Aber wie schon gesagt, dieses Forum hier regt mich deutlich dazu an, vieles zu überdenken. Ich hab schon recht gut gelernt, von meinem Hund nicht mehr als Krümelchen zu sprechen, sondern als kleiner Köter - da sollte man sich nicht so anstellen. Und den gleichen Tenor lese ich auch in diesem Thema hier: Stellt euch doch nicht so an! Was wohl Sinn macht, das auch mehr in den Alltag zu übernehmen. Wieso sich damit belasten, dass man andere Leute belästigen, einschränken, gefährden könnte? Wenn ich auf was Bock habe sollte ich das einfach tun!
Ich gebe zu, wann immer ich so eine Reaktion von dir lese (ist ja nun nicht das erste Mal), stellt sich mir kurz die Frage, ob du nun allgemeinen Zuspruch möchtest, so quasi als Trotz-Reaktion oder ob du das wirklich so meinst. Bei den meisten Menschen würde ich eine Trotz-Reaktion vermuten - so wie ich dich über das Forum hier einschätze, kann ich mir aber gut vorstellen, dass du das wirklich so meinst.
Zum Einen... ich weiß nicht genau wo diese Sache mit "Krümelchen" oder "Köter" so herkommt, aber ich denke auch, dass du hier überreagierst. Ich nenne meine Hunde auch mal "das Getier" ebenso wie ich meinen Lebensgefährten "der Mann" nenne - deshalb schätze ich sie doch nicht geringer...
Zum Anderen... Was die Rücksichtnahme angeht finde ich deine Interpretationen völlig in die falsche Richtung gehend.
Erstens: Wenn ich möchte, dass sich ein Verhaltensmuster in der Gesellschaft durchsetzt erreicht man das nur mäßig durch übertriebene Verbote. Regeln kann man nämlich brechen und genau jene Menschen, die ohnehin schon keine Rücksicht nehmen oder sich verantwortungslos verhalten, haben oft einen Hang dazu regeln zu brechen. Die Verbote werden also gerade jene, die das wirkliche Problem sind, nicht davon abhalten zu tun, was immer sie tun. Je mehr Regeln und je einengender die Regeln, umso mehr Leute werden sich dagegen auflehnen.
Zweitens: Viel erfolgsversprechender ist die Aufklärung der Menschen UND das Vorleben des gewünschten Verhaltens. Es wird also überhaupt keinen Sinn machen dich nun weniger rücksichtsvoll zu verhalten. Weder für dich, weil du dich damit nicht wohler fühlen wirst, noch für die anderen, die in einer zunehmend rücksichtslosen Welt leben. Die Dinge werden sich nur ändern, wenn man sich in einer Umwelt, in der viele anders denken und handeln als man selbst, nicht umkrempeln lässt und/oder davon läuft, sondern mit gutem Beispiel voran geht und
zeigt, dass es auch anders geht. Egal in welchem Bereich. Deshalb finde ich die Leute, die sagen "na in diese Hundeschule gehe ich nicht, weil da hat mal jemand an einer Leine geruckt" immer recht amüsant. Das macht schon Sinn, um seinen Hund zu schützen und ist natürlich auch ok, wenn man Anfänger ist und wirklich viel lernen möchte und muss, aber je nach Trainingsziel wäre es doch viel schöner sich dort hinzustellen, klar nach Außen zu kommunizieren, dass man das nicht macht und allen Anwesenden über lange Sicht zu zeigen, dass man auch ohne Leine rucken genauso gute Erfolge erzielen kann. Wäre ich damals bei den Trainingspraktiken meiner Beginn-Rettungshundestaffel (berechtigterweise) schreiend davongelaufen, würde das wahrscheinlich immer noch so gehen.
Mit gutem Beispiel voranzugehen ist aber nicht immer leicht. Es braucht Überzeugung, Leidenschaft und Rückgrat
Drittens: Es ist ebenso Rücksichtnahme wenn man bereit ist zu erkennen, dass für viele Menschen Feuerwerk und Böller KEIN Teufelszeug sondern etwas Tolles ist und das auch so akzeptieren zu können. TinaH hat das schon schön beschrieben. Ich persönlich habe als Kind Feuerwerke geliebt. Silvester war für mich der Höhepunkt des Jahres und ich wollte immer bis Mitternacht aufbleiben, einfach um gemeinsam mit meinem Vater Raketen schießen zu dürfen. Nur geböllert haben wir nie. Ich bin aber auch in einer Jägerfamilie groß geworden und alle Hunde in meinem direkten Umfeld waren schussfest. Nur der Hund meines Opas hatte ein Problem damit, der reagierte aber mit Verbellen und wollte hinter den Raketen hinterher. Mein Opa hat ihn immer angefeuert, das fand ich schrecklich und ich erinnere mich, wie ich ihn einmal direkt an Mitternacht anschrie, er solle doch den Hund endlich in Ruhe lassen und ins Haus geben - hatte der damals nicht nachvollziehen können. In seinen Augen hatte der Hund eine Freude. Heute brauche ich Feuerwerk auch nicht mehr, kann die Faszination, die das Ganze für viele Menschen darstellt, aber gut nachvollziehen.
Tatsächlich glaube ich gar nicht, dass man alles auf panische Auslandshunde und schlechte Prägung schieben kann sondern ich denke, dass ein ganzer Teil aus anderen Fraktionen besteht. Nicht jede Angst kommt durch ein schlechtes Erlebnis.
1. Etliche Menschen (natürlich nicht alle) machen ihren Hunden auch unbewusst zu einer Schissbüchse. Wenn von einem sensiblen Hund gesprochen wird meinen alle heute, dass wären dann welche, die nur mit Samthandschuhen anzufassen sind und die werden betüddelt, vermenschlicht und sonstwas. Dem Hund bei Angst Schutz bieten nehmen viele zum Anlass, mit ihm unter die Decke zu kriechen und ihn mit Grabesstimme zu trösten und zu bemitleiden (so eine Tonart prägt sich auch ganz schnell ein), anstatt ihm Schutz zu bieten und gleichzeitig als anleitende Person vorzuführen, dass trotzdem alles soweit in Ordnung ist.
2. Einige Ängste scheinen einfach da zu sein, genau wie einige Menschen Angst vor Spinnen oder Schlangen haben. Da kann man prägen was das Zeug hält. Nicht umsonst gibt es auch bei Jagdhunden Vertreter, die aber mal gar nicht schussfest sind, obwohl der Züchter das volle Prägungsprogramm diesbezüglich abgefahren hat. Und ich vermute, dass da auch teilweise ein Stück Vererbung mitmischt - manche Welpen erben das halt einfach nicht, so wie der erste Deutsch Kurzhaar meiner Schwiegereltern, der aus Leistungslinie stammte und der der Einzige im Wurf war, der Schüsse voll blöd fand, trotz Prägungsversuche des Züchters. Oder eben Neo, der jeden Böller sofort würde apportieren wollen - seine eine Tochter wollte das jetzt auch. Beide finden aber Trecker und laute Bikes an der Straße doof.
3. Und dann gibt es natürlich immer noch den Eigencharakter des Hundes, weshalb eine Prägung auch von Welpe zu Welpe unterschiedlich verläuft, weshalb nicht alle Hunde gleich sind und auch nicht alle Geschwister.
Ich denke, dass viele Dinge eine Rolle spielen können bzw. oft mehrere Faktoren zusammenspielen. Was ich aber durchaus auch erlebe sind Menschen, die Hunde unbewusst aktiv in die Schussangst treiben. Für unsere Einsatzhunde ist Schussangst tatsächlich ein Ausschlussgrund - Hunde die nicht schussfest sind gehen nicht in den Einsatz. Das führt zu entsprechender Angst davor bei einigen Hundeführern und wir haben hier in der Staffel eine Hündin, die derart schussängstlich ist, dass sie nicht mehr einsatztauglich ist, weil man es ihr (damals noch mit einem schlechtem Trainer) eintrainiert hat. Zwei Hunde haben wir aktuell, wo es Schwerstarbeit ist, den nervösen Haltern halbwegs Gelassenheit mitzugeben, dass sie aus den früher schussfesten und mittlerweile ziemlich nervösen Hunden keine untauglichen Hunde machen. Das fängt damit an, dass man da schnell mit dem Hund wegfahren muss, wenn geschossen wird und dort aufpassen muss, weil geschossen wird und weiß Gott was. Diese Halter haben primär Angst davor, dass ihr Hund Angst vor dem Schuss hat, spannen sich entsprechend an und die Hunde bekommen das mit. Wer dagegen ein Rezept hat - immer her damit. Ich rede mir den Mund fusselig, versuche es beim Collie vorzuleben und wir verbuchen bei der ersten Hündin (die die verständigste Halterin hat, nur einen schlechten vorherigen Trainer) gut Trainingserfolge. Aber die beiden, die sich aktiv einreden, ihr Hund könnte ein Problem bekommen, krieg ich aus dem Denken nicht raus. Und solange die so denken, werden die Hunde nicht entspannter.
In meiner Idealwelt braucht es übrigens keine alleinigen öffentlichen Feuerwerke und Verbote für Privatgebrauch. Mir würde es reichen, wenn die Menschen rücksichtsvoll und verantwortungsvoll damit umgehen und primär an zwei relevanten Tagen (31.12. & 01.01.) schießen würden - auch in der Stadt. Ich denke damit könnten viele Menschen (und deren Hunde) gut leben. Das sind dann 2 Tage Lärm, ist blöd aber denke ich für jeden verkraftbar. Die Probleme kommen ja nicht vom Feuerwerk per se, sondern weil die Dinger nach Menschen, Hunden, etc. geschossen werden und weil man dem Ganzen vor allem in der Stadt wochenlang nicht entfliehen kann. Zumindest zu meiner Zeit war Wien von Mitte Dezember bis Ende Jänner Dauerkriegsgebiet. Mir wurde allerdings gesagt, dass sich das in den letzten Jahren deutlich gebessert hat.