"Hoffnung auf Freundschaft" von Michael Grewe und Inez Meyer

Erster Hund
Rika, Barsoi
Ist hier jemand, der es kennt? Ich hab' mich gerade ziemlich drüber geärgert (völlig unabhängig von Grewes Können - oder nicht - als Hundetrainer. Das berüchtigte Video hab' ich nie gesehen...)
 
Ist das ein Buch? Worum gehts und worüber hast Du dich geärgert?
 
Ja, es ist ein Buch und geärgert habe ich mich über den Inhalt und wie er präsentiert wurde. Für detailliertere Ausführungen brauche ich meine Cherry-Tastatur, nicht die virtuelle am Tablet...
 
Dann probiere ich mal, ein paar Stunden verärgerte Lektüre zusammenzufassen. Vorausschicken wollte ich aber, dass ich die Frage gestellt habe in der Hoffnung, dass Leser des Buchs hier noch aktiv sind (es gab mal welche) und mir sagen können, was ich falsch verstehe, bzw. welche Perlen der Weisheit ich übersehen habe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass in dem Buch Vieles steht, was gut und richtig ist - ich hab' nur Schwierigkeiten, zu sortieren (oder es sind altbekannte Selbstverständlichkeiten - mein Pferd ist ziemlich gut erzogen)

Untertitel des Buches lautet: Das erste Jahr des Hundes - ich hab' mir also nützliche Informationen zur Vorbereitung auf meinen hoffentlich einziehenden Welpen erwartet.

Es fängt auch recht vielversprechend an: Ein (fiktiver!) Australian Shepherd, Bandit, ist beim Wesenstest, weil er beim Spaziergang einen anderen Hund angefallen hat. Zum Wesenstest erfährt man nicht viel, aber am Ende stehen Maulkorbzwang und Leinenpflicht und eine verzweifelte Besitzerin. Bandit wird ein (ebenfalls fiktiver) Wurfbruder gegenübergestellt, Spencer, der im gleichen Zeitraum zu einem angenehmen Hausgenossen geworden ist. Das Buch verspricht, zu erklären, wie's zur jeweiligen Entwicklung kam.

Tut's aber nicht wirklich, zumindest nicht so, dass ich es verstünde. Das heisst, es ist klar, dass Bandit's Besitzerin sehr viel falsch macht - aber es wird für meinen Geschmack nicht ausführlich genug erklärt, was Spencers Familie richtig macht. Man soll dem Hund nicht jeden Wunsch erfüllen, sich abgrenzen und sein Leben leben. Ein Beispiel, das ich noch im Kopf habe, ist dass Bandits Besitzerin nicht mal alleine aufs Klo kann, ohne dass der Hund Terror macht. Während Spencers Frauchen die Tür auch mal zumacht (ob's die Klotür war, wird nicht ausdrücklich gesagt, läge im Zusammenhang aber nahe), und die Tür geht erst wieder auf, wenn der Hund ruhig ist. Ähem, ja - ich hoffe, ich denke dran, das Tablet mitzunehmen... Und so sind viele der Tipps, wie man's machen sollte, ziemlich wischi-waschi. Der Autor schreibt auch gleich in der Einleitung, dass Rezepte zum Kochen taugen aber nicht in der Erziehung. Und er ist grundsätzlich gegen "Methoden"...

Ich vermute sehr stark, dass er dabei aufs Clickertraining zielt und ich gestehe, dass mir Jean Donaldsons Ansatz (strikter Behaviorismus) auch nicht wirklich sympathisch ist, weil er mir sehr "mechanisch" vorkommt. Aber bei Grewe stört mich schon das Wort: Methode ist laut Duden die "Art und Weise eines Vorgehens" - und Grewe geht ja auch auf irgendeine Art und Weise vor. Er erklärt nur nicht wirklich wie - genau genommen erinnert er mich sehr an meinen Deutschunterricht: "Schreiben kann man oder nicht, man kann's nicht lehren" (Doch, kann man, es gibt Regeln für verständliche Texte. Die habe ich allerdings erst an der FH von einer Amerikanerin erklärt bekommen...)

Unheimlich ärgerlich finde ich auch die dauernden Vergleiche mit der Kindererziehung - es gibt bestimmt viele Ähnlichkeiten, aber erstens nützt mir das nichts, wenn ich noch keine Kinder erzogen habe (Spencers "Eltern" haben noch drei Kinder und sehen Hunderaufereien daher gelassener...), zweitens ist das im Buch so aufdringlich, dass ich mich teilweise frage, ob ich einen Ratgeber zur Kindererziehung lese. Das liest sich dann z. B. so: "Hunde – genau wie Kinder – suchen sich die Erfahrungen, die sie für ihre Entwicklung brauchen, selbst. Ihr Erkundungsdrang, ihre Neugier und ihre Lebenslust gewährleisten, dass sie das Richtige zur richtigen Zeit lernen. Wenn man Hunde – genau wie Kinder – an dieser selbstständigen Erkundung ihrer Umwelt hindert, indem man ihnen ständig etwas anbietet, was sie sich nicht selbst gesucht haben, behindert und im schlimmsten Fall verhindert man eine gesunde Entwicklung. Denn nur etwas, mit dem man sich aktiv beschäftigt, hat einen positiven Einfluss auf die Gehirnentwicklung. Am Rand stehen und zuschauen reicht nicht, man muss selbst aktiv beteiligt sein, um daraus nachhaltig seine Schlüsse zu ziehen und diese sinnvoll abzuspeichern." (Diese Vermenschlichung des Hundes zieht sich übrigens durchs ganze Buch, um ihren Höhepunkt im Kapitel über Kastration zu finden - da hört man den Mann, der Angst um seine eigenen Eier hat ;) ).

Witzigerweise nehme ich aus dem Buch in erster Linie mit, dass die "positiven" Trainer (ob mit oder ohne Klicker), d. h. die, die sagen anstatt "nein" zu sagen, soll man vom Hund ein anderes Verhalten verlangen, Recht haben: Es ist unglaublich frustrierend, dauernd gesagt zu bekommen, was man nicht tun darf aber nie zu hören, was man denn statt dessen konkret tun soll! Von daher ist auch dieses Buch nicht unnütz - es kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen ;)
 
Aaah, jetzt wo du es näher erklärst erkenne ich es wieder.
Ich hab's vor einer ganzen Weile auch gelesen.
Du hast Recht, es ist in dem Sinne kein Erziehungsberater. Auch keine X-Wochen-Programm zur Welpenerziehung oder so.
Es erzählt zwei potentielle hündische Entwicklungsgeschichten.
Es kann also auch keine konkreten Tipps ala "ihr Hund macht dies (was er nicht soll) also machen sie das, damit er super erzogen wird." geben.
Mein Fazit aus dem Buch war, dass es neben der Vernachlässigung des Hundes, was zu verschiedensten Problematiken führt, es heutzutage noch etwas anderes/ neues gibt.
Nämlich die Hundehalter mit den besten Absichten, die sich richtig reinhängen, alles richtig machen wollen. Die sich unendlich vorbereiten, lesen, prüfen, planen, denken.
Und dabei eben alles zerdenken.
Die keinen Raum lassen für eine natürliche Entwicklung der Dinge. Für Spontanität. Für individuelle Entwicklung. Für Bauchgefühl und einen emphatischen Umgang mit dem Mitgeschöpf Hund.
Das Fazit für mich aus dem Buch war das man eben NICHT sagen kann "was man richtig oder besser machen" soll in Situation A,B oder C.
Intuitiver, bedürfnissorientierter Umgang mit dem Hund. Dazu gehört auch das Bedürfnis nach Regeln für beide Seiten. Mit dem Ziel eines lebenstauglichen, Alltagsfähigen Begleiters und weniger eines perfekt erzogenen Hundes.
 
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Mein Fazit aus dem Buch war, dass es neben der Vernachlässigung des Hundes, was zu verschiedensten Problematiken führt, es heutzutage noch etwas anderes/ neues gibt.
Nämlich die Hundehalter mit den besten Absichten, die sich richtig reinhängen, alles richtig machen wollen. Die sich unendlich vorbereiten, lesen, prüfen, planen, denken.
Und dabei eben alles zerdenken.

Das lese ich auch raus. Bis mir dann einfällt, dass ich (bis jetzt noch) keinen Hundehalter kenne, der das macht und mit einem nicht mehr handhabbaren, um sich beissenden Hund geendet hat. Bis jetzt habe ich nur das Wort des Autors, dass es so ist...

Die keinen Raum lassen für eine natürliche Entwicklung der Dinge. Für Spontanität. Für individuelle Entwicklung. Für Bauchgefühl und einen emphatischen Umgang mit dem Mitgeschöpf Hund.
Das Fazit für mich aus dem Buch war das man eben NICHT sagen kann "was man richtig oder besser machen" soll in Situation A,B oder C.
Intuitiver, bedürfnissorientierter Umgang mit dem Hund. Dazu gehört auch das Bedürfnis nach Regeln für beide Seiten. Mit dem Ziel eines lebenstauglichen, Alltagsfähigen Begleiters und weniger eines perfekt erzogenen Hundes.

Ich sehe das Problem mit Bauchgefühl und intuitivem Umgang darin, dass gute, richtige Intuition aus Erfahrung entsteht - bis man die hat, ist sie ein Glücksspiel. Das heisst, rein intuitiv macht man Fehler, die haben negative Konsequenzen und beim nächsten Mal macht man hoffentlich was anderes (obwohl zumindest manche Menschen ziemlich blöd sind in dieser Beziehung - habe ich gerade bei Adventure Escape Games gemerkt). Je nachdem, wie schwerwiegend die Konsequenzen sind, sollte man die Fehler aber nach Möglichkeit vermeiden (wer rein intuitiv meint, dass er sich beim Frontalaufprall am Lenkrad abstützen kann, bekommt womöglich nicht mehr die Gelegenheit, beim nächsten Mal doch lieber den Gurt anzulegen...) Und da helfen dann die Erfahrungen anderer. Zum Beispiel die des Hundetrainers - oder des Buchautors. So er schreiben kann und ein bisschen Ahnung von Pädagogik hat.

Grewe/Meyer machen aber in ihrem Buch genau das, was sie bei den Futtermittelherstellung anprangern ("Futterdosen stehen bereit, deren Inhalt verspricht, bestens auf einen kleinen Welpen abgestimmt zu sein. Auf der Banderole ist ein etwas blöde dreinschauender Welpe abgebildet, auf der Rückseite erklärt ein auf Ernährungsfragen spezialisierter Tierarzt, warum gerade dieses Futter dem Welpen als solches so zuträglich und daher geradezu unentbehrlich sei.Eine einzigartige Gelegenheit, dem kleinen Hundekind einen gesunden Start ins Leben zu ermöglichen, den Knochenaufbau optimal zu unterstützen und ein schönes, dichtes und vor allem glänzendes Fell zu gewährleisten. Eine Gelegenheit, die der Welpenbesitzer im Sinne des Wohlergehens seines kleinen Schützlings unbedingt ergreifen müsse, sonst … Das „sonst“ steht nicht mehr auf der Packung, es schwebt aber in der Luft und suggeriert: Sonst erleidet der kleine Hund ausgerechnet während seiner Wachstumsphase Mangelerscheinungen.")

Sie machen Angst vor schlimmen Konsequenzen, wenn man ihr "Produkt nicht kauft". Allerdings nicht unterschwellig, sie sprechen es klar aus: Wenn man den Hund nicht so erzieht die Autoren meinen, dann fängt er an, um sich zu beissen, bekommt Maulkorb- und Leinenzwang und landet schliesslich im Tierheim. Boss blöd, dass Menschen durch Angst auch nicht besser lernen als Hunde... ("Angst essen Nachdenken auf" hat irgendjemand irgendwo im Zusammenhang mit Corona geschrieben...)

Wirklich witzig ist, dass ich gestern durch den Link im Malinois-Thread auf die Artikel von Nina Dany auf Planethund (https://www.planethund.com/author/nina) gestossen bin. Sie schreibt im Prinzip das Gleiche wie Grewe/Meyer, aber besser: knapper, wissenschaftlich fundierter, ohne Angst zu machen (aber sie hat einen Artikel zum Thema) und so, dass ich mich nicht ärgern muss... Und kostenlos lesbar ;)
 
Jau, ich gebe dir da durchaus Recht.
Wer mit wem kann, mit wessen Ausdrucksweise und Erklärungen usw man gut zurecht kommt ist ja immer sehr unterschiedlich.
Ich denke dass Grewe hier ein sehr niedrigschwelliges Buch machen wollte, das eben wenig wissenschaftlich rüberkommt. Das einen gewissen Unterhaltungswert bietet und durch die Gegenüberstellung der beiden hündischen Biographien besonders anschaulich ist.
Kann man mögen oder eben auch nicht.
Geht mir auch oft so. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist immer dass ich seeehr gerne historische Romane lese. Und dann kommt von vielen Leuten;" Oh ja, hast du denn die von Ken Follett schon gelesen? Die sind richtig toll!"
Und ich komme mit Follett überhaupt nicht klar. Ich finde alles an diesen Büchern total nervig.
Geht mir genauso mit Iny Lorentz (Wanderhure) und anderen. Viele Leute finden diese Autoren ganz klasse. Schwärmen davon dass sie die Bücher so schnell hintereinander weg gelesen haben. Für mich gehen diese Autoren garnicht.
Und so ist es ja mit Hundetrainer/Hundebüchern auch. Man muss jemanden/was finden mit dem man selbst gut klarkommt.
 
Wer mit wem kann, mit wessen Ausdrucksweise und Erklärungen usw man gut zurecht kommt ist ja immer sehr unterschiedlich.

Und so ist es ja mit Hundetrainer/Hundebüchern auch. Man muss jemanden/was finden mit dem man selbst gut klarkommt.

So sehe ich das auch. Es gibt Bücher/Autoren von denen viele Hundehalter schwärmen und meinen man müsste die Bücher unbedingt gelesen haben. Ein Beispiel ist "Das andere Ender der Leine" von Patricia McConnell. Das habe ich als Taschenbuch und wenn ich mal für mehrere Wochen einschneie werde ich es vermutlich lesen. Bei mir bei der Arbeit liegt für die Mittagspause "Liebst du mich auch?" von der Autorin und ich komme mit ihrem Schreibstil überhaupt nicht klar. Ich lese darin wenn ich sonst nichts zu lesen dabei habe. Bis zur Rente habe ich es vermutlich gelesen.

Ich lese bei Büchern gern die 1-Sterne-Rezensionen. Zu "Hoffnung auf Freundschaft" sind diese auch sehr interessant.😉 (Und jetzt weiß ich auch wieder wer Michael Grewe ist.)
 



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