielen, Agi.... bis hin zu richtigen Menge, Hüten.
Keiner kennt meine Hunde, keiner weiß wie sie Ticken, wie sie denken, wie
sie mit Gewisse Sachen umgehen können.

Was verstehst du unter perfekt sein?

Ja, ich finde, Hunde sollten hören oder passend gesichert sein.
Heut zutage trifft man dauernd welche, es gibt Regel an die man sich halten
sollte...
Bei uns im Feld sind Fahrradfahrer, Leute mit Hund, Autos, Kinder....
Da kann der Hund nicht hinrennen. Nicht jeder Mensch mag Hund, nicht jeder
Hund. Es ist gefährlich für den Radfahrer, wenn ein Hund reinrennt. Genauso
wie beim Auto.

Fehler wird es immer geben, aber es ist leichter wenn man vorher nicht
all zu viele macht.

Ich meine, wenn der Welpe einfach so immer zu jeden Hund darf und später gejammert
wird, dass er zu jeden Hund rennt.
Dann wundert man sich?
Wenn man vorher paar Spielregeln einhält, dann hat man es später leichter.
 
Hi,

ein schönes Thema.
Da wir noch keinen Hund haben und auch noch nie einen hatten, bin ich grad in fast jeder freien Minute dabei mich über alles mögliche zu informieren.

Man findet auch zu allem möglichen was, zum Teil auch viel verschiedenes - das verunsichert mich als Anfänger natürlich schon ziemlich.

Woran das liegt kann ich nur bei uns sagen, denke aber das wird auf die Meisten zutreffen:
Man versucht sich im Vorfeld so gut es geht zu informieren. Als Anfänger wird man um "Fehler" nicht drum rum kommen, also versuchen wir die möglichst gering zu halten durch vorab Infos.

Ob sich das jetzt in den 2-3 Jahren so sehr verändert hat weiß ich natürlich nicht.
Ich denke aber, dass dieser Hang zum perfektem in der Hunderziehung auch daran liegt, dass wir durch einen Medienüberfluss nicht nur gutes, sondern auch alles schlechte mit bekommen. Man wird also im Täglichen (das geht ja schon mit dem "Hundeflüsterer" los, wenn man nur mal ahnungslos durchs Fernsehen zappt) mit den Problemen konfrontiert, die eine fehlerhafte Erziehung zur Folge hat. Und die Tendenz ist steigend.

Das will man natürlich vermeiden.

Hinzu kommt, dass wir heute als Informationsquelle Nummer 1 das Internet zu Rate ziehen.
Das tolle am Internet ist ja, das sich jeder zu allem äußern kann und Tips und Ratschläge geben kann. Das Problem ist, dass das auch jeder tut.
Zu viele Köche versauern den Brei und zu viele Infos verunsichern.

Ich habe mir jetzt ganz fest vorgenommen, bevor der Hund einzieht mich viel zu informieren.
Und wenn der Hund dann da ist wichtige Infos und Bauchgefühl zu vereinen.
Aber das fieberhafte Suchen nach den besten Berichten, Anleitungen und Erfahrungen wird dann sein gelassen - denn ab da an werden ja eigene Erfahrungen gesammelt ;)

LG
 
Hallo,

ich stelle aber genauso das Gegenteil fest, das "fehlende Bauchgefühl" und fehlende Informationen.

Zum Beispiel:
"Mein 8 Wochen alter Welpe schnappt in meine Hände, Füße, klaut Schuhe, zerkaut sie und hört nicht auf ein strenges "Nein" oder "Aus".
"Er ist nun 10 Wochen alt und mittlerweile 2 Wochen bei uns und meldet sich noch immer nicht, wenn er muss und macht in die Wohnung. Manchmal denke ich, der macht das nur aus Trotz."
"Ich betrafe ihn immer, wenn ich ihn dabei erwische, aber es hilft nicht."
"Was kann ich tun?"

"Hiiiiilfe, mein Welpe ..." steht dann in den Überschriften.

Wie überall gibt es "solche" und "solche Menschen", einige sind übereifrig, einige wiederum gehen zu locker heran und sind bei "normalen" Dingen verzweifelt, aber wenigstens wird dann noch Rat gesucht.

LG Leo
 
Ich finde es sollten sich noch mehr (Erst)Hundehalter Gedanken über die Erziehung und den Kauf ihres Hundes machen. Ich sehe das so wie SchweizerSocke. Manche verzweifeln schon bei normalen Welpenverhalten und wundern sich, dass ein Hund der zwei Tage bei einem wohnt das "nein" noch nicht versteht.

Ich denke, dass einige Hundehalter die Probleme mit ihren Hunden nicht hätten wenn sie den richtigen Trainer rechtzeitig um Rat gefragt hätten. Gerade die Fernsehsendungen zur Hundeerziehung haben einen großen, meiner Meinung nach nicht guten, Einfluss auf den Umgang mit Hunden.

Ich habe meinen ersten Hund erst seit 3 Jahren und ich finde es gut, dass man so viel Hilfe und Rat bekommen kann wenn man möchte.

Sofern ich bei einem Problem unterschiedliche Tipps bekomme verlasse ich mich dann auf mein Bauchgefühlt was mir für meine Hunde am Besten erscheint.

Da manche Fehler in der Erziehung schwer zu korrigieren sind finde ich es besser sie erst gar nicht zu machen. Ich scheine mit meinem Balou einen Hund zu haben der mir Fehler in der Erziehung lange nachträgt. Jedes für ihn passende Verhalten in einer bestimmten Situation zeigt aber auch sehr schnell positive Erfolge.

Und perfekt sind meine Hunde nicht. Mir ist aber schon wichtig, dass sie keinen Fahrradfahrern/Joggern hinterherlaufen, keine Menschen anspringen und natürlich nicht jagen.
 
Und wie oft geht es gut?
Hier sammeln sich ja nur ein paar.
 
Ich rede nicht davon, dass es schlecht ist, das Hundehalter, bzw Welpenbesitzer über die Erziehung informieren. Im Gegenteil, das finde ich, wie schon im Eingangspost geschrieben, gut.

Mir geht es um die Hundehalter, die sich informiert haben und bei denen so im großen und ganzen gut läuft. Allerdings wird sich immer weiter informiert und durch diese Informationsmasse wird man immer weiter verunsichert und das Bauchgefühl wird ausser acht gelassen.

Ein perfekter Hund ist einer, der in der Gesellschaft kaum auffällt, nicht bellt, sich im Restaurant unauffällig benimmt und eben everbodys darling ist. Das manche Hunde allerdings bedingt durch ihr Wesen eine große Individualdistanz haben oder eben bellfreudig sind o.ä. macht ihre Besitzer anfällig für Unsicherheiten und 'Trainerhopping', da auffällige Hunde in der Gesellschaft nicht wirklich toleriert werden.
Edit: Das ist nicht meine persönliche Definition von einem perfekten Hund. Nur solche Hunde bezeichnen viele Hundehalter als perfekten Hund. Ein unauffälliger Familienhund, der keine Probleme macht.

Das ein Hund nicht einfach zu anderen Hunden hinrennt oder Fahrradfahrer und Jogger in Ruhe lässt hat für mich nichts mit Perfektion zu tun, sondern gehört zu den Basics.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke, dass die Medien, gerade das Internet, insbesondere Hundeforen :D, Ersthundhalter auch schnell verunsichern und verrückt machen können.
Allein schon der Satz, "Wie wird dein Hund denn ausgelastet?", war noch vor 20 Jahren nahezu unbekannt.
Mittlerweile entwickelt sich ein Trend der "Überbelastung" der Hunde, Hundehalter setzen sich unter Druck und somit auch ihren Hund.

Dann wiederum gibt es diejenigen, die ich in meiner ersten Antwort beschrieben habe.

Ich denke, um es an einer Farbskala zu messen, zwischen schwarz und weiß ist alles vorhanden.
Hundehalter, die sich gar nicht informiert und auch kein bisschen Bauchgefühl haben bis zum Hundehalter, der seinen Hund aus Übereifer überfordert, Perfektion erwartet, 150 Hundebücher gelesen hat, viel in Hundeforen unterwegs ist und dazwischen gibt es noch genug Grauzonen (das gesunde Mittelmaß).

LG Leo
 
Ich kann deine Bedenken verstehen. Als ich mich hier anmeldete hatte ich wirklich keine Ahnung, habe dann alles an Büchern und Beiträgen verschlungen und wollte es perfekt machen.
Und dann kam Bonnie. ;-)
Die 08/15 Buch- Lerntheorie- Forenempfehlung funktioniert nämlich nicht einfachso bei jedem Hund. Bei WEITEM nicht.
Das erste Mal merkte ich das wirklich bewusst bei Bonnie.
Als ich sie jedesmal fein belohnte wenn sie kam und mit der Schleppleine trainierte und sie mir einfach trotzdem gern mal den Stinkefinger gezeigt hat.

Da war ich dann am verzweifeln, oho!

Ist mein Timing einfach schlecht?
Bin ich zu inkonsequent?
Zu schwach?
Zu Blöd?

Nichts davon war und ist der Fall. Mein Timing ist exzellent, ich bin der konsequenteste Halter den ich kenne, stark und selbstbewusst.
Mein Hund ist halt einfach ab und zu ein Arsch. So wie ich ab und zu ein Arsch bin.
Ich hatte dann vor etwa zwei Jahren die Erleuchtung.

Habe mich eine Nacht lang gefragt..
was will ich eigentlich von meinem Hund?
Warum finde ich es so schlimm, wenn er nicht 100% gradlinig läuft?
Wurde mir das so vorgelebt? Wo habe ich diese absurde Erwartung her, dass man alles schafft wenn man es 100% gradlinig macht?

Mir wurde klar, dass ich absolut überfordert wurde. Von Büchern, Foren, Chats und RL Hundehaltern die mich vollgequatscht haben.
Das war alles so viel Info mit so wenig Hand und Fuß, so gradlinig, so steril, so objektiv, dass sie in 90% der Fälle (die ich erlebt habe) garnicht funktionieren KANN.

Bonnie zum Beispiel ist ein sehr Leistungsstarker und selbstbewusster Hund.
Für ein tolles Leckerlie kommt sie 8 Mal, 2 Mal furzt sie mir ins Gesicht und rennt so schnell sie kann.

Ich fing also an den ganzen angesammelten Gedankenbrei aus meinem Gehirn zu popeln. Hab mir draußen Kopfhörer aufgesetzt und geraucht, versucht das Wetter zu genießen, die Hunde zu genießen.
In kurzer Zeit fiel es mir immer leichter frei zu sein.
Bonnie zeigt mir die Mittelkralle? Ich reagiere wie ich mich grade fühle. Das eine Mal lache ich darüber, das andere Mal brülle und stampfe ich und werfe mit meinen Flip Flops nach ihr.
Genau wie sie Mal beim zweiten Rufen dann doch angetrödelt kommt oder Mal direkt in meine Augen blickt und mir sagt 'du kannst mich kreuzweise'.
Wir sind emotionale Lebewesen! Hund wie Mensch.
Ich fand es damals ganz schrecklich, wenn Bonnie einen Hund angebellt hat. Sie war nicht leinenaggressiv, sie hat einfach nur gebellt. Nicht großartig aggressiv und nicht großartig aufgeregt. Einfach.. gebellt.
Ich fand das SCHRECKLICH! Ich dachte ich mache ALLES falsch wenn mein Hund nichtmal normal an anderen vorbeilaufen kann.
Heute?
Heute ist es mir so egal, wenn sie bellt, wie mir der Sack Reis egal ist.
Mal bellt sie, mal nicht. Sie frisst dadurch keinen auf, tut keinem weh, bellt auch nicht exzessiv, warum also so ein Drama? Wir Menschen blabbern den ganzen Tag vor uns hin. Mein Hund darf nun auch mal vor sich hin blubbern.
Mir doch egal, wenn es ihr Spaß macht und keinem schadet..

Es ist doch so: wir sollten alle so leben wie es für uns angenehm ist.
Die Hunde sollten ein angenehmes Leben mit Bellen, gelegentlichen Kloppereien und viel Dreck und Blödsinn haben und wir sollten uns daran erfreuen.
Wenn wir das nicht tun, warum haben wir dann einen Hund?
Wenn wir das nicht tun, warum haben wir dann nicht doch lieber einen Nintendo oder Tamagochi?

Meine Hunde sind Ärsche, ich bin ein Arsch.
Meine Hunde sind launisch, ich bin launisch.
Meine Hunde sind Zicken, ich bin eine Zicke.
Meine Hunde wissen wann etwas ernst wird und ich finde nichts wundervoller als den Hund durch eine ernste Situation zu führen.


Das Leben ist zum Leben da.
 
Ich und mein Bauchgefühl wir verlassen uns auf einander seitdem ich ein kleiner Bub bin. Es ist das Gefühl wenn du hundert Mal mit maximalem Tempo um eine Ecke braust und dann plötzlich auf die Ecke zufährst und bremst und langsam machst und plötzlich steht jemand vor dir.

Genau dieses Bauchgefühl behielt ich auch als Gassigeher fürs Tierheim bei. Wöchentlich neue Hunde und einige knifflige Situationen. Ebenso blieb es bei Jack bzw. auch jedem anderen Hund den ich an der Leine hatte und ich bin immer gut damit gefahren bis Lucy kam. Vorneweg zur Erklärung. Die neuen Besitzer brauchten 2 Wochen bis Lucy sich halbwegs anfassen ließ, genau wie die Dame der Pflegestelle. Als Lucy mich das erste Mal sah, rannte sie los zu mir hin an lauter Menschen vorbei und schmiss sich vor mir auf den Rücken und ließ sich den Bauch kraulen. Das fing eigentlich gut an. Trotzdem, holte ich Luft, brach sie zusammen, atmete ich aus, brach sie zusammen, hielt ich die Luft an, brach sie zusammen. Es war völlig unmöglich aber es musste mit ihr gearbeitet werden. Sie kannte nichts, nicht einmal feste Nahrung (genau genommen gab es eine positive Sache, sie kam ziemlich gut mit den meisten anderen Hunden klar solange das andere Herrchen oder Frauchen nicht redete und ihr nicht näher als 50 Meter kam). Daraufhin meldete ich mich in einem Hundeforum an. Zu Lucys Problemen konnte mir dort leider keiner weiterhelfen trotzdem blieb ich hängen. Bei Jack brauchte ich auch keine Tipps mehr, unser Verhältnis damals war schon unschlagbar toll.

Ich las viel und lernte viel und dann kam Luke und ich stellte sehr schnell fest das Theorie mir nicht hilft. Durch die ganze Theorie hab ich bei Luke mehr Fehler gemacht als bei Jack und Lucy zusammen. Die Theorie sagte A, Luke machte F und so fragte ich den Hundetrainer und der sagte U und ich tat das naheliegenste und folgte dem Rat des Trainers völlig gegen mein Bauchgefühl das spätestens bei K einfach nur noch STOP sagte. Gott sei Dank kamen mein Bauch und ich irgendwann wieder auf eine Wellenlänge seither hab ich alles bei Luke nur noch so gemacht. Nichts desto trotz les ich immer wieder neue Ansätze, ich schaue wie sie sich einfügen und befinde sie entweder für tauglich und schaue sie sanft einzuflechten oder eben nicht. Manches funktionierte auch eine zeitlang und irgendwann dann nicht mehr.

Trotzdem finde ich es wichtig sich auch so viele Informationen wie möglich zu holen aber dann eben nicht Schablonenhaft vorgehen sondern seinen Kopf zu gebrauchen, sehen was zu einem selber passt, was zum Hund passt und zusätzlich auf das Bauchgefühl hören und immer mal wieder Anpassungen vorzunehmen.
 



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