Abschied - der technisch-organisatorische-medizinische Aspekt

Am Ende des Lebens steht der Tod, das ist nun mal so. Und er rückt mit jeder Sekunde ein bischen näher.
Auch bei unseren Hunden.
Da es den wenigsten Hunde vergönnt sein wird, friedvoll einzuschlafen, steht der Hundehalter - also irgendwann (wobei "irgendwann" auch bei einem heute jungen gesunden Hund schneller eintreten kann als gedacht) auch wir alle - dann vor der Frage:

"Wie soll es geschehen"?

Daraus ergibt sich schon, dass es mir jetzt nicht um den Zeitpunkt geht sondern mehr um den technisch-medizinischen Vorgang des Tötens - oder netter: Euthanasie - an sich bzw. um die Organisation desselben.

"Meine Güte" mag man sich jetzt denken, "wie schreibt der denn? So kalt und gefühllos. Hier geht es doch nicht um den Ölwechsel beim Auto".

Stimmt - und ich schreibe ganz bewusst so. Es ist nämlich Organisation und bisweilen Auseinandersetzung. Es ist Recherche und Vorbereitung. Es ist Befassung mit den finalen Dingen dieses Lebens. Mist ist sowas - aber unvermeidlich.
Es ist im Grunde nicht anderes als "Funktionieren" - dies allein deshalb, um dem geliebten Tier - das womöglich auch gehen will - die letzten Minuten auf dieser Erde so angenehm wie möglich zu machen bzw. einen unangenehmen Tod zu vermeiden.
Und dieses Funktionieren geht eben nur, wenn man Bescheid weiss und es bekannt ist, worauf zu achten ist. Emotionales Gutmenschengequatsche mit anschliessendem Rumgejammer - wenn es daneben geht - nutzt nix und ggf. kriegt der Hundehalter bestimmte Dinge anschliessend auch nicht mehr von der Seele und macht sich ewig lange Vorwürfe.

Dies zu vermeiden ist auch Sinn dieses Threads.

In der Regel pflegen Haustiere eingeschläfert zu werden und sowas macht der TA. "Der macht das schon richtig" mag man sich denken, "ich vertraue ihm".
Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser. Übersicht und vernünftiges, selbst bestimmtes Handeln noch besser.

Das Problem ist die Wahl des Mittels, hier im Grunde das einzige Problem.
Andere Dinge - zu Hause in bekannter Umgebung oder in der Praxis des TA - sollen hier zunächst eine untergeordnete Rolle spielen.

Es gibt als Einschläferungsmittel das berühmt-berüchtigte T 61 - ein Derivat der y-Hydroxy Buttersäure. Dieses Mittel darf nur bei vorheriger tiefer Narkose des Tieres angewendet werden, da ansonsten - vereinfacht formuliert - ein grauenhafter Erstickungstod bei Bewusstsein eintreten kann, obwohl nach dem äusseren Eindruck des Laien das Tier "friedlich" einschläft.

Dieses Mittel ist also risikobehaftet, die Narkose kann fehlschlagen, ist nicht tief genug oder noch nicht erreicht. Im übrigen brennt das Präparat fürchterlich beim Injizieren.

Bei richtiger Anwendung führt es einen schmerzlosen Tod herbei, keine Frage. Aber die Verwendung bietet Risiken.

Andere Mittel sind "Narcoren", "Release" oder "Eutha 77", es handelt sich dabei um Pentobarbiturate.

Also risikolose Mittel an sich, fachgerechte Anwendung durch den TA (Venenzugang bzw. die zu unterstellende Fähigkeit, überhaupt eine Spritze vernünftig setzen zu können) vorausgesetzt. Eine vorherige Sedierung des Tieres ist bezogen auf das Mittel an sich nicht erforderlich, um den Vorgang etwa bei Abwehrbewegungen des Tieres zu erleichtern indes zu empfehlen.


TÄ sind Dienstleister, die uns mit ihrem Wissen naturgemäß weit überlegen sind, keine Frage. Aber es sind keine Götter.

Und daher würde ich - wenn ich nicht seit 26 Jahren mit meiner TÄ eng befreundet wäre und genau wüsste, dass ich mich blind auf sie verlassen kann (sie hält im übrigen T 61 für Teufelszeug)- wie folgt vorgehen:

1. Den Vorgang vorher in Ruhe mit dem TA (des Vertrauens oder des geringsten Mißtrauens) in allen Einzelheiten besprechen, bei Unklarheiten nachfragen, nachfragen, nachfragen.

2. Nachfragen, welches Mittel verwendet wird.

3. Darauf bestehen, dass kein T 61 verwendet wird, egal was der TA sagt oder gegenargumentiert. In eines meiner Tiere kommt kein T 61. Punkt.

4. Notfalls die Flasche mit dem Mittel vorher zeigen lassen oder - besser - einen anderen TA suchen.

5. Wenn irgend möglich, das Tier zu Hause in vertrauter Umgebung mit den vertrauten Menschen gehen lassen. Unruhe, Aufregung oder Hektik vermeiden, notfalls selbst vorher ein Beruhigungsmittel einnehmen. Jeden nicht unbedingt notwendigen Menschen rausschmeissen.

6. Die Dinge mehrmals durchdenken und die Unabänderlichkeiten des Lebens akzeptieren. Das macht es leichter.

7. Das Tier in den letzten Minuten nicht alleine lassen, egal wie schwer das fällt (Kinder ausgenommen). Völlig egal, wie schwer. Es geht um das Tier, nicht um das, was der Mensch dabei empfindet. Der kann sich hinterher zusaufen, weinen, klagen, jammern oder 3 Stunden schreiend durch den Wald laufen. Alles völlig in Ordnung. Aber in dem Moment funktioniert er. Punkt, aus.

Wenn alle diese Dinge beachtet werden, hat mein Tier einen guten Tod. Wenn nicht, macht man sich Vorwürfe. Möglichereise sehr lange. Und es nutzt dann nichts, dies auf den TA zu schieben.
Es ist meine Verantwortung dem Tier gegenüber. Und einen größeren Liebesdienst als in diesem schweren Moment kann ich ihm kaum erweisen.
Und daher braucht es Vorbereitung - und sachgerechte vernünftige Organisation.
 
Super danke! Das hat mich schon lange interessiert!
Ich habe auch schon vom berüchtigten T 61 gelesen.

Es ist manchmal, besonders bei solchen Themen, wichtig, nüchtern zu schreiben. Und nicht so übertrieben emotional. Finde ich gut.
Das am Ende jeder mit tränen in den Augen da steht und wimmert, wenn vor ihm das geliebte Tier, egal ob Maus oder Pferd liegt, ist klar....
 
Danke für den Thread. Gern macht man sich über dieses Thema ja keine Gedanken aber besser "in guten Zeiten" als wenn das Tier schon krank ist und man vor Sorge nicht mehr richtig denken kann.

Ich hatte ja schon geschrieben, dass ich bis jetzt nur eine meiner Katzen einschläfern lassen musste.
Hinterher habe ich Zweifel bekommen weil Josy innerhalb von 5 Minuten tot war und habe dann von dem Mittel bei dem das Sterben friedlich aussieht, für das Tier aber eine Qual ist, gelesen. Die TÄ hat die Vorgehensweise mit uns besprochen, was genau mit Josy passiert und welche Möglichkeiten wir danach haben. Daher habe ich in dem Moment keinen Anhaltspunkt dafür gesehen, dass die TÄ der Katze unnötige Qualen bereiten könnte.

Wenn ich wieder ein Tier einschläfern lassen muss werde ich auf jeden Fall fragen was das Tier gespritzt bekommt. Bei meiner Katze habe ich nicht mehr bei meiner TÄ nachgefragt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Toll geschrieben, Fakten - für jeden verständlich :danke:


Da es den wenigsten Hunde vergönnt sein wird, friedvoll einzuschlafen...

Also bei uns sind bisher "nur" 2 eingschläfert worden. Eine mit 14 Jahren und eine mit 11 Wochen

Gestorben sind insgesamt 4. Mit 13, 10, 7 und 2 (letztere wurde überfahren)
 
Dieter, sehr gut geschrieben und eine wichtige Ergänzung zu dem anderen Thema Einschläferung.

Zu diesem Punkt möchte ich noch etwas anmerken:

4. Notfalls die Flasche mit dem Mittel vorher zeigen lassen

Seitdem bekannt ist, welches Teufelszeug das T61 ist, wurden wohl viele Tierärzte von ihren Kunden gefragt, ob sie das T61 verwenden. Da sie ahnen, warum diese Frage gestellt wird, behaupten sie, sie verwenden das nicht und nennen dann eines der anderen Mittel.

Ich habe zweimal festgestellt, dass das eine Lüge ist.
Ich habe sowohl in meiner Hausarztpraxis als auch in einer Tierklinik vorher gefragt, ob T61 verwendet wird.
Das frage ich schon lange bevor es so weit ist, damit ich in Ruhe darüber reden kann.
Das wurde in beiden Fällen verneint.

Als es dann so weit war, dass ein Hund eingeschläfert werden musste, hatte der Arzt der Tierarztpraxis und auch der in der Tierklinik die Flasche mit dem T61 in der Hand.
Die Ärzte waren nicht dieselben, mit denen ich vorher gesprochen hatte. In meiner Hausarztpraxis sind nachts andere Tierärzte da, in einer Tierklinik ist ohnehin Schichtdienst.

In beiden Fällen musste ich mich auf eine mühsame Diskussion einlassen, weil ich das Mittel für meinen Hund nicht wollte. Obwohl ich ganz klar in meiner Aussage war, haben sie meine Entscheidung nicht einfach akzeptiert, sondern erst lange geredet.

Darum lasse ich mir tatsächlich die Flasche vorher zeigen, bevor die Spritze aufgezogen wird.
Ich verstehe gar nicht, welchen Nachteil Tierärzte durch die anderen Mittel haben. Die anderen Mittel sind wohl teurer als das T61, aber ich muss es ja bezahlen.
 
Dieter, sehr gut geschrieben und eine wichtige Ergänzung zu dem anderen Thema Einschläferung.

Danke - ja es passt in den Zusammenhang.

Darum lasse ich mir tatsächlich die Flasche vorher zeigen, bevor die Spritze aufgezogen wird.
Ich verstehe gar nicht, welchen Nachteil Tierärzte durch die anderen Mittel haben. Die anderen Mittel sind wohl teurer als das T61, aber ich muss es ja bezahlen.

Das ist auch vernünftiger und sicherer. Aber welche Hundebesitzer bringt die Sachlichkeit in den Momenten auf?
Der HH bezahlt das teurere Narcoren oder Release. Daher hast Du Recht und es kann nur mit einer gewissen Gottähnlichkeit zusammenhängen, die sich manche TÄ noch zubilligen.

Ich habe von vergleichbaren Erfahrungen mit der Narkose - bzw. dem Mittel dafür - gehört. Es gibt ein billiges Mittel auf Morphinbasis (Namen hab ich vergessen), die Tiere laufen noch Stunden nach der Narkose schreiend durch die Gegend, versuchen schwankend wegzulaufen, legen sich hin zum Schlafen und schreien fürchterlich während des Schlafes und ähnliche Verhaltensweisen. Es dauert insgesamt viele Stunden, bis die Tiere wieder "da" sind.

Wesentlich schonender sind teurere Narkosemittel, die der Patientenbesitzer ja schliesslich auch bezahlt. Riesige Summen für das Mittel können das ja auch nicht sein.

Es ist wie immer im Leben. Der informierte Verbraucher, Kunde oder Patientenbesitzer ist auf der sicheren Seite. Und das kann eben mühsam sein, diese Recherche, dieses Abwägen, dieses Durchspielen der Dinge. Es wird gerne verdrängt und verschoben - das ist allerdings menschlich - und im schlimmsten Falle leidet das Tier.
 
Daher hast Du Recht und es kann nur mit einer gewissen Gottähnlichkeit zusammenhängen, die sich manche TÄ noch zubilligen.

Ich weiß bis heute nicht, warum die TÄ das T61 so vehement verteidigt haben.
Schließlich haben sie zum Schluss doch ein anderes Mittel aufgezogen.
Auf meine Frage, dass ich doch die Rechnung bezahle und es ihnen damit egal sein kann, habe ich keine Antwort bekommen.

Das hat mein Vertrauen ziemlich gestört.
Manchmal habe ich sogar den Gedanken, dass Tierärzte das T61 auch in andere Flaschen umfüllen können.
 
Vielen Dank Dieter für die Aufklärung.
Ich hatte zwar schon flüchtig von T61 gehört, mir bis jetzt aber noch keine weiter gehenden Gedanken gemacht, da ich noch kein Tier einschläfern lassen musste.

Ich habe allerdings schon vor längerer Zeit mit meinem Tierarzt besprochen, dass er zu uns nach Hause kommt, falls Einschläfern jemals im Raum stehen sollte. Ich fände es furchtbar, wenn ich dafür mit dem todkranken Tier in die Praxis fahren müsste.

Wenn ich das nächste Mal bei ihm bin, werde ich mich detailliert erkundigen, wie er einschläfert und werde mir, im Fall der Fälle, die Flasche zeigen lassen.


Ich weiß bis heute nicht, warum die TÄ das T61 so vehement verteidigt haben.
Schließlich haben sie zum Schluss doch ein anderes Mittel aufgezogen.
Auf meine Frage, dass ich doch die Rechnung bezahle und es ihnen damit egal sein kann, habe ich keine Antwort bekommen.

Das hat mein Vertrauen ziemlich gestört.
Manchmal habe ich sogar den Gedanken, dass Tierärzte das T61 auch in andere Flaschen umfüllen können.

Mir ist das auch ein Rätsel.
Aber was wäre, wenn sie gar kein anderes Mittel vorrätig haben?
Wenn jeder Tierarzt das teure Mittel hätte, warum sollte er es denn dann nicht verwenden? Das verfällt doch auch irgendwann.
Und das bringt mich dann schon dazu, darüber nachzudenken, ob sie womöglich umfüllen. Ganz besonders, wenn sie ein oder zweimal eine entsprechende Diskussion hatten.
 
Ich weiß bis heute nicht, warum die TÄ das T61 so vehement verteidigt haben.
Schließlich haben sie zum Schluss doch ein anderes Mittel aufgezogen.
Auf meine Frage, dass ich doch die Rechnung bezahle und es ihnen damit egal sein kann, habe ich keine Antwort bekommen.

Das hat mein Vertrauen ziemlich gestört.
Manchmal habe ich sogar den Gedanken, dass Tierärzte das T61 auch in andere Flaschen umfüllen können.


Auf KEINEN Fall rechtfertigt das in meinen Augen die Verwendung von T61 - aber eine mögliche Erklärung ist, dass fast alle anderen Mittel zur Euthanasie unters BTM-Gesetz fallen - und damit bei der Bestellung, Lagerung und Verwendung ein etwas höherer "bürokratischer" Aufwand anfällt. (Bei der Bestellung bzw Lieferung muss ein Formular ausgefüllt und an den Händler zurückgesendet werden, über jeden Zehntel-Milliliter muss Buch geführt werden - mit Angaben zum "Verbleib" des Medikaments - d.h. Angaben zu Tier und Besitzer). Zumindest für die TÄe, die ihre Kundenkartei noch "per Hand" führen, ist das etwas mehr Arbeit, die gängigen Praxissoftwares machen das mehr oder weniger automatisch.

Wie gesagt, es gibt TÄe, die mit genau diesem Argument begründen, dass sie T61 verwenden.

Gruß
Bettina
 



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