Border Collies haben keinen Hütetrieb?

Erster Hund
Arek 7J.
Moin Moin,

mich treibt gerade das Thema Hütetrieb, Jagdtrieb usw um ...

In einem anderen Forum fragte jemand, ob ein BC für ihn geeignet wäre - ich schrieb einen längeren beitrag der u.a. die Auffassung enthielt "als Hütehund bringt er Hütetrieb mit, das muss man im Alltag beachten".
Promt wurde ich von einem BC-Halter angesprochen:
"BC haben keinen Hütetrieb! Nur einen ausgeprägten Jagdtrieb!!"

Daraufhin diskutieren wir jetzt und ich wollte mal eure Meinung wissen ...

Ich höre zum ersten mal dass ein BC einen "ausgeprägten jagdtrieb" hat.
Der Typ, der das sagte meinte auch, dass viele Züchter und Halter von BC sagen, dass ein BC eben KEINEN angeborenen Hütetrieb hat, nur Jagdtrieb.
Wie gesagt, ich höre es zum ersten mal ...

Der Hütetrieb leitet sich natürlich vom Jagdtrieb ab. Gerade beim Bc das Fixieren, das Anschleichen und das "vor die Speere der Jäger" ;) treiben sind Sequenzen aus dem Jagdverhalten.

Dennoch unterschieden sich doch Jagdverhalten von dem, was Hütehunde so zeigen. So dass man doch von zwei unterschiedlichen Verhaltensweisen/Trieben sprechen kann.

Jemand hat daraufhin eine, wie ich finde, sehr interessante Dissertation verlinkt.
http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/meermanns_ss09.pdf

Darin steht u.a.:
"Die Verhaltensweisen, die Hütehunde bei der Arbeit
gegenüber dem Vieh zeigen, sind
weitgehend genetisch bedingt (COPPINGER und SCHNEID
ER 1995; COPPINGER und
COPPINGER 2001; GERBER-MATTLI 2002; HEBELER 2003) und werden entsprechend
auch als „Hüteinstinkt“ oder „Hütetrieb“ bezeichnet
(PELZ 2004). Dabei leiten sich die
Bewegungsmuster, die Border Collies und Australian
Shepherds an Vieh zeigen, vom
Jagdverhalten des Wolfes ab (HARTNAGLE 1985; HEBELE
R 2003)."

(Seite 10 Punkt 2.2.2)

Hier wird also von Hütetrieb/Hüteverhalten gesprochen.

Außerdem, das "genetische Programm" sagt ihm schon vor Training und Erziehung, ganz automatisch quasi, wie er Schafe - auf welche art und weise - eben hüten soll.

"Border Collies verhalten sich bei der Arbeit an Vieh lautlos, sie zeigen bei frontalerAnnäherung Blickfixieren und Vorstehen mit gesenkter Kopfhaltung und eingezogener Rute.
Diese Körperhaltung löst bei Schafen Fluchtreaktion
en aus (COPPINGER und SCHNEIDER
1995; GRANDIN und DEESING 1998; HEBELER 2003). Hund
e, die zur Arbeit an Vieh
eingesetzt werden, verwenden die Prinzipien der Fluchtdistanz, um die Bewegungen der
Tiere zu kontrollieren (GRANDIN und DEESING 1998).
FINGER (1996) hält eine gute
Schafbeobachtung, die richtige Reaktionseinschätzung und eine behutsam dosierte
Einwirkung auf das Vieh für typische Merkmale angelsächsischer Schafhunde, dabei greifen
bzw. beißen sie außerordentlich selten."

Auch wenn es sich aus dem Jagdtrieb ableitet - DAS was dort beschrieben wird, ist kein Jagdtrieb ...
Schafe auf Abstand halten, weder greifen noch beißen ist nach meinem Verständnis das Gegenteil eines "ausgesprochenen Jagdtriebes".

Wie seht ihr das?
Einfach unterschiedliche begriffe für das selbe Verhalten so dass sich keiner einig wird?
Oder ist was dran an der "BC haben keinen Hütetrieb! Nur Jagdtrieb!"- Theorie.


Ein Argument was vielleicht dafür sprechen würde - fürs "ausgeprägte jagdverhalten":
Jagdverhalten setzt sich aus folgenden Sequenzen zusammen:
Suchen, Entdecken, Anschleichen, Nachjagen, Packen, Töten, Wegtragen und Fressen.
(Quelle: verlinkte Dissertation: 2.3.6 Einordnung des Hüteverhaltens)

Der BC zeigt ja nur 2 der 8 Sequenzen - daher ist es "zu wenig" um als Jagdverhalten zu gelten.
Jedoch weiß ich nicht ob BC auch dann so wenig Sequenzen zeigen, wenn man sie einfach lassen wurde.
Und auf der anderen Seite, Jagdgebrauchshunde, zeigen ja oft auch nur 2-3 von den genannten Jagdsequenzen. Trotzdem sprechen wir hier von einem Jagdtrieb.

Also, auf andere Meinungen bin ich gespannt ^^
Das andere Forum ist leider so klein, dass wir da zu dritt diskutieren - da kommen zu wenig Argumente auf ;)
 
Ich habe mich ja ausgiebig mit Jagdverhalten auseinandergesetzt und komme deshalb zu folgender Meinung ;)

Keiner unserer Jagdhunde zeigt noch die komplette Palette der Jagdsequenzen. Kein Jäger möchte, dass sein Hund die Beute wegschleppt und auch noch auffrisst. Solche Sequenzen werden in der Regel konsequent wegselektiert. Trotzdem zeigen die Hunde noch Jagdverhalten.
Wie du schon schreibst, beginnt das Jagdverhalten mit dem Orientieren. Alles was zwischen Orientieren und Fressen liegt ist Jagdverhalten, egal ob alle anderen Sequenzen auch gezeigt werden oder nicht.
In unterschiedlichen Rassen wurden aufgrund unterschiedlicher Verwendungszwecke auch unterschiedliche Sequenzen entweder besonders gefördert oder eben gehemmt.

Hüteverhalten ist natürlich Jagdverhalten, allerdings ist es dermaßen spezialisiert, dass es in meinen Augen durchaus berechtigt ist, dass man einen eigenen Begriff, nämlich Hüteverhalten, dazu einführt.

Was besagter BC Halter da tut ist in meinen Augen lediglich ein Herumreiten auf Begrifflichkeiten, nur um eben dagegen reden zu können.
Ich habe allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass viele viele Hütehundehalter das Hüteverhalten bei ihren Hunde überhaupt nicht erkennen, bzw. wenn man sie fragt ob ein Hund oder eine Rasse Hüteverhalten zeigt, dann bekommt man immer ein empörtes: Nein Nein, tun sie nicht!
Live und in Farbe sieht das jedoch meistens ganz anders aus....
 
Auch wenn es sich aus dem Jagdtrieb ableitet - DAS was dort beschrieben wird, ist kein Jagdtrieb ...
Schafe auf Abstand halten, weder greifen noch beißen ist nach meinem Verständnis das Gegenteil eines "ausgesprochenen Jagdtriebes".

Ein Argument was vielleicht dafür sprechen würde - fürs "ausgeprägte jagdverhalten":
Jagdverhalten setzt sich aus folgenden Sequenzen zusammen:
Suchen, Entdecken, Anschleichen, Nachjagen, Packen, Töten, Wegtragen und Fressen.

Erst einmal kommt es darauf an welche "Art" Jagdverhalten gemeint ist.
Das nach deiner Beschreibung, welches der Nahrungsaufnahme dient oder das der verschiedenen Jagdhunderassen, welches ebenso wie der Hütetrieb in den Genen verankert ist und auf bestimmte Merkmale selektiert wurde.

Und genau das ist der Punkt:
Ursprünglich waren Hüte- und Jagdtrieb der heutigen Jagdhunde wirklich das ganz normale Jagdverhalten, was dem Überleben dient.
Dieser Trieb wurde dann eben mit der Domestizierung je nach Rasse genutzt, ausgebaut, "umgezüchtet".
Vorsteher, Treibhunde, Apportierhunde, Schweißhunde, Hütehunde,.... natürlich stammt das alles ursprünglich vom Jagdtrieb ab.
Aber es ist eben kein reiner Jagdtrieb mehr, wenn es nicht um die Nahrungsaufnahme oder das Reißen des Wilds geht.
Wir stammen ja auch vom Affen ab, trotzdem würde uns keiner mehr als Pavian oder Chimpanse bezeichnen. :D
Das Kupieren wird in Höhe des zweiten bis vierten Schwanzwirbels durchgeführt.

Ich habe auch eine Rasse, die unter anderem zum Hüten genutzt wurde und teilweise noch wird. Aber der Hütetrieb ist unterschiedlich veranlagt, weil sie je nach Region eben auch ganz andere Aufgaben hatten. Neo z.B. wäre der beste Apportierhund bei der Jagd nach Wasserwild und für jeden Jäger eine Freude. Auch die Schweißarbeit würde er perfekt hin bekommen. Ich denke, dass in seiner Linie häufiger die Hunde zu finden sind, die die Jäger im Marschland begleiteten, bzw. hat sich hier diese Veranlagung besonders stark durchgesetzt. Trotzdem würde er auch das Hüten lernen (Perros sind da Vielseitigkeitshunde). Aber ich schweife ab.
Worauf ich hinaus will:
Smilla z.B. zeigt eindeutige Hütetetrieb. So hatte sie innerhalb von Minuten raus, was sie mit dem Treibball machen soll, was natürlich seinen Ursprung in der Jagd hat. Aber sie zeigt auch sehr starke Tendenzen dazu, ihre Herde zusammenhalten zu wollen - sei es, dass sie es nicht mag, wenn einer von uns zu weit vorgeht oder wir uns unterwegs trennen. Und sie gibt auch zu verstehen was sie davon hält, wenn ein Hund mal zu weit zurück bleibt.
Und das unterscheidet sie eigentlich von Jägern, die doch eher das zu jagende Wild von der Herde abtrennten, wenn ich mich nicht irre.
Vielleicht kann @DieterII da mehr zu sagen, er kennt sich da besser aus.

Daher bin ich der Meinung, dass zwar der Hütetrieb vom Jagdtrieb abstammt, aber er durch die Selektion eben nicht mehr als solcher bezeichnet werden kann.
 
Was ist Jagt und was ist Hüten?

Ich finde schon, dass es sich unterscheidet.
Klar, ist Hüten ein Teil aus der Jagt...

Und egal, wie man es nennen mag, merkt man es gerade
bei Borders oft schon sehr früh und auch nicht nur am
Vieh sondern im Alltag ( was ich bei Jagthunde nie so erlebt habe ).

Und ich habe schon Hunde unter 10 Wochen gesehen, die genau
wusste, dass sie ein Border sind.
 
Also ich stelle mir unter "Jagdtrieb" etwas anderes vor, als das, was Border Collies in der Regel so zeigen. Natürlich gibt es beim Hüte- und Jagdtrieb Ähnlichkeiten bzw Überschneidungen, das weißt du ja selbst und wurde auch hier nochmals aufgegriffen. Ich denke schon, dass Borders einen gewissen Jagd-/ Hetztrieb haben, aber nicht so wie "richtige" Jagdhunde, der Hütetrieb dürfte stärker sein, wenn vielleicht auch nicht immer gleich als solcher erkennbar. Deutlich wird das vermutlich erst, wenn du richtig jagen bzw richtig hüten gehen willst.
 
Ich bin ja da wirklich Laie...
aber ganz grob gesagt: Jagdtrieb hat für mich ein Hund, der eine Spur verfolgt (oder seine Beute sieht) und dann hinterherjagt um die Beute zu erlegen (oder sie dem Jäger zu bringen anzuzeigen usw. ;) )
Hütehunde sind für mich Hunde, die eben z.B. Schafe von A nach B treiben ohne mit dem Ziel die dann bei B zu fressen :D

Aber wie gesagt ich bin da Laie und hab mich damit noch überhaupt nicht intensiver befasst.
 
Ist ein schwieriges Thema.
Ich bin immer Freund davon, das ganz generell als Trieb zu bezeichnen. Ohne Jagd- oder Hüte-. Es kommt immer auf die Situation an. Der Trieb ist ja bei allen Hunden derselbe. Nur die Auslebung ist eben anders und selbst das nicht immer. Es gibt ja durchaus auch Hütehunde die "normal" Jagen. Anders als ein Beagle, aber zu sagen dass ein Border keinen Jagdtrieb hat (sondern einen Hütetrieb) ist auch verkehrt. Und zwei Triebe haben sie auch nicht. Es ist ein und dieselbe innere Motivation.
Ein Beispiel wäre für mich Agi. Da ist ein Border im Trieb. Hat nicht zwangsläufig was mit Hüten zu tun, auch nicht mit Jagen, aber er ist (verhaltensmäßig/körperlich betrachtet) im Jagd-Modus. Und ich denke das ist das, wonach man hier schauen sollte. Wenn die Jagdliche Funktionskette begonnen hat, ist der Hund im Modus, der ihm genetisch vorgegeben ist und fürs Überleben sorgt. Ob sich das bei ihm im Endeffekt als Jagen zeigt wie es in Husky tut oder Aufspüren wie es ein Beagle tut oder Hüten wie es ein Border tut ist dafür völlig irrelevant. Es ist für den Hund absolut dasselbe Gefühl bzw. dieselben Hormone, derselbe Zustand.Trieb ist Trieb.

Deswegen bin ich ehrlich gesagt immer ziemlich genervt, wenn Leute sagen Border hätten keinen Jagdtrieb. Dabei sind die, wenn man es so betrachtet, eigentlich auffällig oft im Jagdtrieb und nur im Gegensatz zu anderen Rassen dabei auffällig oft kontrollierbar.
 
Ich bring jetzt auch einen ganz laienhaften Beitrag.
Ich sag bei meinem Aslan, dass erJagdtrieb hat. Sicht, Spur- alles da. Ich bin aber insgeheim froh, dass er tatsächlich nur hütet bei Sicht. Ich durfte, nicht mit Absicht, schon mal beobachten, wie er 3 Rehe einkreiste und kurze Zeit im Zaume hielt ohne Berührung. Genauso hat er auch schon einen Raubvogel intensivst beobachtet in etwa 8m Entfernung und reagiert durch mal näher ran und wieder weiter weg, der sich im Unterholz verfangen hatte.
 
Ich bin aber insgeheim froh, dass er tatsächlich nur hütet bei Sicht.

Um zu sagen "er hütet" müsste man jetzt die genetische Komponente anbringen. Jagen besteht ja aus verschiedenen Sequenzen. Fixieren, Anschleichen, Hetzen, Packen, Töten und Fressen. Die Frage ist, ob er einfach nicht über das Anschleichen hinaus gekommen ist oder ob tatsächlich da für ihn die genetische Komponente aussetzt. Bei einem "echten" Hütehund ist das nämlich so. Fixieren und Anschleichen laufen in Dauerschleife und werden immer wieder von vorne begonnen.

im Zaume hielt ohne Berührung
Auch hier: Die Beute nicht zu berühren ist nicht unbedingt typisch Hütehund. Cattle Dogs oder Aussies können mitunter durchaus zupacken wenn die Herde nicht spurt. Für den Border wäre das untypisch und ist nur im äußersten Notfall "gestattet". Aber für die weniger sensiblen Hüter ist auch das Teil des normalen Verhaltens. Eben daher finde ich es so schwierig da eine klare Linie zu ziehen.
 
Hütehunde sind für mich Hunde, die eben z.B. Schafe von A nach B treiben ohne mit dem Ziel die dann bei B zu fressen :D

Ein wenig mehr müssen sie schon können :D

Im CBP werden die Hunde zuerst auf ihre genetische Veranlagung getestet.
Heißt der Hund darf noch nicht an Schafen ausgebildet sein.
Er muß sich zuverlässig abrufen und ablegen lassen um das Risiko für die Schafe zu vermeiden. Dann wird der Hund abgeleint zu einer Herde gelassen. Der Besitzer darf seinen Hund nicht beachten.
Dabei zeigt sich dann was der Hund genetisch mitbringt.
Im besten Fall treibt er die Schafe zusammen. Dann sondert er selbstständig einige Schafe von der Herde ab und hält sie auf einer Stelle fest.
Das ist dann der Bei-Hund den der Schäfer später auch in Entfernung selbstständig arbeiten läßt.
Hunde die nur die Schafe zusammentreiben gelten als Halben-Hund. Sie bringen genetisch nicht soviel mit, arbeiten nahe beim Schäfer. Oder werden später über einen längeren Zeitraum zum Bei-Hund ausgebildet.
Beide Hunde lassen sich "leise" von den Schafen abrufen.

Immer wieder mal kommt es bei diesem Test vor das ein Hund in die Jagdsequenz fällt und in Beschädigungsabsicht hinter der Schafherde herhetzt.
Die Hunde sind meist auch kaum abrufbar
Diese Hunde sind von einer Hütelaufbahn und der Zucht auszuschließen.

Das nur mal zur Beschreibung der Unterschiede Hüte-Jagdhund.
Bei den Jagdhunden gibt es je nach Verwendung so viele Unterschiede des "Jagdverhaltens" das ich dazu nichts schreibe.
 



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