Positive Verstärkung in der Hundeerziehung - eine kritische Betrachtung

@miwok @Bubuka

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Vielen Dank für euer Verständnis.

Torsten
 
Nachdem das Thema mal wieder sehr persönlich geworden ist, ist mir ziemlich die Freude am Diskutieren vergangen.
Um das Ganze zum Abschluss zu bringen, greife ich nochmal den Anfangsgedanken auf.

Unter operanter Konditionierung versteht man die Beeinflussung eines gezeigten Verhaltens durch ein Resultat auf dieses Verhalten. Das passiert auch ohne Einfluss durch den Menschen.

Beispiel:
Der Hund sieht das erste Mal einen Igel, versucht den zu greifen und lernt die schmerzenden Stacheln kennen.
Wenn der Hund nicht völlig jagdbesessen ist, wird er das nächste Mal vorsichtiger bei einem Igel sein.
Der Hund hat eine Verhaltensweise mit einer Konsequenz verknüpft.

Es wurde nun ewig darüber diskutiert, dass ja jeder seinen Hund - bewusst oder unbewusst - konditioniert.
Das war aber nicht das Thema, worauf ich hinauswollte.
Es ging mir darum, mal zu diskutieren, ob Belohnungen besser sind als Strafen, denn Belohnungen und Strafen sind zwei Seiten derselben Medaille. Strafen als Erziehungsmethode schadet dem Hund und ist überholt.

Die positive Konditionierung hat sich nun als Erziehungsmethode durchgesetzt.
Ein Lernverhalten, welches automatisch stattfindet, wurde als Methode kultiviert - und das ziemlich extrem.
Dabei ist nach meiner Ansicht etwas Wesentliches verlorengegangen:
Der soziale Umgang mit dem Hund.


Mal ein Beispiel:
Ich habe schon von erfahrenen Hundehaltern gehört, dass sie einen Welpen für jeden zufälligen Blickkontakt klickern.
Der natürliche Folgetrieb wird jedesmal mit einem Leckerlie oder einer "Party" belohnt.
Ich lehne so etwas für meine Erziehung ab. Ein beim Welpen noch selbstverständliches soziales Verhalten würde ich niemals belohnen. Ich möchte seine Eigenmotivation erhalten - die intrinsische Motivation.
Natürlich freue ich mich über einen Welpen, der mir folgt. Aber ich setze diese Freude nicht als Methode ein.

Eine intrinsische Motivation kann durch Belohnungen zerstört werden.
Die ganzen Forschungsergebnisse kann man nicht ignorieren und sollten evtl. mal Gegenstand der Diskussion sein.
Der ganz natürliche Antrieb dieser inneren Motivation ist das Streben nach Autonomie, Kompetenz und soziales Eingebundensein. Wenn diese Ziele erreicht werden, ist der Hund glücklich.

Durch Glückshormone wird die Eigenmotivation belohnt. Diese Belohnung wirkt viel nachhaltiger als z. B. ein Leckerlie oder eine "Party" von außen (extrinsisch).
Wer jetzt denkt, dass Autonomie zu Ungehorsam führt, übersieht, dass der Hund ein soziales Wesen ist, welches sozial eingebunden sein möchte.

Ich finde es wichtig, dass der Hund eigenständig entscheidet, sich vom Menschen führen zu lassen.
Das erreicht man nicht durch Belohnung, sondern durch soziale Kompetenz.

Vielleicht versucht ihr mal ein Experiment.
In einer liebevollen Partnerschaft werden beide Partner viel für den anderen tun, einfach von sich aus.
Man übernimmt mal das Kochen und kocht das Lieblingsgericht des Partners.
Man nimmt ihm mal Arbeiten ab, von denen man weiß, er mag die nicht besonders.
Man überrascht ihn mit Kinokarten oder einem Buch.

Nun müsst ihr mal jeden dieser Liebesbeweise mit einer Tafel Schokolade oder einem Lob belohnen.
Ich glaube, das würde sehr, sehr komisch ankommen und den Partner sehr demotivieren.
 
Ich finde es wichtig, dass der Hund eigenständig entscheidet, sich vom Menschen führen zu lassen.
Das erreicht man nicht durch Belohnung, sondern durch soziale Kompetenz.

Und wie soll das im praktischen Alltag aussehen?
Ich rufe "hier" und der Hund "sagt sich": "nöö, jetzt entscheide ich mich dafür, dem verführerischen Duft der Hasenspur hinterher zu laufen".
Oder - siehe Aufregerthread, Beitrag von Angela -: "dahinten ist ein Hund, da laufe ich jetzt hin und will mit dem spielen" (alternativ: will den verprügeln).
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir waren uns doch soweit einig, das positive Bestätigung nicht gleich Leckerli ist.
Kommt der neue Hund freiwillig zu mir, werde ich ihm meine Freude zeigen. Er muß ja merken, dass er in meiner Nähe willkommen ist. Da reicht ein freundliches Wort oder ein kurzes Streicheln.
In deinem Beispiel bedeutet das:
Wenn ich etwas für meinen Partner tue, erwarte ich doch, dass er es zur Kenntnis nimmt. Auch da möchte ich doch ein Lächeln oder ein"Danke". Nicht jedes Mal, aber öfter. Würde mein Partner nicht reagieren und alles selbstverständlich nehmen, besonders wenn ich seine Bedürfnisse über meine stelle, wäre es mit der Liebe schnell vorbei.
Will ich, dass der Hund lernt, genau dann zu kommen, wenn ich es will, muss es sich für ihn lohnen. Es muß ihm wichtiger sein als das, was er gerade tut.
 
Ein ganz wesentlicher Unterschied ist, dass ich weiß dass ich mit dem Kochen einen Gefallen tue. Ein Hund weiß nicht dass das ignorieren anderer Hunde an der Leine ein Gefallen oder eben wünschenswert ist.
Du sagtest doch, dass du Verhalten deiner Hunde nicht bewerten oder kategorisieren willst. Aber mit der Erwartung der Hund würde sich aus guter Bindung heraus für das deiner Ansicht nach Wünschenswerte Entscheiden, setzt doch voraus dass er auch von sich aus weiß, was das ist. Und das kann er doch gar nicht, egal wie viel er Teil des sozialen Gefüge sein möchte. Das muss er von außen lernen, Menschen doch genau so. Jemand der sein Leben lang von seiner Mutter bereitwillig bekocht würde hält es auch für selbstverständlich dass sie das tut wenn ihm nie etwas anderes gesagt oder vermittelt wurde.
 
Kommt der neue Hund freiwillig zu mir, werde ich ihm meine Freude zeigen. Er muß ja merken, dass er in meiner Nähe willkommen ist. Da reicht ein freundliches Wort oder ein kurzes Streicheln.
Will ich, dass der Hund lernt, genau dann zu kommen, wenn ich es will, muss es sich für ihn lohnen.

Das ist das Gegenteil von dem, was ich mache. Oder vielmehr setze ich viel früher an.
Kommt ein neuer Hund ins Haus (egal ob Welpe oder Tierschutzhund) dann biete ich ihm erstmal ein Zuhause an für seine entwurzelte Seele. Das ist so viel mehr als Futter, ein Schlafplatz, freundliche Worte.

Hier kommen wieder die Begriffe Achtung, Respekt, Verständnis, Angenommen werden, den Hund nicht bewerten (falsch/richtig) ins Spiel.
Die Reaktionen auf diese Begriffe sind immer gleich: Entweder findet man das totaaal selbstverständlich oder es wird von einigen lächerlich gemacht.
In der realen Umsetzung sieht das oft ganz anders aus, da schwinden diese "selbstverständlichen" Grundlagen schnell dahin.

Ich weiß nicht, ob jemand von euch schon mal ganz allein für längere Zeit in einer ihm fremden Familie aufgenommen wurde oder mal ganz allein auf Reisen war.
Diese Situation haben Hunde, die in eine fremde Familie kommen. Sie haben alles verloren, was ihnen vertraut war.
Sie haben dann weder einen guten Freund, noch einen Lebenspartner dabei, der ihnen vertraut ist.

In dieser Zeit der Entwurzelung haben Hunde und Menschen ganz feine Antennen, es ist eine äußerst sensible Zeit.
Sind die Gastgeber nach außen sehr freundlich, aber innerlich etwas genervt oder gestresst von dem Gast - dann spürt man das sofort. Das Hochziehen einer Augenbraue, das tiefere Durchatmen um gelassen zu wirken, das etwas eingefrorene Lächeln.... all das registriert der Gast (der Hund). Er fängt an, sich unbehaglich und am falschen Platz zu fühlen.

Bestes Beispiel sind die vielen Welpenhalter, die gaaanz selbstverständlich wissen, dass ein Welpe noch nicht stubenrein ist.
Vollstes Verständnis für den Welpen, ABER nach 2 Wochen sind sie verzweifelt, wenn der Welpe noch genauso oft reinpinkelt wie am Anfang. Sie schreiben dann verzweifelt in ein Forum:

"Ich verstehe das nicht, ich schimpfe nicht mit dem Welpen, wische die Pfütze wortlos weg, draußen bekommt der Welpe Lob und Party und wir sind immer noch kein Stück weiter."
Man kann noch so brav seine positive Konditionierung machen, der Welpe merkt die Ungeduld und Verzweiflung.
Er fühlt sich nicht mehr 100 % angenommen. Kommt dann weiteres Genervtsein des Hundehalters hinzu über kaputte Schuhe, das wilde Temperament des Welpen, dann fühlt er sich immer weniger angenommen.

Ein anderes Beispiel bieten Pflegehunde bzw. Tierschutzhunde.
Angeblich gibt man ihnen ja alle Zeit der Welt und hat viel Geduld. Aber auch hier sieht die Realität oft anders aus.
Weiß der entwurzelte Hund die ersten Tage nicht, wohin mit sich selbst und wo sein Platz in der neuen Welt ist, entsteht schon die erste Ungeduld, eine genervte Haltung. Kommt noch Stress mit einem Ersthund hinzu, denkt man darüber nach, ob die Aufnahme des Hundes ein Fehler war. Der ohnehin verunsicherte Hund merkt das sofort und kann sich nicht verwurzeln.
Sein Verhalten wird noch unsicherer.

Achtung, Respekt, Verständnis, Angenommen werden, den Hund nicht bewerten bedeuten in der ganzen Konsequenz dem neuen Hund einen Lebensplatz für die Seele anzubieten - ohne wenn und aber. (Das gilt auch für ein Übergangszuhause für Pflegehunde.) Der Hund kann sich 100 % angenommen fühlen.

Man akzeptiert seine Schwächen, seine Unvollkommenheiten, denkt nicht darüber nach, ob die bleiben oder ob man die "rausbekommt". Ist der Hund nicht stubenrein, nimmt man das gelassen hin.
Man gibt dem Hund das sichere Gefühl, dass er bleiben kann, so lange es nötig ist.
Ist der Hund unsicher, bietet man ihm die eigene Sicherheit und Gelassenheit als Schutz und Leitplanke an.
Man vertraut darauf, dass er alles in sich trägt, was ein wundervoller Hund braucht.

Wenn der Mensch für den Hund sein seelisches Zuhause ist, dann fühlt er sich wohl in dessen Nähe.
Er sucht diese Nähe immer wieder von allein und mit Freude.
Das braucht dann keine Bestätigung wie Lob oder Leckerlie.
 
Wenn ich etwas für meinen Partner tue, erwarte ich doch, dass er es zur Kenntnis nimmt. Auch da möchte ich doch ein Lächeln oder ein"Danke".

Das sehe ich auch anders.
In einer liebevollen Partnerschaft gibt es eine Verbundenheit.
Aus dieser Verbundenheit heraus tue ich etwas für den Partner.
Weil wir verbunden sind, ist die Freude des Partners auch meine Freude.
Da braucht es kein "Danke", auch wenn das eine höfliche Geste ist.

Wenn du jetzt merkst, dein Partner lobt ein bestimmtes Verhalten mit Absicht, damit du das immer machst, würde dich das weiter motivieren?
 
Mhm, der Vergleich mit uns Menschen in dem Beispiel... Finde ich nicht übertragbar... Wir denken da doch etwas komplexer und hinterfragen irgendwann alles genauer. Hunden so eine Denkweise an zudichten fände ich übertrieben....
 
Höflichkeit ist keine Wertschätzung. So selbstverständlich es ist, etwas für seinen Partner zu tun, so selbstverständlich ist es in einer Partnerschaft, das zu schätzen. Und zwar in beide Richtungen.
In der grundlegenden Einstellung sind wir uns wahrscheinlich sehr ähnlich. Ich habe aber keine Lust, mich an jedem Wort aufzuhängen und darüber zu diskutieren, wie man es nun genau nennen soll.
Eine Diskussion kann auch in einem Konsens enden. Es ist kein Wettbewerb, in dem nur einer Recht hat.
Dieses Thema hat mich angeregt, bewusst darüber nachzudenken, wie ich rein gefühlsmäßig mit Tieren umgehe. Insoweit war es für mich wertvoll. Und damit verabschiede ich mich auch aus diesem Thread.
 
Mhm, der Vergleich mit uns Menschen in dem Beispiel... Finde ich nicht übertragbar... Wir denken da doch etwas komplexer und hinterfragen irgendwann alles genauer. Hunden so eine Denkweise an zudichten fände ich übertrieben....

Ich habe nicht behauptet, dass Hunde nachdenken. (Obwohl sie das begrenzt sicher können.)
Es geht darum, dass sie eine Stimmung spüren. Und darin sind sie wirklich Meister und dem Menschen sogar überlegen.
 



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