Dackel - Dummy-Training

Die Vorgeschichte meines Dackels bis Februar 2012 in Kurzform:

Der 5-jährige Hund war bis dato nur im Haus und mehrmals täglich kurz im Garten.
Er war angstaggressiv, hat ein leichtes Deprivationssyndrom, war überfett und ein reiner Sofafiffi. Jahrelang billigstes Fertigfutter vom Discounter, mehr Zahnstein als Zähne.
Die Vorbesitzer haben ihn geistig regelrecht verrecken lassen und jegliches Selbstbewusstsein aus ihm rausgeprügelt.
Sein Leben änderte sich radikal, Diät, vernünftiges Barf und viel Bewegung. Viel hat ausgemacht, dass er nahezu 24/7 bei mir ist.

Er ist mittlerweile einigermaßen gelassen, umweltsicher und an sich ein lieber, kleiner Begleiter, der mit sich und seiner Welt im reinen ist. Er ist ein ernster, eher introvertierter Hund, der garnicht bis extrem selten mal aus sich herauskommt.
Ich weiss nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber er wirkt im Vergleich wie ein Mensch, den das Schicksal arg gebeutelt hat, der trotzdem angenehm im Umgang ist, höflich, freundlich und nett, aber man wird das Gefühl nicht los, dass dieser Mensch unendlich traurig und von einer Aura der Schwermütigkeit umgeben ist.
Er ist mit Sicherheit mit seinem Leben zufrieden und wohl auch glücklich. Allerdings werde ich das Gefühl nicht los, dass "mehr" möglich ist, dass ich noch mehr negative Dinge seines alten Lebens beseitigen und ihn fröhlicher machen kann - allerdings den Schlüssel dazu noch nicht gefunden habe.
Und das nagt an meiner schwarzen Seele.

Die Ausgangslage:

Er spielt nicht, nur gelegentlich schleppt er mal mit seinem Wiesel (Stofftierchen) rum - um es im wesentlichen zu verbuddeln. Das ist bei ihm eine ernste Angelegenheit und kann durchaus schon mal 1/2 Stunde dauern, bis er die richtige Stelle im Garten gefunden hat. Es kommt aber hin und wieder vor, dass er auf der Terrasse liegt, unvermittelt aufspringt, zu einer Stelle im Garten rennt, das Wiesel ausbuddelt und übermütig eine mehr oder weniger große Runde dreht.
Sagt man dann nur ein Wort zu ihm - irgendein Lob - lässt er das Ding fallen und hört auf.

Gelegentlich ist auch mal ein Zerrspiel möglich, aber

- nur bei mir im Büro, nirgendwo anders und
- nur, wenn vorher Besuch da war und der sich verabschiedet hat. Diesem Besuch bringt er nämlich sein Büro-Kuscheltierchen, schmeißt dem das vor die Füße und das wars. Aber er macht immerhin was, er holt sein Streifenhörnchen.

Dann hab ich 2 - 3 Minuten Zeit, mit ihm zu zerren. Verpasse ich diese kurze Zeitspanne passiert nichts mehr.

Die Erkenntnis:

Da "ist" also noch was, so ein bischen Fröhlichkeit und Übermut ist noch in ihm. Es kommt selten raus, man darf es nicht stören und es braucht definierte Bedingungen (siehe Zerrspiel), aber es ist da.

So hab ich mir denn - nach zahllosen Fehlschlägen in den letzten 2 1/2 Jahren - vorgenommen, es nochmal zu versuchen und mich zu diesem Zwecke an Bärbel gewandt. Bärbel führt das Schulhunde-Projekt bei uns durch - darüber habe ich berichtet - und betreibt ansonsten hier im Dorf eine Mantrailing-Schule. Ausserdem bietet sie Kurse für alle möglichen Hunde (Angsthunde, alte Hunde, Hunde mit Handicap) an, dies in Klein- und Kleinstgruppen. Alles im Bereich "Suche", also Schlüsselbund, Handy oder sonstwas suchen.
Sie ist der Ansicht, dass nichts außer Suche - was auch immer - so geeignet ist, Hunde selbstbewusst zu machen und ihnen Erfolgserlebnisse zu verschaffen. Nicht schlechthin, aber als Anfang und Ausgangsübung.

Bärbel, die den Dackel kennt, meinte: kriegen wir hin, irgendwas geht immer.

So waren wir denn - ich bewaffnet mit neu erstandenem Futterdummy in Mini-Ausführung am 25.8.2014 bei Bärbel auf dem Hof. Das Dummy-Teil wurde mit seinen Lieblings-Leckerli bestückt und unauffällig ins Gras gelegt.
Auf "such, such" und entspechendes Hinzeigen hat der Dackel den Dummy nach einiger Zeit auch gefunden und rollte das Ding mit der Nase hin und her.

Einschub: Suchen nach vorher versteckten Leckerli kennt er.

Ich sofort hin, den Dummy geöffnet, ihn fressen lassen und ganz doll gelob - wie üblich halt.
Das ganze Spiel noch zweimal - siehe oben - und dann Cut durch Bärbel: "Komm mit, Analyse deiner Fehler".
"Fehler" denke ich. "Ich"? "Spinnt die", denke ich.

Dann gibt sie mir ein Buch, schlägt Seite 128 auf und sagt:

Wie viele "a" stehen auf dieser Seite?
Ich: Weiss nicht, ca. 500?
Sie: Ich will das genau wissen, Du musst sie zählen.

Ich fang also an zu zählen, 4 Sekunden später:

Sie: Na, wieviele a?
Ich: ich zähl doch noch.
Sie: Komm mach hin, wie viele a ?

Weitere 4 Sekunden später:

Sie: wieviele a sind es denn nun?
Ich: meine Güte, ich zähle doch noch.
Sie: Nun los, wieviele a ?
Ich: Nun lass mich doch mal in Ruhe zählen und mach mich nicht nervös.

Bärbel: Na, hast Du kapiert?
Ich: Nöö
Sie: Du machst den Dackel unsicher.
Ich: Ich? im Leben nicht.
Sie: Doch, sobald der nämlich Deiner Meinung nach nicht zügig sucht, wiederholst du mehrfach das Suchkommando. Das ist für den Hund wie das "a-Spielchen" vorhin. Der will nämlich suchen, muss sich nur hin und wieder "sortieren", die Windrichtung checken und sich "einnorden". Und wenn der sich halt mal wegdreht oder einfach nur da steht, macht er das.
An sich hast du zwar Recht, man soll motivieren, wenn der Hund anfängt, die "geforderte" Handlung zu unterbrechen und insoweit nicht warten, bis er wirklich abgebrochen hat, aber das liegt hier nicht vor. Der Hund sucht ja, das hast Du aber nicht erkannt und ihn somit gestört.

Ausserdem solltest Du ihn nicht anschauen - jedenfalls nicht in die Augen - wenn der zu dir aufschaut. Wenn der nämlich den Blickkontakt zur dir hergestellt hat, dockt der sich quasi bei dir an und fängt wirklich an, aufzuhören. Für den ist das nämlich wie: "Alter, übernimm mal".

Du nickst jedesmal leicht, wenn der dich anschaut, auch wenn du das garnicht mehr merkst. Das ist toll und die Bindung, die ihr habt ebenfalls. Aber jetzt ist das kontraproduktiv. Schau ihm also künftig bei dieser Arbeit nicht mehr in die Augen. Schau ihm auf den Rücken oder sonstwohin, aber nicht in die Augen. Keine Sorge, das kann der genau unterscheiden.

Abschliessend lobst du ihn zu früh, wenn er gefunden hat. Der rollt den Dummy hin und her - das ist auch für den Anfang völlig in Ordnung - aber der ist noch "beim suchen". Warte mit dem Lob 2 - 3 Sekunden, bis er "wieder da" ist.

Entlassen wurde ich mit der Maßgabe: täglich 2 x 2 - also morgens und abends je 2 mal suchen, nicht mehr.

Brav hab ich die Anweisungen bisher befolgt. Ich kann den Dummy mittlerweile 20 Meter entfernt leicht verstecken - das Viech sucht wesentlich zielstrebiger als letzte Woche noch, ich schau ihm nicht mehr in die Augen und störe ihn nicht mehr.
Heute zeigte er den ersten Ansatz, den Dummy zu mir zu bringen. Zwar nur 1 Meter, aber immerhin.
Gestern hab ich - als er irgendwann - ausserhalb des Trainings - bei der Gartenarbeit auf mich zugelaufen kam, in die Hände geklatscht und bin rückwärts gelaufen. Da ist er 1 oder 2 Minuten durch den Garten getobt, in der Haltung, die Hunde so haben, wenn sie "abspacken". Wir kennen das alle. Das hat er 2 1/2 Jahre nicht gemacht.

Ich bin ein harter Knochen, kann aber nicht verhehlen, dass mich Rührung vor Freude überkam.

Er fängt auch an, "anders" zu werden. Minimal zwar, aber immerhin. Das ist so wenig, dass ich es schlecht beschreiben kann. Aber irgendwas ändert sich im Verhalten.
Heute waren wir z.B. am Angelteich spazieren, als uns ein Mann entgegenkam. Normalerweise weicht der Dackel bogenförmig etwa 1 Meter vor einem Fremden aus, läuft aber ansonsten ohne Besonderheiten vorbei. Heute hat er das nicht gemacht, ist höchstens 30 Zentimeter ausgewichen, mehr "gerade mal zur Seite gegangen". Sowas meine ich, muss aber noch genauer beobachten.

Es sind die Kleinigkeiten.

Freitags ist normalerweise wieder Training und ich mache künftig in der Gruppe mit. Allerdings ist Bärbel kommendes Wochenende in der Schweiz und bildet dort Mantrailing-Trainer fort.

Dann eben übernächsten Freitag, 5.9.2014. Täglich 2 x 2:jawoll:

Mittlerweile läuft Willi nach dem 2ten Mal quieckend neben mir her und will weitermachen.

Fortsetzung folgt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eigendlich ganz einfach nur weiß man das nicht.
Du siehst der Tipp war Goldrichtig.
Viel Spass Euch beiden, das Dein Dackel noch eine flotte Socke wird.:jawoll:
 
Fortsetzung? Gerne:jawoll:.

Zunächst ein paar Foto´s, ca. nach einer Woche Training aufgenommen:

Der Dummy liegt hinter dem Baum, Dackel bei der Suche



Gefunden



Brav gebracht



Zweite Runde, der Dummy liegt hinter Frieda, dem Tonschwein



Erwartungsgemäß wetzt der Dackel zum Baum, Frieda ist rechts oben am Bildrand:denken24:



Weitersuchen, Dackelchen



Gefunden



Und gebracht



Irgendwie hab ich den Eindruck, Willi setzt eher seine Augen als seine Nase ein. Zunächst werde ich mal so weitermachen und diese Vermutung mit Bärbel besprechen. Bisher läuft alles gut und ich will nicht durch zu frühes wirkliches Verstecken den Erfolg gefährden.
 
Deine Geschichte hört sich toll an! Es gibt doch nichts Schöneres, als Hunde aufblühen zu sehen, wenn sie Dinge tun dürfen, die sie fordern und die ihnen Spaß machen :jawoll:

Auch ich freue mich auf weitere Berichte!
 
Hi Dieter,

das klingt nach einer sehr kompetenten Trainerin und viel Spaß für deinen Dackel. Das ist ja total klasse :winken5:
Endlich blüht dein Dackel auf. Ich freue mich sehr für euch beiden.

Liebe Grüße
Isabell
 
Dein Bericht hört sich toll an. Ich freue mich für deinen Hund und für dich. Ich finde es immer schön wenn der Mensch das richtige "Hobby" für seinen Hund gefunden hat.

Ich habe gedacht, dass Dummytraining nichts für Dackel ist. Da muss ich für meinen vielleicht auch mal drüber nachdenken.
 
Hört sich wirklich sehr gut an. Freut mich das der Dackel sich da noch drauf einlassen kann. Bin gespannt auf weiteres. :happy4:
 
Liest sich total schön. Bitte weiter berichten!

:winken5:
 



Hundeforum.com - Partnerseiten :
Heilkundeforum.com | Veggieforum.de | Herrchen-sucht-Frauchen.de

Hundeforum.com ⇒ Das freie & unabhängige Hundeforum unterstützen:

Zurück
Oben