Unsere kleine (Erfolgs-) Geschichte - Unsichere Hündin verbellt Fremde und Spaziergän

Erster Hund
Räuber / Mix (+07)
Zweiter Hund
Ronja / Mix (*07)
Hallo,

ich mag mal berichten. Ich hoffe, Ihr habt Lust zu lesen und vielleicht ist ja jemand dabei, der ähnliche Probleme hat(te), dem ich bissel Mut machen kann oder der sich austauschen mag. Es geht um Folgendes:

Unsichere Hündin verbellt Fremde und Spaziergänger

Ronja ist nun bald 4 Jahre alt (oh mann, wie lang unser Weg nun schon ist).

Sie kommt gebürtig aus einem kleinen Vorort von Hamburg, hat die ersten 12 Wochen in einem kleinen Hunderudel gelebt, betreut eigentlich nur vom Frauchen. Viele fremde Menschen (insbesondere Männer) hat sie dort nicht kennengelernt. Wurde also kaum darauf geprägt.

Die ersten Wochen, die sie bei uns war, haben wir uns gefragt, ob sie überhaupt bellen kann. Sie war total ruhig. Fremden gegenüber aber schon reserviert, hat sich nicht streicheln lassen.

Bei uns (mir, meinem Mann und auch dem Sohn) gab es von Anfang an überhaupt keine Probleme, vollstes Vertrauen bis heute.

In der nächsten Angstphase (so mit 6 Monaten) begann sie, Leute auf der Straße anzubellen, aber immer im Rückwärtsgang. Sie ist nie nach vorne gegangen oder hat gar geschnappt...nie.

Unsere Odyssee begann.

Wirklich jeder wurde verbellt. Mit 7 Monaten bekam sie Probleme mit den Knien, Diagnose Patellaluxation rechts Grad 3-4, OP mußte sein. 4 Wochen später operiert, dann 6 Wochen Schonfrist. Nix mit Training oder dergleichen, ihre Genesung stand im Vordergrund.

In dieser Zeit wurde ihr Verhalten immer schlimmer. Dazu kam ja noch, daß sie gar nicht richtig ausgelastet war. Sie ist immer gerne und viel gerannt (Windhund-Mix), nun durfte sie nur langsam und kurz nach draußen.

Als sie 1 Jahr alt wurde haben wir eine Trainerin konsultiert. Schönfüttern hieß die Devise...egal ob sie bellt, flüchten will, zittert...was auch immer, wir sollten IMMER füttern (zukorken).

Super...nach 3 Monaten hatten wir ne hübsche Verhaltenskette. Ronja bellt den Menschen 3x an, dreht sich zu uns..."Hey, hab fein gebellt...wo ist mein Keks...?".

Wir waren am Verzweifeln. Auf jedem Spaziergang hat man nach Menschen Ausschau gehalten. Ohne Leine ist sie auf die Leute zugerannt, sprang im Abstand von 2 Metern um sie rum und kläffte und kläffte.

Dann hieß es, wir müßten halt schneller sein als sie, Menschen vorher entdecken, sie ablenken...und...na klar...FÜTTERN...!

Nun wurde sie weitere Monate mit Leckerchen an Leuten vorbeigeschleust. War super...sie hat dann mit vollem Maul und kauend trotzdem gebellt (und sich verschluckt).

Seit letztem Jahr im Sommer (da wurde sie 3) geht es jetzt bergauf...aber ohne Fleischwurst vor der Nase (wie der Esel mit der Möhre am Stock).

Mir war schon immer klar...es liegt an uns...irgendwie. Aber das WIE hat mir niemand erklären können. Ich habe in Foren gelesen, nächtelang. Seiten über Sozialisierung, Menschenangst, Stellen und Verbellen, Motivation verschlungen, Bücher gekauft und gelesen ohne Ende. Vieles leuchtete mir ein, aber das WIE war immer noch unklar.

Ich muß dem Hund Sicherheit vermitteln...klingt gut. Aber wie stelle ich das an?

Ich muß souverän sein und dem Hund klar machen, daß ich alles im Griff habe und er nicht handeln muß. Ich muß ihm diese Last abnehmen. Immer noch die Frage, WIE?

Bis es in unseren Köpfen "Klick" gemacht hat, ist sehr viel Zeit vergangen. Zu tief waren wir im Teufelskreis. Oh, ein Mensch, Mist...was macht sie nun wieder...gucken, beobachten...oh nein, sie stellt die Bürste...Leine kurz, auf die andere Seite...man weiß, was kommt und schwupps...sie brummelt..."Aus!"...sie bellt...innerlich ist man am Brodeln...will im Boden versinken...und die Leute beugen sich noch zu ihr..."Ich tu Dir doch nix...!". Da will man platzen und wünscht sich nen großen, schwarzen Hund. Der wird wenigstens nicht noch angequatscht und in seinem Handeln bestätigt. "Siehste, Frauchen, hab doch gesagt, der kommt uns gleich blöd und bedroht uns."

Jetzt kommt der schwierige Teil. Wie erkläre ich, wie ich (wir) es geschafft haben, diese Sicherheit zu vermitteln. Ich weiß es gar nicht genau.

Die innere Einstellung ist ganz wichtig. Nicht denken, jetzt flippt sie wieder aus, scheiße, was mach ich jetzt...das merkt der Hund und ... jupp ... handelt selber. Nein...da kommt ein Mensch...? Na und...? Wir packen das...!

Das macht schon ne Menge aus.

Dann hab ich angefangen, die Leine eben nicht kurz zu nehmen, sondern locker zu lassen. Wir haben den Clicker als Marker eingesetzt. Wir haben Aufmerksamkeit trainiert...immer, wenn sie sich uns zugewendet hat...Click.

Das klappte auch unterwegs...und dann auch, wenn Menschen in Sicht waren...sie schaut den Mensch an...Click...wendet sich uns zu...Leckerchen...Hund mitnehmen und nen Bogen laufen...weg vom Mensch...nicht drauf zu.

Heute brauche ich keinen Clicker mehr. Ein kurzes "Hey!" oder ein Pfiff reicht...sie wendet sich mir zu, ich kann sie belohnen und "FÜHRE SIE" durch die Situation.

Sicher muß ich nach wie vor aufmerksam sein. Wenn jemand entgegen kommt, kann ich sie nicht vorweg laufen lassen. Dann lasse ich sie ja ins offene Messer rennen und sie muß wieder selbst agieren. Aber das Aufmerksamkeitssignal ist so stark verknüpft, daß es heute in jeder Situation funktioniert.

Gestern ist sie ohne Leine mit mir recht eng an einem Jogger vorbei...ich war sooo stolz auf sie. Nein...AUF MICH...! Ronja macht ja eigentlich immer alles richtig...ICH hab's verbockt. Und jetzt haben wir endlich die Kurve bekommen und uns das letzte Stückchen Vertrauen, das noch fehlte, erarbeitet.

Schade nur, daß kein Trainer uns das nahe bringen konnte. Dazu mußte ich selbst suchen, lesen, recherchieren, mir Videos ansehen...und und und...aber wir haben es geschafft...!

Liebe Grüße und danke für's Lesen (ist ja doch lang geworden)

BETTY und Ronja
 
Hallo Betty,

schön zu lesen, das freut mich für euch!

Ja so zwingen einen manche Hunde, zum Profi zu werden -zumindest Profi für den eigenen Hund.
Schade, dass ihr mit der ersten Trainerin so in`s Wasser gefallen seid und sich das Verhalten sogar noch verfestigen konnte. Umso schwerer war es, das wieder abzubauen. Hut ab vor eurer Leistung!

Ich hatte mit Jule ein ähnliches Problem, sie verjodelt manche Menschen, die ihr suspekt erscheinen, geht allerdings auch offensiv vorwärts. Bei 30 schwarzen zähnefletschenden Kilos auch sehr unangenehm. Ihre Motivation ist einschüchtern und vertreiben, wohl ein Erbe des Briard (der auch Herdenschutz- und Wachhund ist). Ich bin aber früher als ihr zur richtigen "Methode" gelangt, ich bringe sie hinter mich und führe uns durch die Situation. Wenn sie hinter mir läuft, hält sie die Klappe: Frauchen geht vor, Frauchen macht das. So auch bei fremden Hunden, die sie am liebsten attackieren möchte.
Die wichtigsten Inspirationen zu meiner "Führungsqualität" hat mir Anita Balser von der HTS geliefert, wenn du magst, such ich dir mal die Links zu Texten von ihr.
Ein halbes Jahr etwa hat das gedauert, bis ich sie in den allermeisten Situationen unter Kontrolle bringen konnte. Ganz durch ist das Thema aber noch nicht...aber wir sind ja noch jung und lernfähig :)

Liebe Grüße
JoJu
 
Hallo,

von Anita Balser hab ich ein Video hier...fand ich mega-spannend.

Wir haben soviel Input bekommen in den letzten Jahren (selbsterarbeitet) und aus allem jeweils was für uns rausgezogen.

Wir sind auch noch lange nicht durch mit der Sache, aber die Erfolge motivieren.

Ums Haus rum ist ihr Verhalten nochmal nen Stück schwieriger (territorial motiviert...!?). Und Besuch findet sie super gruselig, solange sie die Leute nicht kennt. Sie muß erst lernen, Meschen einzuschätzen. Bekannte sind super, da wird sich auch irre abgefreut, aber wie gesagt, sie hat gelernt, DIESEN Menschen einzuschätzen. Jeder neue Fremde ist wieder bedrohlich.

So ist sie nunmal und so wird sie auch bleiben, das ist uns bewußt und so gehen wir auch damit um.

Liebe Grüße

BETTY und Ronja
 
Hallo Betty,

Ein sehr schöner Erfolgsbericht !
Nicht nur, dass ihr euren Weg gefunden habt, sondern auch wie ihr ihn gefunden habt.

Als ich meinen ersten Hund hatte (es ist ca. 15 Jahre her), hatte ich mich noch nie mit mir selbst, meinen Gedanken und Gefühlen und den selbstbegründeten Ursachen dafür beschäftigt. Inzwischen tue ich das und bemerke immer mehr die Zusammenhänge zwischen Hunden und ihren Menschen – speziell zwischen mir und meinen Hunden ;).

Du hast völlig recht, allein der Gedanke „oh Gott ein Spaziergänger !“ mit dem entsprechenden Gefühl, kann bei einem Hund auslösen, dass er eben genau das Befürchtete tut.

Vor ein paar Wochen habe ich das selbst wieder erlebt. Ich bog mit meinen Hunden an der Leine in einen Feldweg ein, sah weit weit voraus Spaziergänger und dachte „oh Gott, wenn ich sie ableine, laufen sie bestimmt dahin“. Die Hundis sind nie vorher soweit voraus zu jemanden hingelaufen … ein ganzes Stück näher ja, aber nie soooo weit entfernt. Ich weiss also selbst nicht wie ich auf diesen Gedanken kam, aber ich hatte große Sorge. Ich machte ein paar Gehorsamsübungen, wartete ab, bis die Spaziergänger noch weiter weg waren, leinte die Hunde ab …. und sie starteten durch, full speed direkt hinter den Spaziergängern her :wuetend2:

Zwei Tage später waren mein Mann und ich zusammen mit den Hunden draußen. Die Hunde liefen frei, es kamen Spaziergänger in unsere Nähe und mein Mann bleib völlig locker. Er rief die Hunde und sie kamen ganz selbstverständlich :nachdenklich1:.

Ähnliche Erfahrungen habe ich dann noch ein paarmal gemacht. Sobald ich mich auf etwas konzentrierte und besorgt bin, ist die Wahrscheinlichkeit, dass meine Hunde die Sorge erfüllen zumindest stark gestiegen. Selbst wirklich gelassen und sicher zu bleiben ist ein unersetzliches Kommunikationsmittel und viiieeel wertvoller als so manche Trainingsmethode :zustimmung2:

Grüsse,
Nase im Wind
 
Hallo,

das hast Du super in Worte gefaßt. Manches Training nützt absolut nix, wenn die innere Einstellung nicht stimmt.

Gestern war ich wieder soooo stolz. War ne typische Situation, die sonst eskalierte. Ich schildere mal kurz:

Wir waren zusammen mit der Nachbarin und ihren beiden Hunden unterwegs. Also...:

Nachbarin, mein Mann, mein Sohn, ich und drei Hunde

Die Wuffels waren eh schon aufgedreht, weil wir Richtung Tobe-Wiese unterwegs waren. Sohnemann wollte Ronja unbedingt an der Leine halten...bissele Chaos also.

Oben an der Ecke biegt ein Mann um die Kurve. Mein Mann dem Steppken die Leine abgenommen, mit der Zunge geschnalzt...puuh...nochmal gutgegangen...Ronja guckt und er nimmt sie auf die Straßenseite und weicht aus.

Der Typ entscheidet sich aber kurz vor uns, auch auf die Straße auszuweichen und läuft quasi Ronja direkt in den Weg...*grrrmmpfff*, wie doof muß man sein, aber egal.

Aber Ronja hatte ihre Aufmerksamkeit komplett bei Herrchen...hat den Typen null beachtet. Da gab's natürlich Party und Leckerchen.

Sowas baut einen so auf, das ist unglaublich. Wir sind sio froh, daß wir aus dieser Verzweiflungs-Spirale rausgekommen sind. Und in jede neue Situation geht man jetzt mit dem Gefühl rein, daß wir das schaffen und Ronja doch sowieso nicht bellt. Und...? Sie tut es nicht...! :happy:

Liebe Grüße

BETTY und Ronja
 
Ein ganz toller Bericht was zeigt wie wichtig es ist zu arbeiten.
Ich gratuliere ihr habt viel erreicht.:jawoll:
 
Ganz tolle Erfolgsgeschichte :zustimmung:

So ne ähnliche Erfahrung habe ich mit meiner Maus auch gemacht.
Sie hat unsre Katzen gejagt, mit viel Gebell quer durch die Wohnung.
Das hat uns tierisch gestresst, weil uns die Mietzen so leid taten.
Wir also hektisch nach Summer gerufen und auf ihren Platz geschickt.
Schon wenn eine Katze in Sichtweite war, immer gleich die Tür zu, dass bloß nix passieren kann.

Nun lassen wir einfach seit ein paar Wochen alle Türen (der Räume wo die Tiere rein dürfen) offen.
Anfangs hat Summer noch aufgeregt beobachtet, immer auf dem Sprung.
Aber je gelassener wir wurden, desto ruhiger wurde unsre Maus :jawoll:

Und jetzt können die Katzen schon ganz ruhig an ihr vorbei laufen und sogar miauen und sie bleibt trotzdem entspannt liegen :happy4:

Alleine lassen würde ich die 4 zwar noch nicht, aber wir sind auf einem guten Weg denke ich.
 



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